Читать книгу Frost & Payne - Die mechanischen Kinder Die komplette erste Staffel - Luzia Pfyl - Страница 35
4.
ОглавлениеPayne warf sich seine Reisetasche über die Schultern und drückte dem Fahrer der Droschke einen Geldschein in die Hand. Für einen Moment blieb er stehen und betrachtete den einer Kathedrale nachempfundenen Bau mit Staunen. Backstein und Stahl ragten hoch hinauf, bis sie von einer Kuppel aus Glas abgelöst wurden. Riesige runde Fenster, einer Rosette ähnlich, gaben einen Blick ins Innere frei. Schemen von Luftschiffen waren auszumachen.
Payne legte den Kopf in den Nacken, als ein Zeppelin ihn zum Greifen nah überflog und hinter dem Kathedralenbau des Luftbahnhofs verschwand. Menschen mit allerlei Gepäck strömten ihm entgegen, als er das Gebäude betrat. Eine sonore Frauenstimme schallte aus versteckten Lautsprechern und kündigte Ankünfte und Abflüge an.
Sich umsehend ging er durch die Vorhalle. Links und rechts luden Geschäfte und Imbissläden zum Verweilen ein. Durch die Rosettenfenster hinter ihm fiel warmes Abendlicht. Payne blickte sich um. Er hatte sich in einem der Cafés mit Frost verabredet.
Sie sah ihn zuerst und winkte. »Ich dachte schon, Sie hätten sich verlaufen«, begrüßte sie ihn.
»So schnell geht das nicht«, erwiderte er und wollte sich hinsetzen, doch Frost schüttelte den Kopf.
»Wir müssen los, unser Luftschiff geht in einer Viertelstunde. Außerdem wird es an Bord garantiert Erfrischungen geben. Wir fliegen nämlich erster Klasse.« Sie leerte ihre Teetasse mit einem großen Schluck und griff nach ihrem kleinen Koffer.
Er folgte ihr durch die Menschenmassen der großen Halle und pfiff vor Staunen durch die Zähne. Frost musste schmunzeln. »Ich nehme an, Sie waren noch nie hier.«
»Ich habe die Überfahrt von New York auf einem Dampfer gemacht«, meinte er. »Für ein Überseeluftschiff reichte mein Geld nicht.« So ein Flug war schweineteuer.
Vor ihnen breitete sich der eigentliche Bahnhof aus. Auf mehreren Stockwerken, tief unter ihnen und hoch über ihnen, führten Galerien zu den Landungsdocks der Luftschiffe. Weit oben wölbte sich die Glaskuppel. Die hintere Wand des Bahnhofs fehlte gänzlich. Mehrere große und kleine Zeppeline schwebten fest vertäut an den Stegen. Die größten unter ihnen würden nach Übersee reisen.
»Wir müssen drei Stockwerke runter«, sagte Frost und drückte ihm ein Ticket in die Hand. »Steg 18.«
Sie nahmen einen der vielen Aufzüge, einen Käfig aus geschmiedetem Stahl und Glas. Wieder klang die Frauenstimme aus dem Lautsprecher und rief letzte Passagiere für den Flug nach Patagonien aus.
Der Zeppelin, der an Steg 18 festgezurrt schwebte, war einer der kleinen für Inlandflüge. Über dem Durchlass hing ein Schild mit der Destination Edinburgh. Frost erklärte Payne, dass es Zwischenstopps in Leeds und York gab, bevor der Flug weiter nach Edinburgh ging.
»Ist wie mit der Eisenbahn fahren, nur um einiges schneller und bequemer.«
Das Innere der ersten Klasse versetzte Payne erneut in Staunen. Reiche Verzierungen aus Gusseisen bedeckten die Wände und die Fensterrahmen. Es gab bequeme Sessel, auf den Tischen lagen weiße Decken, Porzellan und Silberbesteck, und der Boden war mit orientalischen Teppichen bedeckt.
Wohlig seufzend ließ er sich tief in eine der Polstergruppen fallen und streckte die Beine aus. »Daran könnte ich mich gewöhnen.«
»Wem sagen Sie das.« Frost machte es sich ebenfalls bequem. Ein Stuart nahm ihr Gepäck entgegen und brachte ihnen gleich darauf eine Kanne Tee. »Ein Glück, dass uns das Museum alle bezahlt.« Ein schelmisches Funkeln trat in ihre grauen Augen.
Während der nächsten zehn Minuten kamen weitere Passagiere der ersten Klasse hinzu und setzten sich an die freien Tische. Die Maschinen begannen zu rattern.
»Ladies und Gentlemen, willkommen an Bord der Imperial Airways«, blechte es aus den Lautsprechern, und die Passagiere merkten auf. »In wenigen Minuten werden die Seile gelöst. Auf unserem Flug nach Edinburgh via Leeds und York erwarten wir stellenweise kräftige Böen. Das Abendessen wird Ihnen gegen 19 Uhr im Speisesaal serviert. Der Kapitän und die Mannschaft der Hortensie wünschen Ihnen einen angenehmen Flug.«
»Entspannen Sie sich, Payne«, sagte Frost, als ein Ruck durch die Kabine ging und Payne seine Hände in die Armlehnen des Sessels krallte. Sie schmunzelte. »Sie haben doch keine Flugangst, oder?«
Payne schloss für einen Moment die Augen, als ein zweiter Ruck durch das Luftschiff ging. Kurz fühlte es sich an, als sackte die Kabine um mehrere Meter ab. Payne wurde ziemlich flau im Magen. »Ich bin noch nie in einem dieser Dinger geflogen, okay?«, gab er etwas bissiger als beabsichtigt zurück. »Ich bevorzuge die altmodische Art zu reisen. Auf festem Boden oder zu Wasser.«
Frost grinste breiter. »Entspannen Sie sich.«
»Ich bin entspannt!«
Sie erreichten York kurz nach zehn Uhr abends. Ein eisiger Wind zerrte an ihren Kleidern, als sie mit mehreren anderen Passagieren das Luftschiff verließen und über den schmalen Landungssteg zum Turm gingen, an dem der Zeppelin festgemacht hatte. Ein Aufzug führte direkt ins Erdgeschoss des kleinen Luftbahnhofs. Müde und erschöpft von der Reise konnten sie es kaum erwarten, ins Hotel zu kommen.
Frost winkte einer der Droschken, die vor dem Bahnhofsgebäude auf Gäste warteten. Die Fahrt durch die Stadt zum Hotel verbrachten sie schweigend. Payne hatte den Hut tief in die Stirn gezogen. Er versuchte, die drängenden Gedanken an Annabella, Cecilia und die mechanischen Kinderleichen beiseitezuschieben, doch es gelang ihm nicht.
Was, wenn tatsächlich keine Leichen mehr auftauchten? Natürlich war das eine gute Sache. Er war nicht so morbide zu denken, dass sie nur mit noch mehr Leichen auf die Spur des Mörders kommen konnten. Aber wenn der Mörder wieder für zwanzig Jahre im Nichts verschwand, hätten sie keine Chance, ihn jemals zu schnappen und für seine grässlichen Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Falls ihm Annabella tatsächlich zum Opfer gefallen war, würde er die Wahrheit nie herausfinden.
Und dann war da noch die Sache mit den Mordanschlägen auf ihn selbst. Seit Frost und er den Fremden vor der Agentur erschossen hatten, war es ruhig geblieben. Vermutlich hatte die Sache doch nichts mit dem Russen zu tun gehabt.
Ein beunruhigender Gedanke kroch aus seinem Unterbewusstsein nach oben. Ob das etwas mit New York zu tun hatte? Eine eisige Gänsehaut fuhr ihm den Rücken hinab. Nein. Unmöglich. Niemand von damals wusste, wo er war, und die anderen waren alle tot. Er war kein Pinkerton mehr.
»Wir sind da«, riss ihn Frost aus den Gedanken. So gut Payne konnte, verbannte er das Bild von Schnee und Blut, das vor seinem inneren Auge aufgetaucht war, wieder in sein Unterbewusstsein und folgte Frost in das hell erleuchtete Foyer des Hotels.
»Frost und Payne, wir haben reserviert.« Frost lehnte sich an den Empfangstresen. Der ältere Herr, der dahinterstand, nickte grüßend und blätterte dann in einem Buch. Sein voller Bart war grau meliert wie Granit und bebte bei jeder Bewegung seiner Gesichtsmuskeln.
»Ah, ja, hier. Bitte sehr, die Dame.« Er legte einen Schlüssel auf den Tresen. Frost stutzte.
»Nur einen Schlüssel?«
»Sie haben ein Zimmer reserviert, Ma’am.«
Frost schüttelte den Kopf. »Ihnen muss ein Fehler unterlaufen sein, Mister. Wir sind zu zweit, also haben wir auch zwei Zimmer reserviert.«
»Bedaure, aber ich habe hier nur eine Reservation für ein Zimmer mit zwei Betten.« Der Mann hinter dem Tresen hob entschuldigend die Schultern und duckte sich, in Erwartung eines Ausbruchs von Seiten Frosts.
Frost sah tatsächlich so aus, als würde sie gleich über den Tresen springen und dem armen Mann sein dickes Buch um die Ohren hauen. Aber sie beherrschte sich und setzte ein Lächeln auf. »Haben Sie kein anderes Zimmer mehr frei, das wir dazunehmen könnten?«
Wieder schüttelte der Mann den Kopf. »Tut mir sehr leid, Ma’am, aber wir sind ausgebucht. So wie alle anderen Hotels der Stadt. Dieses Wochenende findet das Wikingerfest statt. Ich hoffe, dass das für Sie keine Unannehmlichkeiten mit sich bringt.« Er warf Payne einen Blick zu, und Payne wusste genau, was der Mann damit meinte. Frost und er waren den unterschiedlichen Namen nach nicht verheiratet. Es gehörte sich nicht, dass eine Frau das Zimmer mit einem Mann teilen musste.
Frost brummte etwas und drehte sich zu Payne um. »Ich hoffe, Sie schnarchen nicht.«
Er schmunzelte. »Wie eine Bestie im Urwald.«
»Aber Madam, er ist Amerikaner«, raunte der alte Mann derart entsetzt, als hätte Payne gerade die Königin aufs Übelste beleidigt. Payne hätte beinahe laut aufgelacht. Es überraschte ihn doch immer wieder, wie viele Engländer glaubten, Amerikaner seien ungehobelte Wilde, die gerne mit Pistolen um sich schossen. »Bitte, lassen Sie mich nach einer Möglichkeit suchen. Vielleicht ist einer der Diener heute Nacht nicht da. Ihr Begleiter könnte sein Bett haben.«
»Lassen Sie mal«, erwiderte Frost rasch. »Er weiß sich zu benehmen.« Payne konnte das versteckte Grinsen in ihrer Stimme nur zu deutlich hören. »Wir nehmen das Zimmer. Unter der Bedingung, dass Sie uns morgen früh das beste Frühstück, das Sie sich ausmalen können, aufs Zimmer bringen. Kostenlos. Und dazu einen Stadtplan. Außerdem möchten wir eine Flasche Ihres besten Whiskys, die wir jetzt gleich mitnehmen werden.«
Der alte Mann schaute Frost entgeistert an, beeilte sich dann jedoch, ihr nickend den Schlüssel zu überreichen und ihr zu versichern, wie leid ihm die Sache täte. Schließlich verschwand er um die Ecke, um gleich darauf mit einer noch ungeöffneten Flasche Lagavulin zurückzukommen.
»Ich bin etwas enttäuscht, Frost«, meinte Payne, als sie dem Pagen auf das Zimmer folgten. »Ich hatte fest damit gerechnet, dass Sie den Alten noch mehr ausnehmen.«
»Ich bin ja auch noch nicht fertig«, erwiderte sie gelassen. Der Page öffnete das Zimmer und stellte ihr Gepäck neben die beiden Betten. »Morgen früh werde ich mich über Ihr Schnarchen beschweren.«
Payne stellte den Whisky auf die Kommode zwischen den Betten und setzte sich auf jenes, das näher an der Tür war. Die Matratze war hart, die Bezüge sahen sauber aus und rochen nach Kernseife. Doch das Zimmer war klein. Nebst den beiden Betten und der Kommode gab es einen runden Tisch mit drei Stühlen, ein schmales Bücherregal, in dem die üblichen Verdächtigen standen (Dickens, Austen, Stoker), und zwei Ohrensessel vor einem Kamin, der die Bezeichnung kaum verdient hatte.
Frost und er würden sich hier gegenseitig auf die Füße treten, so viel stand fest. Er wusste zwar, dass Frost eine eher unkonventionelle Frau war, die sich nicht genierte, sich vor ihm umzuziehen (auch wenn sie ihn scharf gebeten hatte, sich umzudrehen), dennoch machte ihn diese Enge etwas nervös. Frost war eine gut aussehende Frau, clever und nicht auf den Mund gefallen. Sie faszinierte ihn.
Dieses Hotelzimmer war gefährlich. Cecilia hatte ihn schon lange nicht mehr zu sich ins Bett gebeten, und er hatte aus Respekt ihr gegenüber die Finger von anderen Frauen gelassen. Aber das hier …
»Sie sind so still, Payne. Alles in Ordnung?« Frost hatte kurz aufgehört, den Inhalt ihres Koffers in die Kommode zu stopfen. Sie schaute fragend zu ihm herab.
»Ich bin nur müde, das ist alles.«
»Ja, war ein langer Tag. Genehmigen wir uns noch einen Schlummertrunk?« Sie griff nach der Whiskyflasche und schwenkte sie einladend.
Doch Payne schüttelte den Kopf. »Ich geh kurz an die frische Luft, damit Sie sich ungestört … bettfertig machen können.« Auch wenn Frost sich umziehen würde, wenn er anwesend war, auch wenn sie sich im Badezimmer umzog, er wollte ihr lieber Privatsphäre geben und draußen warten. Die Situation mit dem Zweibettzimmer war schon peinlich genug. Außerdem war ihre Beziehung rein geschäftlich und musste so bleiben.
Frost schaute ihm konsterniert hinterher, als er sich den Mantel überwarf und aus dem Zimmer ging. Im Flur atmete er kurz auf. Verdammt noch mal, er war verheiratet, und zwar mit einer wunderbaren Frau. Hoffentlich konnten sie diesen Auftrag schnell beenden und zurück nach London reisen, wo er und Frost ihre eigenen Wohnungen hatten.
Draußen vor dem Hotel schlug er den Kragen seines Mantels hoch, es war eisig kalt. Hier oben hatte der Frühling noch nicht ganz Einzug gehalten. Im Windschatten der Eingangstür rollte Payne eine Zigarette. Das Feuerzeug flammte kurz auf.
Durch den Rauch hindurch fiel ihm ein Mann auf, der sich in den Schatten gegenüber dem Hotel aufhielt. Er trug einen langen Mantel und hatte den Hut tief in die Stirn gezogen, sein Gesicht war nicht zu erkennen. Die nahe Straßenlaterne beleuchtete nur die Saumzipfel des Wollmantels und die Spitzen seiner Stiefel.
Paynes Instinkte meldeten sich. Das Prickeln seiner Kopfhaut sagte ihm, dass der Fremde ihn beobachtete. Aber warum? Und wer war der Mann? Waren sie etwa aus London bis hierher verfolgt worden? Von wem?
Konnte es sein, dass sein Verfolger, wer auch immer nach seinem Leben trachtete, dieser Mann war?
Das waren für Paynes Geschmack zu viele Unbekannte, zu viele offene Fragen. Ungünstig nur, dass er seinen Revolver oben im Hotelzimmer hatte liegen lassen. Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, für eine schnelle Zigarette unten auf der Straße eine Waffe zu brauchen. Dann musste er eben von seinen Fäusten Gebrauch machen, sollte die Situation es erfordern.
Gelassen schlenderte er auf die andere Straßenseite, schnippte Asche auf das Kopfsteinpflaster und blieb unter dem Schein der Laterne stehen. Der Mann hatte ihn sowieso schon längst gesehen, warum also nicht gleich voll ausleuchten?
Payne wollte etwas sagen, doch da rührte sich der Fremde, und er erhaschte einen flüchtigen Blick auf dessen Gesicht. Jetzt war ihm alles klar.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie sich für Wikinger interessieren, Inspektor.«
Der Mann im Schatten sah aus, als wollte er erst nicht antworten, schien dann jedoch einzusehen, dass das dämlich war. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Sie und Miss Frost nicht aus den Augen lasse, Mr. Payne. Verraten Sie mir, was Sie hier in York machen?«
»Wir wollen uns das Wikingerfest ansehen«, erwiderte Payne. »Ich interessiere mich brennend für Englands Geschichte.« Er konnte den Sarkasmus kaum verbergen. Dieser verdammte Inspektor. Seit dem Attentat auf den Duke und dem Bombenanschlag in Greenwich hatte er sie auf dem Radar und wollte unbedingt beweisen, dass sie eines Verbrechens schuldig waren. Payne konnte es ihm nicht verübeln, schließlich hatten Frost und er im letzten Monat ziemlichen Aufruhr veranstaltet, auch wenn sie dabei nicht die Hauptverursacher gewesen waren.
»Sparen Sie sich die Sprüche, Payne. Ich werde schon noch herausfinden, was hier vor sich geht.« Inspektor Flannagan trat ins Licht der Straßenlaterne. Unter dem Hut schaute sein grau meliertes Haar hervor, und die Pockennarben auf seinen Wangen standen in starkem Kontrast zum Rest seiner Haut.
Paynes Kiefer mahlten. Die Beharrlichkeit des Inspektors könnte sich noch zu einem Problem entwickeln. Er war sich nur zu bewusst, dass Frosts Methoden sich nicht ganz im legalen Rahmen bewegten. Wenn der Inspektor sie auf frischer Tat ertappte, konnten sie sich schlecht herausreden.
Payne gähnte übertrieben und reckte die Arme. »Also, heute Nacht werden wir bestimmt nichts mehr anstellen, versprochen.«
Inspektor Flannagans Blick ging hinauf zu einem der hell erleuchteten Fenster des Hotels. »Weiß Ihre Frau, dass Sie sich mit Miss Frost ein Zimmer teilen, Mr. Payne?«
Payne folgte seinem Blick. In einem der Fenster sah er die dunklen, langen Haare Frosts, die offen über ihren nackten Rücken fielen. Sie streifte sich eben ein Nachthemd über.
Payne ballte die Fäuste. »Lassen Sie meine Frau aus dem Spiel, Flannagan.« Er war sich bewusst, dass der Inspektor ihn provozieren wollte, doch er fühlte sich ob seiner eigenen Gedanken ertappt. »Denken Sie, was Sie wollen.«
»Oh, das werde ich.«
Die beiden Männer starrten sich an. Payne nahm einen letzten Zug und drückte die Zigarette mit seinem Stiefel aus. »Gehen Sie schlafen, Inspektor. Vor morgen früh werden auch wir nichts anderes tun, verspochen.«
Mit zwei Fingern tippte er sich grüßend an den Hutrand und drehte sich wortlos um. Er spürte den starren Blick des Inspektors in seinem Rücken, bis er im Foyer des Hotels um die Ecke verschwand.
Vor der Tür zum Zimmer blieb er zögernd stehen. Ob Frost sich schon fertig umgezogen hatte? Für einen kurzen Moment zuckte das Bild ihres nackten Rückens und ihrer offenen Haare vor seinem inneren Auge. Er schüttelte den Kopf und verbannte es sofort. Solche Gedanken durfte er nicht haben.
Er klopfte an und trat ein, als Frost rief. Sie saß in einem der Ohrensessel vor dem winzigen Kaminfeuer, die Beine unter dem Gesäß. Das helle Nachthemd schaute am Kragen des Hausmantels hervor, den sie lose umgelegt hatte. Auf ihrem Schoß lag ein aufgeschlagenes Buch, in der Hand hielt sie ein Glas mit dem bernsteinfarbenen Whisky darin.
»Hallo, Payne«, sagte sie und klappte das Buch zu. Dann runzelte sie die Stirn und legte den Kopf leicht schief. »Zwei Dinge. Zum einen starren Sie mich an, zum anderen sehen Sie aus, als könnten Sie wirklich einen Schlummertrunk gebrauchen.«
»Wir haben ein Problem«, sagte er und ließ sich in den Sessel ihr gegenüber fallen. Frost beugte sich zum Beistelltisch neben ihrem Sessel und schenkte ihm einen Drink ein.
»Ich weiß, die Unterkunft ist alles andere als angemessen. Glauben Sie mir, auch mir ist das sehr unangenehm.«
Payne schüttelte den Kopf und hob die Hand, bevor sie weiterreden konnte. Das war nicht das Problem, das er meinte. »Wir haben Gesellschaft.«
»Gesellschaft? Inwiefern?«
Payne leerte das Glas in einem Zug und verzog das Gesicht, als der Whisky in seinem Hals brannte. »Inspektor Flannagan steht unten vor dem Hotel. Ich habe mich eben mit ihm unterhalten. Er ist der festen Überzeugung, dass wir wegen etwas schuldig sind, er muss es nur noch beweisen können.«
»Verdammt.« Frost schwang sich aus dem Sessel und stellte sich seitlich ans Fenster. Dann schob sie den Vorhang ein paar Zentimeter beiseite. »Verflixt, der Kerl steht tatsächlich da unten.«
»Ich habe ihm gesagt, dass wir vor morgen früh nichts mehr unternehmen werden.«
Frost seufzte und kehrte in ihren Sessel zurück. »Ich hasse solche Kletten. Da wird man doch paranoid.« Nachdenklich schwenkte sie das Glas und schaute Payne lange an. Payne brauchte einen zweiten Whisky.
»Zum Glück suchen wir diesmal nur ein paar Bücher«, nahm sie das Gespräch wieder auf. »Das wird er uns kaum als Verbrechen anlasten können. Solange wir keine Leichen mehr hinterlassen, sollten wir keine Probleme haben.«
»Solange Sie nicht beim mirakulösen Einbrechen erwischt werden.«
»Stimmt, da sollten wir ebenfalls vorsichtig sein. Aber was der gute Inspektor nicht weiß, ist, dass ich die Beste in diesem Fach bin.« Frost grinste schelmisch und leerte ihr Glas.