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VORWORT
VON ELAINE MILLER Physiotherapeutin, Comedienne, Fellow-Mitglied der Chartered Society of Physiotherapists
ОглавлениеEs gibt Fragen, die man nicht so gerne hört, etwa „Warst du auch mal hübsch, Mama?“ oder „Wer hat Sie denn eingeladen?“ Die Frage „Machen Sie in die Hose?“ stellt alle anderen aber ganz sicher in den Schatten. Das Thema Inkontinenz ist so sehr mit Tabus behaftet, dass eine Frage dieser Art wohl nur selten gestellt wird. Und wenn das Thema doch einmal aufkommt, lachen die meisten Betroffenen wohl am ehesten peinlich berührt kurz auf oder verneinen die Problematik. In meinem Fall sehen die Dinge etwas anders aus, denn als Physiotherapeutin, die auf Beckengesundheit spezialisiert ist, stelle ich diese Frage mehrmals pro Tag.
Die Statistiken zu Inkontinenz sind keine schöne Lektüre – eine von drei Frauen macht in die Hose, und rund jede Zehnte hat Probleme, den Stuhlgang zu kontrollieren.1 Das ist ganz schön schockierend, oder? Schauen Sie sich im Büro, im Bus, Ihrem Yoga-Kurs, Ihrem Zuhause um – sobald drei Frauen anwesend sind, dann denkt aller Wahrscheinlichkeit nach eine von ihnen gerade die meiste Zeit an ihre Blase und ihren Darm. Inkontinenz betrifft Frauen aller Altersstufen, Ethnien und Gesellschaftsschichten – Frauen, die keine Kinder haben ebenso wie Mütter, die von einer Geburtsverletzung betroffen sind, sportliche Frauen ebenso wie Frauen, die vorwiegend sitzen. Statistisch gesehen kann man sagen: Allein die Tatsache, eine Frau zu sein, erhöht Ihr Risiko, inkontinent zu werden.2,3,4,5,6 Ich glaube, dass wir dieses Thema stärker ins Rampenlicht rücken sollten, und deshalb war ich sofort begeistert, als Luce mir von ihren Plänen berichtete, ein Buch darüber zu schreiben.
Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass die Statistiken lügen und die Zahlen zu niedrig sind. Es ist uns peinlich und wir reden nicht darüber. Eher selten wird wohl jemand die Frage „Machen Sie in die Hose?“ laut und deutlich mit Ja beantworten.
Mich bringt so leicht nichts in Verlegenheit. Urin, Stuhl und Sex sind meine Lieblingsthemen. Der Beckenboden ist wie ein verlässliches Rechtssystem – sein Vorhandensein ist uns nicht jeden Tag bewusst, aber ohne dieses Konstrukt versinkt das Leben im Chaos. Die meisten Tage in meiner Praxis verbringe ich damit, armtief in betroffenen Frauen zu stecken und zu versuchen, ihre Kontinenz wiederherzustellen. Bevor Sie das falsch verstehen – ich liebe meine Arbeit. Mit Inkontinenz zu leben, erfordert eine Menge Planung und Organisation, und es ist großartig zu erleben, wenn Frauen das Haus wieder verlassen können, ohne eine riesige Tasche voller Wechselklamotten und einem Plan B im Gepäck. Die Geschichten, die ich in meiner Praxis über die Momente höre, in denen die schlimmsten Befürchtungen Realität wurden, sind immer wieder erschütternd. Inkontinenz kann ein ganzes Leben ruinieren.
Frustrierend ist für mich immer wieder, dass Frauen oft Jahre warten, bis sie sich Hilfe suchen. Das ärgert mich vor allem deshalb, weil Physiotherapie den meisten helfen kann. Ich fragte mich also, ob Humor ein Mittel sein könnte, mit dem Tabu und der Scham zu brechen, und so tat ich das, was auf der Hand lag – mein Hobby Stand-up-Comedy mit meiner Arbeit zu verbinden. Ich schrieb eine Nummer über den Beckenboden für einen Auftritt beim Edinburgh Fringe Festival, in dem Wissen, dass Comedy bei Gesundheitsthemen ein wunderbares Medium sein kann. Man muss lediglich darauf achten, dass das Problem selbst zur Zielscheibe des Witzes wird und nicht die Person mit dem Problem.
Auf der Internetseite Mumsnet finden sich unzählige Geschichten über Geburtsverletzungen, Prolaps (Vorfall von inneren Organen) und Hämorrhoiden. Seiten über Seiten, auf denen Frauen ehrlich über ihre Erfahrungen berichten, aufgrund der Anonymität meist mit brutaler Offenheit.
Hier stieß ich zum ersten Mal auf Luce Brett und ihren Blog über Inkontinenz. Er wirft einen umfassenden, witzigen, schonungslosen und mit Flüchen gespickten Blick auf die üblichen Abläufe in Kliniken und Praxen, und das auf absolut geniale Weise. Ihr Bericht über die einzelnen Untersuchungen fesselte mich. Ich selbst hatte diese Erfahrung noch nicht gemacht, und ich musste laut lachen über die Art und Weise, wie Ärztinnen und Ärzte die Dinge verkomplizieren. Luce war auch bereit, klar und deutlich ihre Wut und Angst zu äußern, sodass ich als Leserin komplett nachvollziehen konnte, wie sie sich fühlte, auch wenn es um schwierige Emotionen ging. Ich wollte diese geniale Frau finden und sie mir zur Freundin machen. Das tat ich dann auch, und seither haben wir unseren Beckenböden mit Lachen und Weintrinken schon so einiges zugemutet.
Es gibt nicht viele Menschen, die so für sich eintreten, wie Luce es für sich – und am Ende für uns alle – getan hat. Sie ist eine Patientin mit Fachwissen und somit laut der hierfür geltenden Definition „ausgestattet mit den Fähigkeiten, dem Selbstvertrauen und dem notwendigen Wissen, um informierte Entscheidungen über ihre eigene gesundheitliche Versorgung und den Umgang mit chronischen Erkrankungen zu treffen.“7 Das Gesundheitswesen braucht solche Patientinnen, die uns zeigen, was man besser machen kann (beispielsweise mit Fragen wie „Wo lege ich meinen Schlüpfer hin, wenn ich ihn für eine Untersuchung ausziehen muss?“) und die uns daran erinnern, auch dann Mitgefühl zu zeigen, wenn Zeit und Ressourcen knapp bemessen sind. (Ein passendes Behältnis mit einem Schild darüber sollte nicht wirklich zur Debatte stehen müssen, finden Sie nicht auch?)
Dieses Buch sollte zur Pflichtlektüre für alle im Gesundheitswesen Tätigen werden. Es erinnert uns daran, dass hinter jedem Symptom ein Mensch steht. Luce erzählt auch von herausragenden Beispielen für eine gute und mitfühlende Betreuung. Wie Sie noch sehen werden, sollten wir uns alle bemühen, „ein bisschen mehr wie Carol“ zu sein.
Irgendwie ist es Luce gelungen, einer Blasendysfunktion auch eine spaßige Seite abzugewinnen. Sie hat die seltene Gabe, die Peinlichkeit und Belastung eines Lebens mit Inkontinenz mit Humor zu beschreiben, ohne dabei die Herausforderungen herunterzuspielen. Gleichzeitig verleiht sie ihrer Wut darüber Ausdruck, dass statistisch gesehen viele Frauen einer unnötig traumatisierten, deprimierenden und inaktiven Zukunft mit Inkontinenz entgegensehen.
Offenheit ist das Gegenmittel für Tabus, und ich bin mir sicher, dass dieses Buch uns dazu bringen wird, über wichtige und intime Probleme zu sprechen und die Isolation und Scham zu überwinden, die Menschen davon abhält, sich Unterstützung zu suchen.
Wenn Sie eine Blase oder einen Darm haben, dann sollten Sie dieses Buch lesen.
Elaine Miller, Januar 2020