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Ein Ja zum Genug finden

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Es ist ein großes Wunder, wenn sich das Gottesbild eines Menschen verändert. Ein noch größeres Wunder ist es, wenn sich das Selbstbild eines Menschen verändert. Das Selbstbild ist das Persönlichste, was ein Mensch hat. Es gleicht einem Filter, durch den alles gesiebt und interpretiert wird. Erst durch eigene solide Gottesbegegnungen sickert eine stärkere Kraft in dieses Selbstbild ein und verändert es von Grund auf. Und so gewinnt in der Konfrontation mit all den bekannten und als selbstverständlich vorausgesetzten Mantras darüber, wie einsam, unverstanden und ungeliebt man ist, langsam eine größere Kraft an Boden.

Diese Art, hinter und in das Selbstbild hineinzuschauen, hat eine zutiefst heilende Wirkung. Jesus sah Zachäus, als alle anderen nur einen Ausbeuter und römischen Kollaborateur sahen. Kein Wort darüber, wie er so reich geworden war, kein Wort darüber, wie er sein Leben verändern sollte. Einzig, dass Jesus freiwillig zu ihm nach Hause kam und mit ihm aß, löste eine Lawine in seiner mühsam aufgebauten Egozentrik aus. So öffnete er sein Herz und sein Portemonnaie für Gott und andere Menschen (Lukas 19,1-10).

Der Großkonzern Tetra Pak produziert Verpackungen auf der ganzen Welt und wirbt mit einem einfachen Slogan: Schützt, was gut ist. Und so ist es. Erst, wenn etwas wertvoll ist, schützen wir es. Ein Mensch mit geringem Selbstwert hat eine geringere Hemmschwelle, sich für das zu entscheiden, wovon er weiß, dass es schlecht ist. »Schließlich bin ich ja sowieso so schlecht, dann spielt das keine Rolle.« Vielmehr bestätigen seine Entscheidungen sein niedriges Selbstbild noch.

Wenn die eigene innere Wertschätzung niedrig ist, ist es auch schwierig, der Arbeit Grenzen zu setzen. Jeder Extraauftrag wird unwiderstehlich, denn dadurch bekommt der Selbstwert die Chance, ein bisschen zu wachsen. In einem solchen Fall kämpfen Ehefrau, Mann, Kind und andere vergeblich darum, das Tempo eines Menschen zu bremsen. Eigentlich ist es nicht der Job, den man vor dem Hinterfragen der anderen verteidigt, sondern die eigene Existenz. Und diese ist nun einmal nicht verhandelbar. Einmal mehr prallen alle Worte darüber, wie wichtig man als Person ist, an der viel schwerwiegenderen Erfahrung ab, dass man überhaupt nicht wichtig ist.

Nötig ist eine Erfahrung aus einem anderen Lebensbereich als der Arbeit, um den krampfartigen Griff um diese lösen zu können. Die Jagd nach mehr Kompetenz und mehr geistlichen Gaben hört erst auf, wenn Sie sich ernsthaft dafür entscheiden, die erste und entscheidende Gabe aus Gottes Hand entgegenzunehmen: sich selbst. Das kann mit einem ganz hypothetischen Gedanken, noch weit weg von einer wirklichen Überzeugung, beginnen:

»Angenommen, ich bin kein misslungenes halb fertiges Wesen, das erst durch eine lange Ausbildung und ein erfolgreiches Berufsleben einen Wert erhält. Angenommen, Gott hat mich genau als die Person geschaffen, die er sich gedacht hat. Angenommen, ich bin ein Abbild Gottes, das Gott widerspiegelt, indem ich bin, nicht indem ich etwas tue.« Dann können Sie sich direkt an Gott wenden und sagen:

»Vater, ich nehme mich selbst als Gabe aus deiner Hand an. Ab jetzt werde ich nicht mehr schlecht über das reden, was du geschaffen hast. Ab jetzt werde ich dein Abbild mit größerem Respekt behandeln und meine Grenzen schützen.«

Wenn Sie das einige Wochen oder einige Monate lang durchziehen, können Sie eines Tages vielleicht nackt vor dem Spiegel stehen und ehrlich zu Gott und sich selbst sagen: »Völlig okay. Völlig okay.« Dann ist etwas sehr Wichtiges passiert. Dann müssen nicht länger Ausbildung, Geistlichkeit, Amtskleidung oder Erfolge wie ein Feigenblatt Ihr dürftiges Selbstbild bedecken. Dann muss die glitzernde Weihnachtsdekoration keinen grauen und struppigen Baum mehr verdecken. Dann kann man von innen heraus wachsen, wie Früchte aus einem Weinstock.

Wie weit können wir auf diesem Weg kommen? Manche Menschen haben schließlich so tiefe Wunden, dass sie das ganze Leben damit kämpfen, den Kopf über Wasser zu halten und nicht in Selbstverachtung zu versinken. Man kann einen Schimmer von Gottes Güte und Barmherzigkeit ahnen, nur um am nächsten Tag wieder von Dunkelheit und Zweifel überwältigt zu werden. Ist es für solche Menschen zu spät? Ist ihnen der Weg zu christlicher Führung versperrt?

Es gibt ein segensreiches unscheinbares Wort, das heutzutage äußerst selten gebraucht wird: genug. Die ganze Marktwirtschaft fußt darauf, dass dieses Wort nie genannt wird. Der wirkliche oder eingebildete Mangel fördert das Wachstum, das unnachgiebig und immer stärker den weltlichen Ressourcen und uns selbst die Luft abschnürt. Eine ähnliche Fixierung auf eigene Unzulänglichkeiten kann uns auch auf tieferer Ebene lähmen. Wir kommen nie vorwärts. Wir sind nie zufrieden. Wir haben nie genug.

Genug geheilt sein – diese Erfahrung bleibt dem verwehrt, der vor seinem Leben davonläuft. Aber sie ist allen zugänglich, die sich ernsthaft ihrem eigenen Leben zuwenden, um dort Christus zu treffen. Selbst wenn dieses Leben zerrissen ist von schwierigen Erfahrungen, die einen womöglich niemals völlig loslassen werden.

»Wir leben«, pflegte Frère Roger aus Taizé zu sagen, »in der Dynamik des Vorläufigen.« Wenn wir den Traum vom perfekten inneren Leben losgelassen und begonnen haben, Gottes Gnade in dem Leben anzunehmen, das wir tatsächlich leben, wird sich vermutlich zeigen, dass Gottes Gnade so viel mehr bewirkt, als wir selbst ahnen. Sowohl in uns selbst als auch durch uns selbst. So schreibt Paulus, nachdem er davon berichtet hat, wie er mit dem Dunkel in seinem Leben gebrochen hat:

Das alles ist zu eurem Besten. Und wenn Gottes Gnade immer mehr Menschen zu Christus führt, wird auch der Chor derer, die ihm danken, immer lauter, und Gott wird immer mehr Ehre erwiesen.

2. Korinther 4,15

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