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Weniger reden, mehr sagen

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In der letzten Zeit gab es wichtige Wahlen in der großen Welt und nun auch bei uns in der kleinen. Angesichts des gegenseitigen Kandidatenschlachtens fragt sich der nicht beruflich mit Politik befasste Bürger immer öfter: Was haben die persönlichen Lagerkämpfe, diese unzeitgemäße Parteienmentalität, dieses Siegen um jeden Preis mit uns Normalbürgern, unseren Problemen zu tun? Und was bedeutet heute noch, Sieger zu sein, seit Siegen und Gewinnen längst nicht mehr identisch sind in unserer verzahnten und vernetzten Welt, wo jeder und alles aufeinander angewiesen ist wie nie zuvor? Sind diese teuren Lagershowkämpfe überhaupt noch sinnvoll, wenn die Protagonisten in ihren Über- und Untergriffen letztlich nur jene Beleidigten und Vergifteten zurücklassen, mit denen sie, nolens volens, nach der Wahl wieder im gleichen Staatsboot rudern wollen und müssen?

Es ist höchste Zeit, sich wieder einmal einer nachahmenswerten Begebenheit zu erinnern: Da trafen sich vor eineinhalb Jahren nach tausendjährigen feindseligen Glaubenskämpfen der russischorthodoxe Patriarch und der römische Papst Franziskus zum Gespräch, zum Gedankenaustausch – in Kuba, beim militanten Atheisten Castro. Immer noch gilt: Im Anfang war das Wort.

Ja, am Anfang war das Wort und später das World Wide Web, in welchem wir uns wie Fliegen im Spinnennetz verfangen haben. Darunter lauert, wie einst im Garten Eden, unerschrocken die Schlange der Verführung, die uns heute keinen Apfel, sondern den Zwang mithilfe des Internets schmackhaft machen will. Zeitzwang, Informationszwang und Mitteilungszwang sind aber keine guten Voraussetzungen für eine freie demokratische Gesellschaft. Denn Wahrheit lässt sich trotz aller Digitalisierung nicht erzwingen und braucht, wie das am Anfang stehende Wort, ihre Zeit.

Als der Mensch noch nicht auf das Geplauder der Schlange gehört hatte, war das Wort klar, deutlich, wahrhaftig und unmissverständlich. Das Lügen mithilfe der Worte war unbekannt, da noch nicht vonnöten, die beschönigenden, verhüllenden, mildernden Worte nicht weniger fremd, da man Gedachtes aussprechen und nicht verhüllen wollte.

Die Worte des Anfangs dienten der Mitteilung und nicht dem redseligen Geschwätz. Sie wurden gebildet und nicht von Managern und deren Spindoktoren kreiert, um einen elitär-intellektuellen Eindruck zu erwecken. Das Wort verhalf dem kommunizierenden Menschen, seinen geheimsten Gefühlen und Gedanken eine materiell übertragbare Existenz zu verleihen und auf diese Weise ein rätselhaftes Eigenleben.

Aber je nachdem, wer sich ihrer bedient, blühen und welken Worte wie Blumen auf den Feldern. Oft verkommen sie zu Worthülsen und abgedroschenen Phrasen, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass jeweils Sprechende nichts zu sagen haben.

Auf den Punkt gebracht

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