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Juli 2007, in die Jahre gekommene Entbindungsstation, große Uniklinik

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Die Wehen haben eingesetzt. Ironischerweise eine Viertelstunde, nachdem mein Mann in die U-Bahn gestiegen ist, um zur Arbeit zu fahren. Mit zunehmender Stärke der Kontraktionen vergesse ich, was Ironie bedeutet, ebenso wie meinen Namen und alles, was ich je gelernt habe. Ich existiere in meinem eigenen Universum.

Wir kommen vormittags in der Klinik an, und man sagt mir, der Muttermund sei drei bis vier Zentimeter geöffnet und alles sehe „gut“ aus. Wir dürfen entscheiden, ob wir bleiben oder noch einmal nach Hause gehen wollen. Mein Facebook-Status, im Jahr 2007 noch etwas relativ Neues, lautet bereits: „Luce Brett liegt in den Wehen.“ Mich packt die Sorge, dass ich versagt haben könnte, wenn ich jetzt nicht im Krankenhaus bleibe, und es alle wissen werden. Ich wäre ein Weichei und unfähig, die Regeln zu befolgen, die ich im Vorbereitungskurs gelernt habe.

Wir beschließen zu bleiben.

Wir erfahren, dass bei unserem Baby eine hintere Hinterhauptslage vorliegt, was bedeutet, dass sein Kopf falsch herum liegt und es mit dem Gesicht nach oben als Sternengucker geboren werden wird, wenn es sich nicht noch dreht. Mir läuft ein Schauer über den Rücken und ich verbringe einige Stunden und Wehen damit, meinen Sohn zu einer Drehung zu bewegen.

Es wird Abend, und die Hebammen schicken meinen Mann nach Hause. Auf der Entbindungsstation ist viel los, und da sich mein Muntermund nur um einen weiteren Zentimeter gedehnt hat, nehme ich anderen einen Raum weg.

Sie bringen mich auf den Korridor einer anderen Station und sagen mir, ich könnte ein wenig schlafen. Eine Lüge, wie sich herausstellt. Hier findet man keine Ruhe zum Schlafen, nicht zwischen all diesen Frauen in den Wehen, kranken Frauen, weinenden Babys und dem Personal, das mich tadelt, weil ich zu wimmern beginne, sobald mir das Lachgas-Sauerstoff-Gemisch ausgeht.

Zwischen den qualvollen Wehen packe ich meine Sachen und Notizen zusammen und biete an, nach Hause zu gehen. Ich weiß, dass mein Mann nicht hundertprozentig erfreut wäre, aber er wäre zumindest nett zu mir. Ein Arzt rollt mit den Augen und sagt mir, ich müsse bleiben. Ich fühle mich bestraft. Ich bin in Hinblick auf meinen Muttermund im Niemandsland. Zu wenig für den Kreißsaal, zu viel und zu schmerzgeplagt für dieses Höllenloch. Und keiner hilft mir. Nicht einmal dann, als meine ganze Welt in Scheiße versinkt in der ekligsten Toilette, die ich je gesehen habe.

Ich muss an den Film Trainspotting denken, als ich das erste Mal unter den strengen Blicken der Nachtschwestern hineintaumele. Die Toilette würde einen Oscar für Schmutz gewinnen.

Zuerst denke ich, dass sie gar nicht so schmutzig ist, sondern einfach nur alt und abgenutzt. Der Boden ist mit Toilettenpapier bedeckt und Papierhandtücher, teilweise benutzt, quellen aus dem Mülleimer. Eine Lampe flackert und brummt, die andere funktioniert gar nicht. In der Ecke stehen Kisten mit einem Energydrink. Ich spiele mit dem Gedanken, eine Dose zu stibitzen (ich war noch nie sehr brav, daran ändern auch die Wehen nichts), aber ich möchte mir nicht noch mehr Ärger einhandeln. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich überhaupt etwas trinken sollte, weil ich nicht richtig pinkeln kann, obwohl ich das Gefühl habe, gleich zu platzen.

Ich schaffe es, eine kleine Menge herauszubekommen, aber es tut ziemlich weh. Ich gehe wieder ins Bett und stütze mich dabei an der Wand des Korridors ab. Dann muss ich schon wieder.

So geht das rund zwei Stunden lang. Ich quäle mich auf Krankenhausbetten und Toiletten und wieder von ihnen herunter. Die Nacht fühlt sich seltsam gefährlich an. Jedes Mal, wenn ich über den Korridor wanke, bin ich fasziniert und verängstigt wegen der Geräusche, die mein Körper von sich gibt, und den immer neuen Formen meines Bauchs. Ich stöhne und pruste und stütze mich an den Wänden ab. Ich gehe schwerfällig. Mein Bauch ist zum Zerreißen gespannt und schwer. Und sehr hart. In meinem Inneren ist so viel Druck. Mein Rücken krümmt sich und meine Knie zittern.

Bei meinem letzten Besuch sitze ich auf dem Klo und starre den tropfenden Wasserhahn an, den ekligen Durchlauferhitzer, die schmutzigen Wände mit den Aufklebern, die zu Reinlichkeit und Händewaschen auffordern. Ich will gerade über die Ironie des Ganzen lachen, aber mir fällt das Wort nicht ein und plötzlich kippe ich nach vorne.

Ich gebe einen lauten gutturalen Schrei von mir. Ich weiß nicht, ob ich das Bewusstsein verliere. Mein Körper zieht sich spastisch zusammen. Ich verrenke mich, übergebe mich, pinkle mich voll und ein Häufchen scheint auch mitgekommen zu sein. Als ich wieder zu mir komme, sind meine Beine komplett mit warmer Flüssigkeit bedeckt. Blut? Pipi? Fruchtwasser? Fruchtwasser mit Blut und Pipi vermischt? Ich kann es wegen des mangelnden Lichts nicht erkennen. Alles sieht irgendwie bräunlich aus.

Ich spucke so viel aus, wie ich kann, und versuche dann die Bescherung aufzuwischen. Ich krieche auf dem Boden herum, die Haare hängen mir ins Gesicht, die Lippen sind aufgeplatzt. Ich verwende Papierhandtücher, um den Boden zu säubern, und hoffe, dass zumindest ein Teil der Kacke meine eigene ist und nichts von meinem Baby stammt. Eines weiß ich: Wenn mein Fruchtwasser voller Kindspech ist, also dem ersten Stuhlgang eines Babys, dann ist das kein gutes Zeichen. Wenn das Baby schon kackt, bevor es überhaupt auf der Welt ist, dann hat es Stress.

Ich denke: „Den haben wir gerade beide, Kleiner.“

Es ist zu dunkel in der Toilette, um den Schlamassel aufzuräumen, und ich krieche zurück dahin, wo es ein Bett gibt und Licht. Bestimmt ist es dort sicherer.

„Vielleicht sterben wir hier“, flüstere ich meinem Sohn beinahe zu. „Ich auf allen vieren, du zur Hälfte aus mir heraus, in einer Toilette und bedeckt mit Scheiße.“ Stattdessen sage ich laut „Bitte stirb nicht“, als die Schmerzen stärker werden und mir schon wieder übel wird. Es fühlt sich nicht wie ein guter oder produktiver Schmerz an. Es fühlt sich so an, als säße etwas fest.

Als ich beim Bett angelangt bin, zittere ich am ganzen Körper. Ich will die beiden Frauen in der Schwesternstation beschimpfen, die mich den ganzen Weg haben kriechen lassen. „Vielleicht haben sie uns nicht gesehen“, denke ich hoffnungsvoll, aber um zu überleben, erniedrige ich mich noch mehr. Ich beginne zu betteln.

Entschuldigungen quellen aus mir hervor: „Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid. Bitte helfen Sie mir. Ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt. Tut mir leid. Ich glaube, es könnte sich Kindspech im Fruchtwasser befinden. Ich glaube, ich habe in die Hose gemacht. Ich konnte nicht alles aufwischen. Da ist immer noch Kacke auf dem Boden. Bitte helfen Sie mir. Bitte. Es tut mir so leid.“

Von irgendwoher kommt eine Hebamme angerannt. Sie ignoriert mich nicht, wie all die anderen es getan haben. Sie ist für mich da. Sie spritzt mir ein Schmerzmittel, aber bei den nächsten Wehen beginne ich zu schreien. Ich lege mir sogar die Hand, die sich nicht am Seitenteil des Betts festklammert, über den Mund und versuche die Geräusche, die aus meinem Mund kommen, zu unterdrücken, aber es gelingt mir nicht.

Das Geräusch ist so schrecklich, dass mein Mann es im Hintergrund hören kann, als die Hebamme ihn anruft und bittet, ins Krankenhaus zu kommen. Seine ersten Worte, als er mich sieht, sind: „Was zum Teufel haben Sie mit ihr gemacht?“

Im Kreißsaal bin ich jetzt bei achteinhalb Zentimetern angelangt. Obwohl ich mir bei dem halben Zentimeter nicht ganz sicher bin. Auf jeden Fall geht es jetzt schnell vorwärts. Ich schreie und verdrehe die Augen, als sei ich besessen. Wie Jamie Lee Curtis in Halloween und Linda Blair in Der Exorzist knurre und brülle ich. Eine Hebamme zeigt sich besorgt um meinen Kehlkopf.

„Ich mache mir eher Sorgen um meine Muschi“, antworte ich ihr.

Die Hebamme ignoriert meine derbe Antwort, notiert aber, dass ich „sehr verzweifelt“ wirke. Man einigt sich auf eine Epiduralanästhesie.

Die Wirkung setzt so unmittelbar ein, dass ich anbiete, vor der Anästhesistin einen Kniefall zu machen. Später kommt wohl noch eine Spinalanästhesie hinzu, aber ich verliere ein wenig den Überblick. Ich weiß nur eins: Ich nehme alles, ich bin willenlos. Ich habe jetzt einen Katheter, der sich zwischen meinen Beinen hinausschlängelt und Zugänge an den Händen. Und plötzlich wird mir bewusst: Ich schreie nicht mehr. Es herrscht Stille.

„Na also, eine ganz andere Frau“, sagt eine erfahrene Hebamme, als sie mich an eine Hebammenschülerin namens Kay übergibt. Ich bin ruhig, sogar gesprächig, ein wenig benebelt. Mein Mann und ich hören uns auf unserem neuen iPod einen Beatles-Song an, während der Morgen anbricht. Das rettet uns erst einmal. Mein Mann singt mit und hält mich im Arm. Wir tun so, als sei nichts Schlimmes passiert und hoffen das Beste. Eine Stunde später ist der Muttermund zehn Zentimeter eröffnet und die Epiduralanästhesie wird leider abgestellt, damit ich pressen kann. Ich will gerade meinen Unmut darüber äußern, dass ich jetzt, wenn es am schlimmsten wird, die Unterstützung durch die Schmerzlinderung verliere, aber die Ereignisse sind wieder einmal schneller als ich und … zack! Ich bin wieder mitten im Schlachtgetümmel.

Blut spritzt aus meiner Hand, weil ich es geschafft habe, die Kanüle herauszureißen. Immer mehr Leute kommen und gehen. Ich sehe den Arzt, der mich nicht mehr nach Hause gehen lassen wollte. Jetzt ist er auf einmal freundlich und sieht besorgt aus. Die Gerüche und das allgegenwärtige klebrige Gefühl sind überwältigend. Der Raum ist so hell, klar und laut, dass ich nahezu hören kann, wie meine Haut reißt.

Zwei behandschuhte Hände begeben sich zwischen meine Beine und kommen rot mit Blut wieder hervor. Ich glaube, sie gehören einer anderen Ärztin, einer älteren Frau, aber ich habe den Überblick verloren. Sie beugt sich vor, eine Schere in der Hand, und sagt dann, ein Dammschnitt sei nicht notwendig. (Die Größe der Öffnung ist nicht mehr das Problem, weil mein Scheideneingang bereits weiter aufgerissen ist, als sie es überhaupt schneiden würden – Bravo, Luce!) Sie müssen allerdings eine Saugglocke verwenden, wenn ich das Baby nicht innerhalb der nächsten Minuten herauspresse, weil sein Herz zu schnell schlägt. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit.

Kay schaut mich verschwörerisch durch meine Beine an, ignoriert das ganze Drama rundum und spricht nur zu mir. Ich kann Ihren Atem auf meinem Oberschenkel spüren. „Du kannst das alleine schaffen, Luce. Ich weiß das.“

Ich schließe die Augen und presse, während sich auf der dicken Unterlage, die sie mir unter den Hintern geschoben hat, eine warme Blutlache bildet.

Aber es ist nicht nur ein Drama, es hat auch etwas Heiteres. Es ist neun Uhr morgens an einem Tag im Juli und ich kann die Sonne auf meiner linken Wange spüren und riechen, dass jemand draußen vor dem Fenster raucht. Das stört mich nicht weiter. Ich würde jetzt ganz gerne selbst eine rauchen. Eine Zigarette und eine Tasse Tee und dann einfach zuschauen, wie die Leute kommen und gehen. Bereiten sie da gerade etwas vor? Einen Kaiserschnitt vielleicht? Oder kommt jetzt die Zange? Es ist mir egal. Ich will einfach nur, dass es vorbei ist. Ich mache genau das, was Kay mir sagt, weil sie die Einzige ist, die mich mit Namen anspricht.

Später erzählt Kay mir, wie stolz sie auf mich ist, weil ich während der Presswehen so stoisch und tapfer war, trotz des Risses. Sie gratuliert mir. Ich traue mich nicht, ihr die Illusion zu nehmen und zu sagen, dass ich einfach davon ausgegangen bin, dass ich und mein Sohn sowieso sterben. Und dass es mir egal war. Von Tapferkeit keine Spur.

Und dann: Wow! Mein Sohn wird geboren. Ich berühre seinen Kopf, als er aus mir herauskommt, nachdem ich es abgelehnt habe, ihn im Spiegel zu sehen. Auch das Berühren möchte ich zunächst nicht, aber Kay nimmt einfach meine Hand und schiebt sie mir zwischen die Beine. Sie sagt, das würde helfen, und tatsächlich ist es so. Sein Kopf fühlt sich uneben, merkwürdig und vertraut zugleich an. Und warm und nass zwischen den Büscheln meiner Schamhaare. Das Innere kommt nach außen. Ich kann fühlen, dass er fast da ist, und ich gebe noch einmal alles.

In den kommenden Jahren werde ich immer wieder meine Handfläche auf seinen Kopf legen, um es zu überprüfen. Ja, er fühlt sich immer noch gleich an, hat die gleiche Form. Es tröstet mich und ich bin traurig, als er sieben ist und ich die Konturen nicht mehr ausmachen kann, selbst wenn ich ihm verstohlen über die Haare streiche und ihm einen Kuss gebe, wenn er schläft.

Er ist so wunderschön, dass mir der Atem stockt, aber das Leben wirft mich erbarmungslos in die Realität des Kreißsaals zurück, mit zugeschnürter Kehle, weil ich keine Wahl habe. Sie heben ihn hoch und geben ihn mir. Mir ist übel. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll.

Was mir auf der Zunge liegt ist „Scheiße, was haben wir nur gemacht“, aber das kann ich nicht sagen. Ich möchte, dass er etwas Wichtiges hört. Das ist schließlich unser erster Mutter-Sohn-Moment.

Ich blicke auf ihn, seine winzigen, lilafarbenen Schultern, spüre ihn warm auf meiner Brust und flüstere: „Hallo, Kleiner.“

Kay kümmert sich um die Nachgeburt und mir ist weiterhin übel. Überall sind Schläuche und Schüsseln voller Blut. Ich spreche undeutlich und meine Beine zittern. Mein Mann zieht sein Hemd aus und nimmt unseren Sohn an seine Brust, damit er den Herzschlag hören kann. Wir sagen unseren Familien Bescheid, aber ich bin nicht wirklich anwesend.

Mir geht durch den Kopf, dass William Blake in seinem Gedicht Kindliches Leid1 ganz schön untertrieb, als er davon sprach, wie die Mutter stöhnte, der Vater weinte und das Kind nur so in die gefährliche Welt sprang.

Meine Aufmerksamkeit kehrt in den Raum zurück und ich denke: „Warum legen all diese Leute den Kopf so schief und starren auf etwas?“

Später wird mir klar, dass sie den Schaden begutachten und nach einer Hebamme suchen, die erfahren genug ist, um mich wieder zusammenzuflicken. Im ersten Moment wirken sie aber eher wie merkwürdige Pantomimen.

Kay zieht unseren Jungen an und singt „Happy Birthday“ für ihn. Mir wird bewusst, dass ich nicht einmal weiß, welcher Tag heute ist, aber ich darf jetzt nicht zusammenbrechen, denn für einen kurzen Moment ist die Welt perfekt: die Melodie und Kays Stimme bringen uns in Berührung mit dem alltäglichen Wunder einer Geburt. Wir alle atmen die Schönheit einer wilden Kreatur, die ihre ersten zaghaften Schreie ausstößt und die Welt für immer durch ihre Geburt verändert.

Ich denke: „Wenigstens ist es jetzt vorbei.“

Am nächsten Nachmittag, wahrscheinlich zu früh, stolpern wir ins Tageslicht, das verändert aussieht, und werden zum Klischee eines Paares, das wegen des Kindersitzes streitet. Wir probieren herum und geraten in Panik, hilflos im Angesicht so vieler Gurte und Sicherheitswarnungen. Meine Hände zittern, aber ich bin jetzt sowieso nicht mehr wichtig. Ich weine und rede zusammenhangloses Zeug. Ich weiß nicht mehr, ob mein Baby ein Junge oder ein Mädchen ist. Ich weiß nicht mehr, was man mir gesagt hat oder ob ich immer noch Ärger mit den Schwestern habe. Als wir das Baby endlich angeschnallt haben und losfahren können, sage ich:

„Jetzt wird alles gut, oder? Es wird doch alles gut, oder?“

„Ja“, sagt mein Mann. „Wir müssen nie wieder dahin zurück.“

Ich bin nicht ganz dicht

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