Читать книгу Geländer Geschichten - Lucie Panzer - Страница 27
Vom Leben reden
Оглавление„Ich gehe nicht in den Gottesdienst. Das bringt mir nichts“, sagen viele. „Sie erzählen dort Geschichten aus einer Welt, die nicht meine ist. Sie sprechen in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Das hat nichts mit meinem Leben zu tun. Warum soll ich da hingehen?“ Ab und zu fragt mich das jemand.
Schon vor zweitausend Jahren gab es dieses Phänomen, dass man nicht verstehen konnte, wovon im Gottesdienst die Rede war. „Zungenreden“ hieß das bei den ersten Christen. Im Überschwang ihrer Begeisterung haben sie irgendwie unverständlich geredet. Das war vielleicht beeindruckend – aber niemand hat es verstanden. „Das könnt ihr auch mal machen“, hat der Apostel Paulus damals dazu gesagt. „Aber wenn ihr wollt, dass man euch versteht – dann müsst ihr anders reden. Verständlich.“
Verstehen kann ich nur, wenn ich das kenne, wovon die Rede ist. Wenn das, was mir jemand erzählt, mein Interesse weckt, weil es mich angeht. „Interesse“ ist ein lateinisches Wort. Interesse heißt: dabei sein, dazwischen sein. Wenn ich also mit drin bin in dem, was mir einer erzählt, wenn mein Leben vorkommt – dann interessiert mich das. Dann kann ich verstehen, was mir gesagt wird. So hat es Jesus gemacht. Er hat Geschichten erzählt: Von einem Vater und seinem Sohn, von einer Frau, die Brot backt, von einem Überfallenen und einem, der hilft. Geschichten aus dem Leben. Geschichten vom Leben. Jesus hat verständlich geredet. Manche allerdings wollten ihn nicht verstehen – weil sie gemerkt haben: Er redet von mir und meinem Leben.
Verständlich reden. Vom Leben und wie es gut wird. Nicht nur vom Privatleben, sondern auch vom Zusammenleben in unserem Land. Glaube ist nicht bloß Privatsache. Verständlich reden heißt auch politisch reden. Da meinen nun viele, das darf auf keinen Fall sein. Politik habe in der Kirche nichts zu suchen. Aber wenn das Leben vorkommen soll, dann müssen auch die Lebensverhältnisse Thema sein. Und die Politik, weil sie die Lebensverhältnisse der Menschen prägt.
Nicht, dass Christen das Programm einer bestimmten Partei übernehmen sollten oder gar im Gottesdienst dafür Werbung machen. Aber wie das Leben gut wird und gut bleibt, das sollte im Gottesdienst zur Sprache kommen. Ich glaube, dann bringt der Gottesdienst vielen etwas.