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Das Wesentliche

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Es muss ein Erstickungsgefühl gewesen sein, das einen der Schriftgelehrten dazu trieb, Jesus eine Frage zu stellen. Zumindest im Markusevangelium wird diese Frage nicht als Falle aufgefasst, sondern ist verzweifelte und aufrichtige Frage darüber, was das Wesentliche in all der Religiosität ist.

Einer der Schriftgelehrten stand dabei und hörte dem Gespräch zu. Er merkte, wie gut Jesus geantwortet hatte; deshalb fragte er ihn: »Welches von allen Geboten ist das wichtigste?« Jesus antwortete: »Das wichtigste Gebot ist dies: ›Höre, o Israel! Der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft lieben.‹ Das zweite ist ebenso wichtig: ›Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.‹ Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden.« Der Schriftgelehrte erwiderte: »Das hast du sehr gut gesagt, Lehrer.«

Markus 12,30-32

Es sind zwei Gebote, nicht eins. Zwei gegensätzliche Kräfte versuchen ständig, jeweils eines der Gebote auszulöschen. Die Säkularisierung tut sich schwer mit Gott und meint, einander zu lieben sei ausreichend. Die übergroße Spiritualität ist nicht am Menschen interessiert und glaubt, allein Gott sei genug. Aber Jesus macht sehr deutlich, dass einerseits beide Gebote zusammengehalten werden müssen, sie aber andererseits nicht vermischt werden dürfen. Denn er selbst ist die Inkarnation beider Gebote, wie es im Konzil von Chalcedon 451 formuliert wurde:

Jesus Christus […] ist wirklich Gott und wirklich Mensch aus einer vernünftigen Seele und einem Körper. Er ist dem Vater wesensgleich nach der Gottheit und derselbe uns wesensgleich nach der Menschheit […], der in zwei Naturen, unvermischt, ungewandelt, ungetrennt, ungesondert, geoffenbart ist.

Auch die Liebe ist dreifaltig. Eine einzige Liebe äußert sich in drei Richtungen: die Liebe zu Gott, die Liebe zu mir selbst und die Liebe zum Mitmenschen. Auch hier gilt es, sie nicht zu trennen, aber auch nicht zu vermischen. Wir neigen oft dazu, die Liebe zu uns selbst zu überspringen und uns allein den anderen beiden Arten der Liebe zuzuwenden. Doch ein Mensch, der sich selbst nicht lieben kann, wird es auch schwer haben, andere zu lieben. Wen erleben wir als den großen Egoisten, der den Raum ausfüllt und allen anderen die Luft zum Atmen nimmt? Ist es jener, der sich selbst gegenüber zu viel Liebe empfindet und deshalb alle anderen vergisst?

Nein, viel eher jener, der sich selbst zutiefst verachtet und deshalb ein unstillbares Bedürfnis nach der Aufmerksamkeit und Bestätigung anderer hat. Nur die, die sich selbst akzeptieren und wertschätzen, benötigen diese Projektion nicht und können andere auf gleiche Weise wie sich selbst willkommen heißen.

Dazu sind wir berufen. Dies ist der Mittelpunkt, der alles andere zusammenhält. Das ist die Quelle, die all unserer Arbeit Leben schenkt. Dies ist auch der Kompass, mit dessen Hilfe wir im Wirrwarr aller theologischen Ansichten und alles religiösen Funktionierens navigieren können. Vor jedem Entschluss, sowohl im privaten Bereich als auch in der Gemeindearbeit, können wir uns ausgehend von diesen beiden Geboten drei wegweisende Fragen stellen:

1. Hilft uns das, Gott besser kennenzulernen und zu lieben?

2. Hilft uns das, uns selbst und unsere Bedürfnisse ernst zu nehmen?

3. Hilft uns das, andere Menschen mehr zu lieben und besser zu dienen?

Vorsichtig geschätzt dürfte sich sowohl unser eigenes Leben als auch das der Gemeinde ziemlich verändern, wenn wir an jeder Wegkreuzung diesen Kompass ablesen und entsprechende Beschlüsse fassen würden. Weiterhin vermute ich, dass wir recht oft gezwungen sein würden, unsere Lieblinge zu opfern, wenn Projekte und Ideen, die großartig erscheinen, uns bei näherer Betrachtung doch eher an unserer Berufung hindern würden.

Wer hat uns zu dem Irrglauben verführt, dass Gott unser Leben verkompliziert?

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