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Kapitel 3 Geburt – was man bekommt

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Ich verbrachte die ersten Stunden meiner Wehen auf einer Toilette sitzend, stöhnend und im Cowboy-Stil den Spülkasten umklammernd. Und das war noch der am wenigsten entwürdigende Teil dieser schrecklichen 19 Stunden, und wahrscheinlich auch der folgenden zwei Jahre.

Der ganze Vorgang von Anfang bis Ende ist eine Mischung aus Schock, endlosem Warten und Erniedrigung. Als es vorbei ist, schreibe ich als erstes eine SMS an Cat. Kein Name, kein Gewicht, keine Details. Nur eine Zeile: „ES IST EINE GOTTVERDAMMTE VERSCHWÖRUNG.“

Wie nicht anders zu erwarten, beinhaltet diese Verschwörung Schreien, Muhen, Betteln und Wimmern, garniert mir körperlichem Zerfall und Warten. Das einzig Überraschende ist, dass ich ein paar derbe Witze reiße, deren Timing nahezu perfekt ist.

Das ist alles, woran ich mich kurz nach der Geburt erinnern kann. Alles andere ist weg. Ich stehe neben meiner Pferdetoilette, die sich in einem an den Kreißsaal angeschlossenen Waschraum befindet, und schaue in einen Spiegel, der den gesamten Raum dominiert und eindeutig von einem Sadisten angebracht wurde. Da stehe ich, ein verrücktes, geisterhaftes Abbild meiner selbst, und starre auf eine schlaffe Parodie meines süßen runden Babybauchs. Meine Knie sind blutverschmiert, Pipi und Blut laufen mir an den zittrigen Beinen hinunter. Die warme Dusche hilft nicht wirklich. Wie sehr mein Intimbereich lädiert ist, wird erschreckend klar, als selbst das Naturkosmetik-Duschgel höllisch brennt. Am schlimmsten aber ist mein Gesicht, das zwar noch schön, jung und strahlend ist, aber plötzlich vor allem alt, verbittert und frustriert wirkt.

Hitze und Dampf und der Geruch nach Rost. Meine Sinne sind überaktiv. Ich höre die Hebamme draußen im Kreißsaal fast so gut wie mein eigenes Herz, das vor Liebe zu meinem Sohn Purzelbäume schlägt. Nicht die Art von Liebe, die aufregend ist und einen überwältigt, sondern etwas, das die Zeit überdauert und verbindet, wie Haut, die nach einer Verbrennung wieder neu zusammenwächst. Die Hebamme klingt aus irgendeinem Grund, den ich mir nicht erklären kann, besorgt. Ich habe Angst, dass sie mit mir schimpfen wird. Vielleicht bin ich schon zu lange hier drin oder brauche das ganze heiße Wasser auf. Vielleicht schließt die Tür, die ein wenig klemmt, nicht richtig und sie befürchtet, dass die blutige Pfütze (halb Pipi, halb Überreste) in den Korridor hinausläuft und eine arme Schwangere erschreckt, die gerade erst angekommen ist. Sie fragt, ob sie mir helfen könne. Ich weiß nicht, ob ich Hilfe brauche und wie diese aussehen könnte. Ich fühle mich, als hätte es mich entzweigerissen. Ich wünsche mir, dass niemand jemals Zeuge des Zustands sein muss, in dem ich mich befinde. Aber ich wünsche mir auch, dass mich jemand berührt, um mich daran zu erinnern, dass ich ein Mensch bin.

Als ich mich schließlich an all das erinnere, was zuvor geschehen ist, ist es kein schönes Gefühl.

Ich bin nicht ganz dicht

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