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Wie alles begann, oder:
Wie bin ich nur hier gelandet? September 2007, Nebengebäude, Uniklinik, London

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Als ich zum ersten Mal eine Physiotherapeutin für Frauengesundheit treffe, habe ich Angst. Ich bin zudem gestresst, verwirrt und komme zu spät. In meinem Kopf kreisen zahllose Fragen und Ängste, aber ich mache mir vor allem Gedanken über Sprache. Wie, frage ich mich, nenne ich meine beschädigten Körperteile? Sind Physiotherapeuten gesprächiger als Ärzte? Wenn es um die korrekten Begriffe geht, verwechsele ich vielleicht meine Vulva mit den Schamlippen und mache mich zur Idiotin, vor allem, weil ich nicht sicher bin, was wo und wie genäht wurde, wo die Narben beginnen und wo ich ende. Und wenn ich mich nicht richtig ausdrücken kann, was mache ich dann? Verfalle ich in Comic-Sprache? Werde ich womöglich vor lauter Panik platt und vulgär und beschäme beide Seiten?

Ich grübele noch darüber, als ich von einer jungen Frau mit australischem Akzent aufgerufen werde. Ich folge ihr durch einen langen Gang, vorbei an Büros, Fitnessräumen und Räumen voller Krücken. Dies ist ein Ort für Menschen, die echte gesundheitliche Probleme haben. Der Raum meiner Begleiterin ist frei von Krücken. Es gibt ein Waschbecken, eine Liege, einen Schreibtisch mit Stühlen und ein anatomisches Poster an der Wand. Auf dem Poster sieht man in Seitenansicht, wie ein Baby aus dem Geburtskanal austritt. Es flutscht einfach so heraus, ohne Blut oder größere Probleme.

Sie fragt mich nach meiner Erfahrung mit der Geburt und ich rezitiere die Highlights wie ein Gedicht, das ich für die Schule auswendig gelernt habe. Ich bin mittlerweile geübt darin, alles in chronologischer Reihenfolge aufzulisten und weiß genau, welche Fakten Mediziner zuerst hören wollen: erste Schwangerschaft, erstes Baby, voll ausgetragen, Lebendgeburt, Spontangeburt, keine vorherige Inkontinenz. Ich höre mich an wie ein Roboter, aber ich kann es mir einfach nicht erlauben, jetzt emotional zu werden.

Die Haut der Therapeutin, die in den Zwanzigern sein muss, ist glatt und strahlend. Trotzdem glaube ich, dass sie erfahren ist. Wie aufs Stichwort nickt und seufzt sie und hebt die Augenbrauen. Ich schaue nicht zu genau hin, für den Fall, dass sie nett und mitfühlend ist, und erzähle meine Geschichte lieber dem staubigen Plastikmodell einer Hüfte, das in ihrem Regal steht.

Sie fragt nach Situationen, in denen ich den Urin nicht halten kann – meine erste Hausaufgabe im Fach Inkontinenz. Ich zähle auf: gehen, laufen, strecken, husten, niesen, ein Baby hochnehmen, pupsen, rufen, weinen, stehen, große Schritte machen, in den Bus einsteigen, Gymnastik machen, Treppen steigen …

Ich schaue auf und sehe, wie sie mich anstarrt. Spätestens beim Pupsen hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit.

Es ist so unglaublich intim, dass mir erst kurz vor der Untersuchung, als ich schon mit nacktem Unterkörper und aufgestellten Knien auf der Papierunterlage liege, bewusst wird, dass ich nicht einmal weiß, wie sie heißt.

Irgendwie fühlt es sich nicht nach dem richtigen Moment an, nach ihrem Namen zu fragen.

„Jetzt wird es ein wenig kalt …“, sagt sie und legt los. Ihre Hand ist zum Pfadfindergruß geformt und fühlt sich durch die Handschuhe und das Gleitmittel kalt und glitschig an. Sie hat „Übungen“ für mich, die ich machen soll. Anheben und Zusammendrücken. Für einen längeren oder kürzeren Moment soll ich ihre Finger mit dem Beckenboden umfassen. Ich kann ihre Fingerknöchel spüren, muss mich aber unheimlich konzentrieren, um sie zusammenzudrücken und wie angewiesen in den Griff zu bekommen, vor allem, weil ich gleichzeitig versuche, auch ihrem anderen Rat zu folgen: „Sie müssen sich nicht schämen, Luce.“

Ich entschuldige mich. Ich möchte alles richtig machen, obwohl ich kaum glauben kann, was mir da gerade passiert. In den Baby-Büchern gibt es kein Kapitel über den passenden Smalltalk, während eine fremde Hand in dir steckt.

„Versuchen Sie sich zu entspannen“, sagt sie, während ich versuche zu ignorieren, dass sie gerade meinen Analreflex geprüft hat und ich spürbar zusammengezuckt bin. Ich sollte das Wort „anal“ nicht so schrecklich finden, ich bin schließlich erwachsen. Aber ich bin auch am Limit. Die vergangenen Wochen waren eine wilde Mischung aus Schock, Erschöpfung, gruseligen Ammenmärchen und Erniedrigung, und ich wünsche mir derzeit vor allem eins: einen Reset-Knopf. Ich möchte mein Leben bis zu dem Moment zurückspulen, in dem ich Mutter wurde. Oder vielleicht zu dem Moment kurz danach, als ich sauber gewaschen im Krankenhausbett lag. Stattdessen liege ich nun hier.

Ich konzentriere mich auf das Baby auf dem Poster. Seine Augen sind geschlossen und es gleitet wie ein kleiner Frosch aus seiner Mutter heraus. Ich bin nervös und gereizt zugleich. Aber ich bin auch von Natur aus fügsam und leicht zu motivieren.

„Wer A sagt, muss auch B sagen“, denke ich und presse und halte und presse und halte, während sie die Sekunden zählt. Ich kann das schaffen. Ich bin eine erwachsene Frau und sie ist nicht die Erste, die meine malträtierte Muschi auf Schäden untersucht. Und vielleicht kann diese junge Frau in ihrem sportlichen Poloshirt mir im Gegensatz zu allen anderen praktische Hilfe bieten. Speziell in punkto Anspannen und Halten.

Meine Gedanken wandern zu meinem Baby, das im Warteraum bei einer Freundin ist. Täglich entfaltet und öffnet mein kleiner Sohn sich mehr, wie ein kleiner Kohlkopf. Er schläft mit weit ausgebreiteten Armen, ein pummeliger Jesus mit neugierigen schwarzen Augen. Beim Gedanken an ihn spüre ich die Milch einschießen. Aber dann blendet mich plötzlich die Sonne, die durch das Fenster fällt, und das gute Gefühl verschwindet jäh. Fenster erinnern mich an den Kreißsaal. Sie machen mir Angst und lösen unangenehme Gefühle aus.

Ich schließe erneut die Augen und reiße mich mit ausgebreiteten Beinen zusammen. Die Physiotherapeutin bittet mich, jetzt ganz fest zuzudrücken. Aus ihrem Mund tönt es: „Halten, halten, halten.“

Ich kann nicht so richtig fühlen, was ich da mache, aber ich lerne schnell, und was mir an Technik fehlt, mache ich durch Willenskraft und Begeisterung wett. Und Angst. Sie hat immer noch die Hand in mir, und ich möchte sie nicht verärgern. Ich drücke und presse und ziehe und halte. Ich liefere eine echte Glanzleistung ab. Ich möchte eine erstklassige Patientin sein, fast so sehr, wie ich wieder ganz ich selbst sein will.

Und dann ist es vorbei.

„Ziehen Sie sich bitte an, dann reden wir über das Ergebnis“, sagt sie und zieht die Handschuhe aus.

Wir tauschen ein paar Nettigkeiten aus, während ich mich anziehe und mit Papierhandtüchern abwische. Es gab nichts, wo ich meine Sachen hätte aufhängen können, also hatte ich sie einfach zusammengeknüllt und zu einem Ball gerollt, aus Angst, sie könne die Einlage in meiner Unterhose sehen. Sie fragt mich, was ich heute noch vorhabe. Die ehrliche Antwort lautet, dass ich den Nachmittag wahrscheinlich damit verbringen werde, mit meinem Sohn unter dem Esstisch zu liegen. Er scheint lieber in Ecken zu starren als auf seinen nagelneuen Spielbogen, und ich mag es dort, weil es kühl und dunkel ist und wir zwei für uns sind. Aber das kann ich ihr nicht erzählen, weil es doch ein wenig gestört klingen könnte.

Dennoch tut das Geplauder seine Wirkung. Es nimmt mir das Gefühl der Erniedrigung, und ich fühle mich fast normal. Deshalb bin ich auf den folgenden Satz nicht vorbereitet.

Kein Getue, keine Vorwarnung. Sie gibt „allen ihren Frauen“ eine Note von eins bis fünf für die Stärke ihres Beckenbodens. Auf der Grundlage dessen, was sie bei einer Frau erwarten würde, bei der die Geburt sechs Wochen zurückliegt, ordnet sie mich, bei der schon nahezu drei Monate seit der Geburt vergangen sind, auf der Skala bei minus drei ein.

„LECK MICH AM ARSCH“, denke ich. MINUS DREI? Ich wusste nicht, dass es ein Test war. Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich mich vorbereitet. Ich bekomme keine Minus-Noten. Mein Foto war beim Schulabschluss in der Zeitung. Ich will den Test noch einmal machen und die Bestnote erreichen.

Was ich tatsächlich sage, ist noch schlimmer. Ich stottere so etwas wie: „Nein. Bitte. Ich kann das besser. Bitte … Schreiben Sie das etwa auf? Oh Gott. Bitte schreiben Sie das nicht auf. Wirklich, wir bekommen das hin.“

Und dann höre ich mich sagen: „Was bedeutet fünf? Wie bekomme ich eine Fünf?“

Ich denke nicht einmal darüber nach, wie es sich anfühlt, „eine ihrer Frauen“ zu sein. Ein Mitglied des exklusiven Klubs von Frauen, die sich in die Hose pinkeln. Ich möchte keine schlechte Verliererin sein, aber minus drei klingt katastrophal und suggeriert ganz klar, dass ich es entweder nicht draufhabe oder mich nicht ausreichend angestrengt habe.

Sie spürt meine Angst und überschüttet mich mit aufmunternden Worten. Es gibt so viel, was wir machen können. Ich bin noch jung, erst 30, und das ist großartig, das Spiel ist noch nicht vorbei.

„Die Jüngste im Wartezimmer zu sein, hat sich in diesem Fall nicht so toll angefühlt“, denke ich, während sie weiterredet.

Die Bewertung ist nur eine Basis, und nein, ich bin nicht unwiderruflich kaputt da unten, und, keine Sorge, es bedeutet auch nicht, dass ich kein zweites Kind bekommen kann. Den letzten Satz äußert sie so beiläufig, dass ich nicht weiß, wie ich darauf reagieren soll. Ich habe das Gefühl, froh sein zu müssen, dass ich wahrscheinlich noch mehr Kinder bekommen kann. Aber es alarmiert mich, dass das überhaupt fraglich war. Womöglich habe ich doch ein echtes Problem?

Ich strahle sie an, bemüht, meine Erleichterung zu zeigen. Hurra! Noch mehr Babys! Und spüre, wie mir das Lächeln im Gesicht einfriert und die Tränen kommen. Ich würde ja versuchen, sie mit einem Husten zu überspielen, aber ich habe gerade meine Leggings angezogen und möchte mir nicht schon wieder in die Hose machen.

„Nun, es könnte wohl schlimmer sein“, sage ich, und schäme mich wegen des leichten Zitterns in meiner Stimme.

Sie schaut mich an und seufzt, als täte es ihr dieser ganze Schlamassel unendlich leid. Dass es da unten so katastrophal bei mir aussieht. Vielleicht ahnt sie, wie es sich anfühlt, wieder hier zu sein, nur ein paar Flure entfernt vom Ort des grausigen Geschehens, wenn ich doch eigentlich beim Babymassagekurs sein sollte. Dieser Anflug von Mitgefühl ist das Schlimmste. Ich fühle mich schutzloser als in dem Moment, als ich nackt auf der Liege lag. Es scheint, als könne sie genau sehen, wie zerbrechlich ich bin in meinem Still-BH, mit den ungewaschenen Haaren und einem Make-up, das nicht mehr zu meinem Gesicht passt.

Sie fügt hinzu, dass ich „30 Prozent Gefühl“ habe. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Sie klingt hoffnungsvoll, doch ich höre schon gar nicht mehr so genau zu.

Sie erzählt etwas von „konservativen Maßnahmen“ und „Beckenbodenübungen“. Über Operationen müssen wir uns noch keine Gedanken machen. Wir können mit dem „Blasentraining“ beginnen, sobald ich mein „Blasentagebuch“ geführt habe.

Ich erhalte einige Infobroschüren. Auf allen steht dick und fett „Blase“. Beim Überfliegen bleibe ich an einigen Worten hängen: trinken, messen, aufzeichnen. Gleichzeitig höre ich sie von Routine, Biofeedback, Ordnung, Aufzug und Ampel reden. Nichts davon ergibt einen Sinn.

Mit schwirren tausend Fragen im Kopf herum, aber ich kann sie nicht stellen. Sie rutschen mir immer wieder durch die Finger. Ich sollte eigentlich ganz woanders sein und meinen Mutterschaftsurlaub genießen, nachdem die Nähte verheilt sind und diese verrückte und schlimme Geburt endlich vorbei ist. Ich hole tief Luft und versuche, gegen die aufkommende Panik anzuatmen. Ich will ihr sagen, dass ich für all diesen Mist keine Zeit habe, dass ich viel zu jung dafür bin. Und selbst wenn da unten alles kaputt sein sollte, habe ich derzeit ganz andere Prioritäten – ich muss schließlich eine neue Identität entwickeln, 10 kg abnehmen und einen kleinen Menschen großziehen.

Aber natürlich kann sie nichts dafür, also tue ich das Einzige, zu dem ich gerade in der Lage bin: Ich setze mein nettestes Lächeln auf, binde mir die Strickjacke um die Hüfte und tue so, als würde mir all das nichts ausmachen. Als gingen mir die Worte „inkontinent“, „vaginal“ und „Riss“ leicht über die Lippen und als wüsste ich genau, was die richtige Tena-Lady-Größe für mich ist.

Ich beschließe, mich bei ihr für ihre Zeit zu bedanken und strecke ihr die Hand entgegen. Aber irgendwie greifen wir aneinander vorbei. Die alltägliche Berührung fühlt sich merkwürdig, unwirklich und falsch an, und nun schäme ich mich wirklich. Aber ich rette die Situation. Ich sage ihr, dass ich mein Tagebuch führen und meine Übungen machen werde. Schauen Sie! Ich habe „3 x 10“ auf meine Broschüren geschrieben, um es ja nicht zu vergessen. Nächste Woche werde ich wieder hier antreten, mit meinem neuen und tapferen Ich. Ich salutiere beinahe.

Als sich die Tür hinter mir schließt, schaue ich auf den blaugrauen Vinylboden und beiße mir auf die Lippe, aber es ist bereits zu spät. Tränen quellen aus meinen Augen und fließen meine Wangen hinunter. Ich kann sie nicht aufhalten, aber ich kann es auch nicht ertragen, dass mich jetzt jemand weinen sieht. Für heute kann ich kein Mitgefühl mehr ertragen. Also suche ich nach der nächsten Toilette. Ich laufe schneller, als ich es seit Langem getan habe. Das war, bevor ich schwanger und unförmig wurde, und es fühlt sich an wie ein anderes Leben. Ich stürme in die Kabine und ignoriere die Urinspur, die ich hinter mir herziehe, und meine nassen Socken und Schuhe.

„Wie zum Teufel bin ich nur hier gelandet?“, denke ich, während ich langsam an der Wand nach unten gleite und auf den Boden sinke. „Und was zum Henker soll nur aus mir werden?“

Ich bin nicht ganz dicht

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