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Lenin-Kappel im Schrebergarten

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Eine PR-Agentur hat Produkte zu vermarkten, ob es sich dabei um Song-Contest-Starlets, Ameisennahrung, Parteiprogramme oder Biokamelfleisch handelt. Dagegen wäre weiter nichts zu sagen, wenn die Werbelobby nicht als Thinktank mit Spindoktoren agieren würde. Der Spindoktor ist dadurch Vermarkter und gleichzeitig Erzeuger einer Ware, die nicht die seine ist.

Dass diese Tatsache bei verunsicherten Politikern peinlichste Auswirkungen haben kann, war vorauszusehen. Darum kann man jetzt erleben, dass mit erprobter Zirkusvermarktung einerseits politische Erfolgsnummern aus dem Jahr 1869 und andererseits urgroßmütterliche Schrebergartensehnsüchte wiederentdeckt werden. Will man auf diese Weise die Wähler einschläfern, um weiterwurschteln zu können wie bisher? Was ist los? Haben die Herrschaften das Selbstdenken verlernt? Glauben sie tatsächlich, dass man mit Pizza-Look und Lenin-Kapperl oder mit opportunistischer Rechtsaußenlastigkeit Wähler vom ernsthaften Bemühen um eine zeitgemäße Neuausrichtung der verfilzten, unerträglich egozentrischen Parteistrukturen überzeugen kann? Es ist höchste Zeit zum Selbstdenken und zum Hinauswurf der Spindoktoren.

Auch am Anfang der Politik war das Wort, und dieses Wort war ein schwaches Verb mit starken Auswirkungen: »drehen«.

Politik dreht sich um die Durchsetzung von Zielen und die Gestaltung öffentlichen Lebens durch taktierendes Verhalten und zielgerichtetes Vorgehen. Wer in die Politik geht, muss die Kunst des Drehens und Wendens lernen, da es weniger auf Inhalte als auf einen zielführenden Dreh ankommt. Das verleiht der Politik ein Drehmoment, mit dem Bestreben, sich über das Alltägliche hinauszubewegen.

Bekommt man diesen Dreh jedoch nicht rechtzeitig heraus, laufen Politiker beiderlei Geschlechts Gefahr, einen Hund in ihr politisches Wirken einezudrahn. Und damit das möglichst nicht passiert, kamen Politiker im Laufe des 20. Jahrhunderts auf die Idee, Spindoktoren als Berater zu engagieren. Wenn die Spindoktoren die ihnen anvertrauten Aufgaben mit dem richtigen »spin«, wie es im Englischen heißt, versehen, handelt es sich um mediale Inszenierungen vorbereiteter Themenschwerpunkte, um der Wählerschaft Komplexes im gewünschten Sinne verständlich zu machen. Auch nicht verwerflich, wenn die Politik dabei nicht zu einer Inszenierungspolitik verkommt.

Heute gelten die Doktoren des Spins als Marionettenspieler der Macht, die wie Starregisseure aus Hollywood hohe Summen Geld für ihre »inszenierten Dreh-arbeiten« bekommen. Wenn sie aber weiterhin so unreflektiert die Politik bestimmen dürfen, dann werden sie die Demokratien am letzten Drehtag dieses Trauerspiels unerbittlich »hamdrahn«.

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