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Das tägliche Brot
Оглавление„Unser tägliches Brot gib uns heute“, beten wir Christen im Vaterunser. Nicht etwa, weil wir denken, wir könnten uns damit Arbeit und Mühe ersparen. Beten ist kein Zauberspruch. Warum beten wir dann überhaupt dafür? Martin Luther hat eine Anleitung für die Bildung der Christenmenschen geschrieben. In diesem kleinen Katechismus hat er erklärt, wie die Bitte um das tägliche Brot zu verstehen ist: „Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte …; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er’s uns erkennen lasse und wir es mit Dank empfangen.“ Gott ist großzügig, steckt für mich darin. Er gibt Lebensunterhalt für alle, auch wenn man nicht betet. Wenn das, was er gibt, am Ende nicht für alle reicht – dann müssen wir Menschen nach den Ursachen bei uns selbst suchen. Reichen würde es für alle, wir müssten es nur besser verteilen.
Gott will, dass alle Menschen täglich ihr Brot haben – deshalb beten wir ja auch: „unser tägliches Brot“. Nicht nur ich oder meine Familie und meine Freunde sollen genug haben, nicht nur die Menschen in meinem Land. „Unser tägliches Brot“ meint: Alle Geschöpfe Gottes sollen satt werden. Und die Wissenschaftler sagen: Sie könnten alle satt werden – wenn wir nur richtig wirtschaften.
Die Bitte um tägliches Brot meint nämlich auch: „Acker, Vieh, gutes Wetter, Geld und Gut, gute Regierung, gutes Wetter, Frieden, Gesundheit“ und dergleichen mehr, hat Martin Luther in seinem Katechismus erklärt. Heute würde er wohl hinzufügen: zeitgemäße und umweltschonende Anbaumethoden; gerechte Weltwirtschaftsordnung, faire Löhne und Preise, bezahlbarer Wohnraum. Dass das gelingt, dafür gebe Gott seinen Segen.
Gottes Segen und menschliche Arbeit – wenn beides zusammenkommt, dann haben alle ihr tägliches Brot. Genau das wird zum Beispiel in Stuttgart einmal im Jahr gefeiert. Da findet neben dem Cannstatter Volksfest auf dem Wasen alle zwei Jahre das landwirtschaftliche Hauptfest statt. Vor über zweihundert Jahren hat König Wilhelm I. es eingesetzt, aus Dankbarkeit und Freude, weil damals, 1818, nach Jahren mit verheerenden Missernten und Hunger endlich wieder eine ausreichende Ernte eingefahren werden konnte. Zugleich hat der König das öffentliche Wohlfahrtswesen aufgebaut, die Leibeigenschaft aufgehoben, die landwirtschaftliche Schule in Hohenheim gegründet und Preise ausgesetzt für Entwicklungen und Erfolge in der Landwirtschaft.
„Unser tägliches Brot gib uns heute“ – ich glaube, wer so betet, wird auch erfolgreich dafür arbeiten, dass alle genug zum Leben haben. Nicht nur Brot.