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Versuchskaninchen?

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„Und führe uns nicht in Versuchung“ – viele können und wollen sich das nicht vorstellen. Gott, der es gut mit mir meint, sollte mich absichtlich in Versuchung führen? Gewissermaßen lächelnd zuschauen, wie ich einen falschen Weg gehe? Das ist sicher nicht richtig übersetzt, sagen manche dann. Wahrscheinlich muss es heißen: „Führe mich in der Versuchung“ oder „Lass uns nicht in Versuchung geraten“. Das hat sogar der Papst neulich vorgeschlagen.

Ich kann mir das auch nicht vorstellen, dass Gott mich wie ein Versuchskaninchen behandelt und auf falsche Wege führt, bloß um zu sehen, was ich dann tue. Und schon die ersten Christen fanden das anscheinend undenkbar. In der Bibel ist der Brief eines Jakobus aufbewahrt, der hat geschrieben: „Doch wenn jemand in Versuchung gerät, Böses zu tun, soll er nicht sagen: Es ist Gott, der mich in Versuchung führt! Denn so wenig Gott selbst zu etwas Bösem verführt werden kann, so wenig verführt er seinerseits jemanden dazu“ (Jak 1,13f). Jeder Mensch wird vielmehr durch seine eigene Begierde verführt, heißt es dann noch.

Dass Gott einen in Versuchung führt, mir scheint immer, dieser Gedanke ist irgendwie eine Ausrede. Ich bin schwach geworden, ich habe mich hinreißen lassen – aber ich kann ja gar nichts dafür. Gott hat mich in Versuchung geführt! Er ist schuld. Er hat mein Leben so gemacht, dass ich gar nicht anders konnte. So kann man sich die Einsicht vom Hals halten, dass man selbst zu gierig war. Zu unbeherrscht. Zu bequem.

„Führe uns nicht in Versuchung!“ – ich finde diese Bitte realistisch. Gerade weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es Gott ist, der mich in Versuchung führt. Denn diese Bitte rechnet damit, dass ich verführbar bin. Ich weiß, dass ich gern den bequemen Weg nehme. Dass ich schon auch mal zuschlage, um mich abzureagieren. Dass ich nehme, was ich kriegen kann, ohne an andere zu denken. Aber es ist nicht Gott, der mich verführt. Ihn kann ich bitten: „Führe mich nicht in Versuchung!“ Erinnere mich zur rechten Zeit an das, was gut ist. An das, was Jesus uns gelehrt hat: nicht zurückschlagen, sondern den anderen ohne Gewalt zur Vernunft bringen. Es dem anderen nicht heimzahlen, sondern vergeben. Verzichten und teilen, damit für alle reicht, was da ist.

Ich bin verführbar. Ich weiß das. Und es bleibt mir nichts anderes, als zu beten: „Und führe uns nicht in Versuchung!“, sondern hilf mir, verantwortlich zu leben.

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