Читать книгу Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag - Loretta Walz - Страница 32

»Hier geht noch eine rein«

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In der Weberei blieb sie bis zum 28. Juli 1944 – das Datum wusste sie genau, es war ihr Geburtstag. Hermine Schmidt sollte aus Ravensbrück entlassen und in Hamm vor Gericht gestellt werden. Doch sie war wieder erkrankt und nicht transportfähig, so wurde ihr Prozess vertagt. Mit Geschwüren am ganzen Körper verbrachte sie sechs Wochen im Krankenrevier. Als sie davon erzählte, fiel ihr Folgendes ein: »Wie ich auf dem Krankenblock war, da mussten wir die Toten in den Totenkeller bringen. Die eine machte den Sarg auf: ›Geht nix mehr rein.‹ Dann den nächsten: ›Hier geht noch eine rein.‹ Den Deckel hoch, da wurde die Trage umgekippt – wir durften die ja nicht anfassen, wegen Leichengift –, und abends kamen die alle auf eine lange Karre; die wurde von Frauen zum Krematorium gezogen, und dort wurden die verbrannt

Jeden Tag war man mit dem Tod konfrontiert. »Ich hab zwei junge Mädchen erlebt, ich glaube, die waren aus Litauen oder Estland. Die eine haben sie vom Hund zerreißen lassen. Die Hunde waren darauf abgerichtet! Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, aber es ist viel wert gewesen, dass man abgestumpft ist. Die Aussprache war nicht so fein wie hier, da wurde man ein bisschen gewöhnlich, das kommt von selber mit der Zeit

Fünf Monate später, Anfang Januar 1945, brachte man Hermine Schmidt schließlich als Untersuchungsgefangene nach Hamm, um sie dort vor Gericht zu stellen. Wegen der Bombenangriffe kam es aber nicht zum Prozess, denn alle Akten waren zerstört. Sie wurde in das Gefängnis von Wiedenbrück bei Gütersloh weitertransportiert. Dort erlebte sie die Befreiung durch amerikanische Soldaten – Hermine Schmidt war vierzig Jahre alt. Nach zwei Wochen Fußmarsch erreichte sie ihr Elternhaus und traf ihre Mutter und Schwester an. »Ich sah ja ein bisschen verboten aus. Vierzehn Tage unterwegs. Ich bin durch die Lippe gegangen, durch den Fluss. Alle Brücken waren ja kaputt. Ich kann bis heute nicht verstehen, wie ich das ausgehalten habe, bis nach Hause zu kommen. Meine Mutter hatte ja so viel Leid erlebt. Die hat sich gefreut, wenn sie auch geheult hat. Nun dachten wir ja immer, der Vater wäre auch gekommen, der ist aber nicht gekommen, der blieb vermisst. Als er verurteilt wurde, hat er acht Jahre gekriegt. Vielleicht hat er einen Tod gehabt, wo er nichts von gemerkt hat …«

Und dann kommst Du dahin an einem schönen Sommertag

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