Читать книгу Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag - Loretta Walz - Страница 37

»Nachher war mir völlig egal, wie ich ausse he«

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»Mein Vater hat gewusst, dass wir verraten werden. Er konnte zwar die beiden Mädchen vorher noch nach Frankreich bringen, aber mich nicht mehr wegschaffen. Ich wäre auch nicht weg von ihm. Ich hab immer gedacht: Wenn mein Vater oder mein Onkel bei mir ist, kann mir nichts passieren. Den Glauben hab ich bis zuletzt gehabt, bis sie meinen Vater dann von mir weggerissen haben

Die letzten acht Tage verbrachte die Siebzehnjährige alleine im Keller, sie spürte, das etwas Schlimmes geschehen würde. »Ich war alleine, die Maschine war weg, kein Papier, nichts mehr war da. Ich durfte auch nachts nicht mehr raus. Ich hab keinen Bruder, niemanden mehr gesehen. Das war die schlimmste Zeit, die letzten acht Tage da unten. An dem Tag, als ich verhaftet worden bin, kam mein Vater zu mir und sagte: ›Was jetzt auf dich zukommt, das musst du gefasst nehmen. Denk aber immer daran, dass ich bei dir bin, egal, wo du bist.‹ Dann hat er mich fest an die Hand genommen. Auf einmal haben wir Stiefel gehört, schwere Schuhe und Gebrüll. Dann hab ich einen Schrei gehört, und die Falltür ging auf. ›Gestapo. Ihr seid verhaftet! Rauskommen!‹, mit der Pistole in der Hand. Da habe ich zu meinem Vater gesagt: ›Gott sei Dank.‹ Der konnte das gar nicht fassen. Ich hab wirklich geglaubt, jetzt bin ich frei. Jetzt kann ich wieder heim. Jetzt bin ich aus allem raus. Der Meinung war ich, bis ich ins Gefängnis kam

Im November 1941 war Elfriede Schneider gerade siebzehn Jahre alt und kam nach mehr als einem Jahr direkt aus dem Keller ins Gefängnis. Sie wurde verhört, geschlagen, durfte ihre Eltern nicht sehen und wusste nicht, was mit ihnen passierte. Im KZ Rudersberg, wohin man sie nach einigen Wochen brachte, verweigerte sie die Arbeit und wurde nach acht Wochen wieder abtransportiert. Nach vielen Stationen erreichte sie das Gefängnis Berlin-Alexanderplatz. »Im Alex war ich acht Tage. Das war eine große Zelle, in der Frauen, alte Frauen und Kinder eingepfercht waren. Wochenlang war ich in denselben Klamotten. Ich hatte nur morgens ein bisschen Wasser fürs Gesicht. Ich hab Ausschlag gekriegt am ganzen Körper, am Rücken, im Mund, überall, durch den Schmutz. Ich hab gerade mal ne Schale voll Wasser gesehen. So dreckig, wie ich war, kam ich auch auf den Transport. Aber da hat niemand gefragt: ›Ja, wie siehst du denn aus?‹ Nachher war mir völlig egal, wie ich aussehe. Ich hab bloß immer um mich geguckt und gesehen, dass die andern genauso aussehen wie ich. Ich hab mich damit abgefunden. Ich kam nach Auschwitz. Dort auf der Rampe wurden wir gleich aussortiert: dahin und dahin. Die Kranken raus. Da war ein Arzt. Ich nehme an, das war Mengele. Der kam und hat mich angesehen und fragte, wie ich heiße. Da hab ich gesagt: ›Mergenthaler.‹ Er fragte mich, ob der Reichsminister Dr. Mergenthaler8 aus Stuttgart mein Onkel wäre. Da hab ich automatisch gesagt: ›Ja.‹ Ich kam gleich auf die Seite. Zwei Tage später bin ich in Lublin gewesen. Dort war ich sechs, sieben Wochen und kam dann ins Jugendschutzlager Uckermark. Im Sommer 1942 bin ich dort angekommen

Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag

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