Читать книгу Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl - Страница 30

13.

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Die Ankunft des Dukes versetzte alle in hektische Aufregung. Bedienstete hievten letzte Platten mit Sandwiches auf Buffettische, zupften Servietten gerade. Frisuren wurden kontrolliert, Uniformen straff gezogen.

Ein zweites Luftschiff schwebte dröhnend über den Park und machte eine Schleife über der Themse, während es darauf wartete, dass der Zeppelin des Dukes alle Passagiere ausgeladen hatte und den Landungsturm freigab. Frost erkannte das Wappen Lord Greysons auf der Hülle des Luftschiffes. Alle wichtigen Akteure waren nun also eingetroffen.

»Baxter, atmen Sie.« Frost schmunzelte, denn der junge Wissenschaftler schien kurz vor einer Panikattacke zu stehen. »Tief ein und wieder aus, ein und aus, genau. Sie schaffen das.«

Statt einer Antwort kam ein gequältes Quieken aus seiner Kehle, dann nickte er, straffte sein Jackett und ging mit hölzernen Schritten auf die Gruppe zu, die soeben aus dem angrenzenden Gebäude kam. Es war Lord Greysons Entourage, allen voran Sanderson. Der Duke ging neben Greyson und lachte gerade über etwas, was Greyson ihm erzählte.

»Kriegt er das hin?«, fragte Payne und blickte Baxter nach, der soeben Sanderson die Hand gab.

Frost zuckte mit den Schultern. »Er muss gleich drei völlig neuartige Waffen den höchsten und wichtigsten Männern des Landes vorführen und danach allen erklären, warum die vierte Waffe, die beste von allen, nicht da ist. Vermutlich wird er seinen Job verlieren.«

Eine Musikkapelle spielte auf, als der Duke und Greyson durch den Park geschritten kamen. Beide Herren sahen stattlich aus, doch der Duke übertrumpfte alle anderen Anwesenden mit seiner dunklen Admiralsuniform. Ein geschätztes Dutzend Orden funkelte an seiner Brust, und sein grau melierter Bart umrahmte akkurat gestutzt das runde Gesicht.

Frost und Payne hielten sich im Hintergrund, während die meisten vor das Podium schwärmten, auf dem der Duke, Greyson und andere Platz nahmen, um der Demonstration der Waffen beizuwohnen. Inspektor Jones und Manju befanden sich darunter. Frost sah zu Payne auf. Er erwiderte ihren Blick und verstand. Wortlos gingen sie in entgegengesetzter Richtung an den Zelten vorüber.

Während Frost an der äußeren Reihe der Zuschauer entlangschlenderte, beobachtete sie deren Gesichter eingehend. Kurz sah sie Helen, die in einem der Zelte stand und sich ebenfalls umschaute. Lauter Jubel und Applaus brandete um Frost herum auf. Lord Greyson hatte das Podest betreten.

»Eure Hoheit, verehrte Lords und Ladies, willkommen«, dröhnte Greysons angenehme Stimme durch die Inner Temple Gardens. »Es erfüllt mich mit größtem Stolz, Ihnen heute meine neueste Entwicklung auf dem Waffenmarkt vorzuführen, denn ich bin der festen Überzeugung, dass diese Waffen unsere Welt revolutionieren werden. Britannien steht vor der Schwelle eines neuen Zeitalters, und es ist mir die höchste Ehre, meinen bescheidenen Beitrag zum Fortschritt zu leisten.«

Beifall donnerte ihm entgegen. Dann gab Greyson das Podium frei, damit der Duke das Wort ergreifen konnte. Erwartungsvolle Stille senkte sich über die Zuschauer. Der Duke hatte eine enorme Präsenz und die Menschen vollkommen im Griff, bevor er auch nur ein Wort sagte. Frost konnte nicht umhin, stehenzubleiben und ebenfalls wie gebannt zum Podium zu schauen.

»Wehrte Lords, wehrte Ladies, Gentlemen. Es ist ein wenig kalt heute, deswegen fasse ich mich kurz.« Gelächter ging durch die Reihen, der Duke lächelte zufrieden ob seines kleinen Scherzes. »Wie viele von Ihnen wissen, habe ich mich mit Herz und Seele unserer Marine verschrieben. Es gibt nichts Herrlicheres, als bei stürmischer See mit einem voll ausgerüsteten Flaggschiff durch die Wellen zu pflügen. Saubere Planken und weiße Segel sind zwar hübsch anzusehen, doch nur modernste Kanonen und Handfeuerwaffen entscheiden über Sieg oder Niederlage gegenüber dem Feind. Lord Greyson und seine unermüdlichen Wissenschaftler haben es uns schon in der Vergangenheit ermöglicht, anderen Großmächten einen Schritt voraus zu sein. Und heute haben sie es wieder getan. Ich bin schon sehr gespannt, wie laut es gleich knallen wird.« Er schmunzelte, und das Publikum lachte wieder.

Panye stopfte sein Hemd zurück in die Hose. Applaus mischte sich mit Gelächter, doch die dicken Planen des Zeltes, hinter dem er sich soeben erleichtert hatte, dämpften die Geräusche etwas ab.

Er drehte sich um und wollte gerade wieder auf seinen Posten zurück, als ihm ein Mann in den Weg trat. Verwundert blieb Payne stehen. Dann sah er den Knüppel in der Hand des Mannes.

»Sie? Was zum …!«

Der Knüppel kam so schnell, dass er keine Chance hatte zu reagieren.

Frost setzte ihren Weg durch die Zuschauer fort. Offensichtlich war es nicht nur Geschwätz, dass der Duke ein Waffennarr war. Sie würde jede Wette eingehen, dass er sich, wäre das Tragen von Rüstungen noch angesagt, in eine wandelnde Kanone einkleiden ließe.

Für einen kurzen Moment gab es ein kleines Durcheinander in den vorderen Reihen, als Sicherheitsleute die Zuschauer um mehrere Meter zurückbeorderten, um genügend Abstand zum Tisch, auf dem die Prototypen lagen, und zur Zielscheibe zu haben. Frost entdeckte Baxter, der mit auf dem Rücken verschränkten Händen neben dem Tisch stand und darauf wartete, dass der Duke und Greyson zu ihm kamen, um sich die Waffen demonstrieren zu lassen.

Frost wurde immer angespannter. Wenn es einen Attentäter gab, so wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um zuzuschlagen. Der Duke und Greyson kamen vom Podium herab und plauderten. Sie waren abgelenkt. Doch niemand in den vorderen Reihen sah aus, als wolle er gleich jemanden umbringen. Kein Gesicht, das vor Wut verzerrt war.

Irgendetwas lief schief. Payne war nirgendwo zu entdecken. Wo war der Pinkerton? Sie sah Jones und Manju unter den Zuschauern, und Michael befand sich, umgeben von Leibwächtern, links neben dem Podium. Frost drängte sich durch die Menschen nach hinten und blieb stehen, als sie vor den Zelten stand. Payne war nirgends zu sehen.

»Ich habe ein verdammt mieses Gefühl«, murmelte sie vor sich hin, während sie die Zuschauertraube erneut umrundete und nach Payne Ausschau hielt. Helen stand in einem der Zelte und wartete darauf, dass die geladenen Gäste sich Erfrischungen holten.

Doch von Payne fehlte jede Spur. Falls er sich hinter einem der Zelte erleichtern wollte, wäre er mittlerweile wieder aufgetaucht.

Frost wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Waffendemonstration zu. Entschuldigungen murmelnd drängte sie sich durch die Gäste, doch in der dritten Reihe versperrten ihr zwei riesige Männer den Weg. Zwischen ihnen war nur ein schmaler Spalt frei, durch den Frost das Geschehen beobachten konnte. Baxter war wohl fertig mit dem Erklären der Prototypen. Er stellte sich gute fünfzehn Schritte vor der Zielscheibe auf und drückte auf den Knopf auf der Waffe in seiner Hand. Sofort setzte sich der Mechanismus in Bewegung. Der Prototyp faltete sich auseinander, die Schiene schloss sich klickend um Baxters Arm, und das Mündungsrohr verdoppelte und verlängerte sich.

Frost wusste, was nun folgte. Baxter zielte, zog am Auslöser, ein heller Lichtblitz flammte auf. Es knallte laut, und die Zuschauer riefen ein kollektives Oh. Elektrizität knisterte in der Luft. Die Zuseher spendeten nicht enden wollenden Applaus. Baxter war feuerrot im Gesicht, grinste jedoch zufrieden. Der Duke klatschte beinahe euphorisch.

Frost versuchte, sich seitlich an den bulligen Männern vorbeizudrängen. Zwischen den Leibern sah sie, wie Baxter nun dem Duke die Waffe überreichte und kurz den Mechanismus erklärte, damit der Duke sie selbst ausprobieren konnte. Greyson stand etwas abseits beim Tisch und sprach mit Newman, seinem Sicherheitschef.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Frost eine Bewegung. Sofort schrillten all ihre Alarmglocken. Keine Rücksicht mehr nehmend, drängte sie sich nach vorne. »Lassen Sie mich durch! Lassen Sie mich durch!«

Es war Sanderson. Beinahe gelassen hielt er den vermissten Prototypen in der Hand. Frost wurde von der Menge zurückgedrängt, und für einen kurzen Moment verlor sie ihn aus den Augen.

Sie hatte sich von Sanderson täuschen lassen. Sie war eine Närrin! Wo waren Jones und Manju? Und wo zum Teufel steckte dieser verdammte Pinkerton, wenn man ihn brauchte?

Endlich konnte sie sich aus dem Zuschauerpulk befreien, doch sie stolperte über den Saum ihres Kleides. Hilflos sah sie zu, wie Sanderson mit schnellen Schritten auf den Duke zuging, die Waffe nach vorne von sich gestreckt.

»Baxter!«, schrie Frost. Sie stemmte sich auf die Beine. Ein Aufschrei ging durch die Menge. Baxter und der Duke fuhren herum, doch sie reagierten zu spät. Sanderson drückte ab.

Ein Lichtblitz flammte auf, es knisterte, ein lauter Knall folgte. Frost warf sich wieder zu Boden. Sofort herrschten Panik und Chaos. Die Zuschauer schrien und rannten auf alle Seiten davon. Sicherheitsbeamte und Polizisten eilten herbei. Umgehend bildeten sie eine Traube um den Duke und Baxter, die beide am Boden zu liegen schienen. Inspektor Jones drängte sich durch die verängstigten Zuschauer. Hinter ihm folgten vier Polizisten, die sich auf Sanderson stürzten. Dieser wehrte sich in rasender Wut mit Händen und Füßen gegen die Festnahme. Jemand entriss ihm die gefährliche Waffe.

»Baxter!«, rief Frost erneut und drängte sich durch die Sicherheitsmänner. Ihr Herz raste vor Aufregung und Angst. War der Duke noch am Leben?

Jemand rief nach einem Arzt. Dann hörte Frost Baxter schreien. Der stechende Geruch von Blut und Urin drang ihr in die Nase. Vor Entsetzen schlug sie sich die Hand vor den Mund.

Baxter lag halb auf dem Duke, den er in letzter Sekunde schützend beiseite geschoben hatte. Die Uniform des Dukes war blutdurchtränkt, als man ihn unter dem Wissenschaftler hervorzog. Doch es war nicht sein Blut.

Baxter krümmte sich mit quälenden Schmerzen auf dem Boden. Frost kniete sich neben ihn und strich ihm über die schweißgetränkten Haare, doch er nahm sie gar nicht wahr. Frost konnte ihren Blick nicht von Baxters Arm abwenden. Der Schuss aus der Waffe hatte ihn vollkommen zerfetzt. Lose Sehnen und Muskelfasern, abgesplitterte Knochen und Blut, so viel Blut.

Sie schüttelte den Kopf, um sich aus der Schockstarre zu befreien. Ohne weiter zu zögern riss sie den Saum ihres Kleides ab. Mit bebenden Händen wickelte sie den Stoff um die Achselhöhle, ein gutes Stück oberhalb der schrecklichen Wunde, und zog so fest sie konnte. Der Druckverband stoppte hoffentlich die starke Blutung so lange, bis ein Arzt eintraf.

»Ssch, alles wird gut, Dr. Baxter. Alles wird gut. Man holt einen Arzt, und bald werden Sie wieder auf den Beinen sein.« Frost redete auf Baxter ein, doch ihre Stimme versagte.

Ihr Blick fiel auf Sanderson, der mittlerweile in Handschellen und von mehreren Sicherheitsbeamten und Polizisten bewacht auf dem Boden saß. Sein Blick war hasserfüllt und folgte jeder Bewegung des erschütterten Dukes.

Dann endlich sah sie Payne. Er kam in Begleitung von zwei Beamten über die Wiese gelaufen und rieb sich die Handgelenke. »Wo zum Teufel waren Sie?«, rief Frost ihm entgegen und konnte ihre Enttäuschung und Wut darüber, dass der Pinkerton einfach verschwunden war, kaum verhehlen.

»Ich lag gefesselt hinter einem der Zelte, falls Sie es genau wissen wollen«, gab Payne zurück und starrte dabei Sanderson an. »Er hat mich überrascht. Er muss gewusst haben, dass wir seine Absichten richtig erraten hatten.«

»Aber warum?« Frost konnte sich keinen Reim darauf machen. Sanderson war zwar nicht gegen allen Verdacht erhaben gewesen, doch es hatte auch keine Hinweise darauf gegeben, dass er eine Verbindung zum Anarchisten Walker hatte, der die Waffe gestohlen hatte.

»Er ist vor vier Jahren unehrenhaft aus der Marine entlassen worden, weil er einen seiner Kameraden im Streit umgebracht hatte«, knurrte Inspektor Jones, als er neben sie trat.

»Sie haben mir alles weggenommen!«, schrie Sanderson. »Es war ein Unfall, aber niemand wollte mir glauben. Die Marine war mein Leben, und Sie haben mir alles weggenommen!« Die letzten Worte brüllte er dem Duke entgegen, der sichtlich erschüttert vor dem Podium stand.

»Und als Sie erfahren haben, dass der Duke, der Admiral der Marine, sich Lord Greysons Waffen anschauen wollte, haben Sie die Gelegenheit zur Rache gesehen«, schloss Frost bitter.

Endlich hörte sie die Sirenen der Ambulanz. Baxter hatte aufgehört zu schreien, denn er war bewusstlos geworden. Frost erhob sich und machte den herbeirennenden Ärzten Platz.

»Schafft ihn mir aus den Augen«, sagte der Duke zu den Polizisten. Ohne einen weiteren Blick auf Sanderson zu werfen, drehte er sich um und ging in Begleitung seiner Leute zurück zum Gebäude, wo sein Luftschiff ankerte.

Erschöpft strich sich Frost mit dem Handrücken über die Stirn. Payne trat neben sie und musterte sie besorgt. »Sind Sie in Ordnung, Miss Frost?«

Frost nickte und schaute zu, wie Baxter auf eine Bahre geladen wurde. Sie hoffte, dass er überlebte. »Ich könnte einen Drink vertragen.«

»Wollen wir das Buffet stürmen? Ich glaube kaum, dass die Gäste, die noch hier sind, nach dem Spektakel noch Appetit haben.« Paynes Augen funkelten schalkhaft, und Frost war ihm in diesem Moment dankbar, dass er sie nicht wie ein rohes Ei behandelte.

»Ich hätte Ihre Hilfe wirklich brauchen können.« Nur mit Mühe konnte sie das unsichere Beben in ihrer Stimme unterdrücken. Immer wieder sah sie Baxters zerfetzten Arm vor sich.

»Hätte ich geahnt, dass ich beim Pissen bewusstlos geschlagen werde, hätte ich es mir noch eine Weile verkniffen.«

Unweigerlich musste Frost lachen.

Sie schlenderten über die Wiese zu den Zelten. Helen kam ihnen entgegengerannt, und Frost musste ihr versichern, dass das Blut an ihren Kleidern und Händen nicht von ihr stammte. »Ich habe keinen Kratzer, Helen, ehrlich.«

»Was bin ich froh, Miss! Ich hörte nur den Schuss und die Schreie, und dann liefen alle durcheinander und flohen in alle Richtungen. Und ich konnte Mr. Payne nirgendwo finden. Ich befürchtete das Schlimmste!«

»Lydia!«

Frost drehte sich um, als sie die vertraute Stimme hörte. Michael rannte über die Wiese auf sie zu und nahm sie zu ihrer völligen Überraschung in die Arme.

»Michael, mir geht es gut! Ehrlich, du kannst mich wieder loslassen.« Sie lächelte, doch sie trat einen Schritt zurück und gab ihm damit zu verstehen, dass sie sich von ihm verabschieden wollte. »Richte Madame Yueh Grüße aus.«

Michael setzte seinen Hut auf und nickte. »Das werde ich. Miss Liddle, Mr. Pinkerton.« Dann ging er zurück zu seinen Leibwächtern, die in einigen Metern Entfernung geduldig auf ihren Boss warteten.

»Jetzt brauche ich wirklich einen Drink«, entfuhr es Frost. Sie marschierte auf das nächste Zelt zu. Helen kicherte, und Payne hatte den Anstand, sich eines Kommentars zu enthalten.

Doch wieder rief jemand nach ihr. Frost ächzte frustriert auf und drehte sich auf dem Absatz um. »Was denn nun schon wieder?«

Ein Sergeant kam angerannt und blieb schwer atmend vor ihnen stehen. »Sind Sie Mr. Payne und Miss Frost?«

Frost und Payne nickten. Ob sie nun ins Yard geführt wurden, um eine Aussage zum Attentat zu machen? Jones würde sie sicher nicht so einfach davonkommen lassen.

»Ich wurde gebeten, Sie sofort nach Greenwich zu bringen, man verlangt nach Ihnen. Es gab einen Bombenanschlag.«

Frosts Herz setzte einen Schlag aus. Alarmiert schaute sie zu Payne auf. Er hatte alle Farbe im Gesicht verloren. In seinen dunklen Augen stand blanke Furcht.

»Cecilia!«, wisperte er.

Ende des 2. Teils

Frost & Payne - Die mechanischen Kinder  Die komplette erste Staffel

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