Читать книгу Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag - Loretta Walz - Страница 30

»Ich dachte, du wärst schon durch den Schornstein gegangen«

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Nachdem Hermine Schmidt ein Vierteljahr in Ravensbrück war, erkrankte sie schwer. »Auf einmal fing das an, ich fiel immer so rüber, und das Essen lief mir aus dem Mund, die ganze Seite war wie gelähmt. Hernach hat mich die Stubenälteste ins Revier geschickt, zur Untersuchung. Da saß die Schwester Luise am Tisch, das war eine braune Schwester, Stiefel hatte sie an, das werde ich nie vergessen. Ich denke immer, da fehlte nur noch eine Zigarette im Mund! Die Häftlingsärztin musste ihr dann sagen, was man hatte. ›Auch zu faul zum Arbeiten, raus!‹, schrie sie. Aber ich konnte doch nicht mehr stehen! Da hab ich lange Zeit im Block unter dem Tisch gelegen, wo die Frauen am Stricken waren. Ich durfte doch nicht ins Bett! Wenn die mich gefunden hätten, dann wäre ich in den Krankenblock gekommen – und wenn der Krankenblock voll war, dann ging ein Transport weg zur Vergasung. Die das wussten, sagten immer: ›Und wenn du über die Erde kriechen musst, meld dich nicht krank.‹ Mehr sagten die nicht

Der Blockältesten gelang es, Hermine Schmidt zum Stubendienst einzuteilen, damit sie nicht zur Arbeit ausrücken musste. »Es gab auch eine tschechische Ärztin, ein Häftling, zu der ging ich irgendwann hin und klagte mein Leid. ›Das ist alles Einbildung, du bist überhaupt nicht krank!‹ Ich sollte mir das doch nicht einbilden, so schimpfte sie mich aus. Ich denke: Was will die? Ich bin doch krank! Nach ein paar Wochen treffe ich sie wieder, sie bleibt vor mir stehen und sagt: ›Ich dachte, du wärst schon durch den Schornstein gegangen.‹ Ich fragte: ›Warum denn?‹ ›Ich wusste, dass du das nicht überlebst, du warst so krank, du solltest aber nicht dran glauben.‹ Die wollte gut zu mir sein und hat mich ausgeschimpft! Kannst du dir das vorstellen? Die war wirklich prima. Ich sollte mich nicht hängen lassen, so schlimm wäre das alles nicht. Sonst wäre ich ja nicht nach Hause gekommen

Hermine Schmidt wurde gesund. Sie war der Meinung, dass die tschechische Ärztin ihr den entscheidenden ›Schubs‹ gegeben habe. »Ich sagte mir, die werden mich hier nicht kaputt kriegen. Wir hielten doch zusammen wie Pech und Schwefel, dann kommt das andere von selber. Wer alleine war, der überlebte das nicht. Alle, die nach Hause gekommen sind, haben solch einen Willen gehabt. Die haben auch im Lager Halt gehabt

Schlimme Erinnerungen hatte Hermine Schmidt an die hygienischen Bedingungen im Lager. Die Waschbecken reichten nicht aus für die vielen Frauen im Block, und zwischen Wecken und Appell blieb kaum Zeit für alle, sich zu waschen. »Für dreihundert Frauen waren da viel zu wenig Waschhähne, da kamst du selten dran. Ich hab zum Glück die ganze Zeit keine Periode gehabt, viele hatten sie nicht mehr. Die ist ausgeblieben. Erst ein halbes Jahr, nachdem ich wieder hier war, fing sie wieder an. Diejenigen, die ihre Blutungen hatten, mussten das runterlaufen lassen, die hatten keine Binden, nichts, gekriegt. Auf diese Art war es gut, dass ich sie nicht hatte

Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag

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