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Riga, Lettland

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Lettland, die kleine, mittlere der drei Baltenrepubliken, grenzt im Osten des Landes über 217 km an Russland.

Riga

Riga, die mit über 600000 Einwohnern größte Stadt des Baltikums, ist schon aufgrund der phänomenalen Architektur völlig zu Recht ein Tourismusmagnet. Doch es ist nicht immer das touristische Interesse, das Ausländer hierher lockt. In Roberts book-shop, einem Buchladen mit gemütlichem Cafe, der nicht weit von der berühmten Alberta iela mit ihren sagenhaften Jugendstil-Häusern entfernt liegt, treffe ich mich mit drei Medizinstudenten, dem Polen Karol und den beiden Deutschen Alexander und David.

Alexander, David und Karol sind trotz guter Abiturnoten am deutschen Numerus clausus gescheitert und haben Riga als nicht ganz billige (das Medizinstudium kostet hier für Ausländer 10000 Euro pro Jahr), aber machbare Alternative gewählt. Als erstes räumen die drei sogleich mit dem Vorurteil auf, dass man nur genug Geld haben muss, um dann auch als lernschwacher Dummkopf in Riga Medizin studieren zu können.

„In Deutschland liegt der Numerus clausus an den meisten Universitäten ja bei 1,0 bis 1,2, da war Lettland ein Ausweg, wo nicht nur auf die Abiturnote geguckt wird, sondern auch auf andere Leistungen wie zum Beispiel Motivation und Empfehlungsschreiben“, so Alexander. „Mittlerweile ist es sogar ziemlich schwer, als Deutscher hier in Lettland angenommen zu werden, es wurde inzwischen ein inoffizieller Numerus clausus eingeführt, und es gibt jetzt eine ebenfalls inoffizielle Quote für Deutsche und andere Ausländer.“

„Ich kam mit 15 nach Deutschland und habe dort mein Abitur gemacht“, wirft Karol ein. „Ich habe mich dann auch in Warschau beworben, aber als polnischer Staatsbürger durfte ich mich mit deutschem Abitur dort gar nicht bewerben. Na, dann kam aus Riga eine Zusage und ich habe den Platz angenommen.“

Auch David erzählt, dass er keinen schlechten Notendurchschnitt hatte, aber damit in Deutschland trotzdem nicht Medizin studieren konnte. Diese drei hochmotivierten und alles andere als lernschwachen jungen Männer beseitigen auch gleich noch das Vorurteil, dass man die beträchtliche Studiengebühr ja wieder durch geringe Lebenshaltungskosten reinhole.

„Mittlerweile gleichen sich die Lebenshaltungskosten immer mehr an. Für westliche Produkte zahlt man hier mehr als bei uns. Es gibt aber einen großen Markt, wenn man dahin geht, bekommt man einen großen Korb voller Gemüse für gefühlt 50 Cent“, so Alexander. „Und die Wohnungen sind immer noch deutlich billiger hier“, merkt David an. „Ich zahle für mein Zimmer in der WG 160 Euro Kaltmiete pro Monat.“ David hat da viel Glück gehabt, Karols und Alexanders Mieten liegen gut 100 Euro darüber.

Nachdem die finanzielle Seite nunmehr geklärt ist, interessiert es mich, wie denn so der Kontakt zu den lettischen Kommilitonen sei. Schnell wird klar, dass die drei jetzt, im klinischen Teil ihres Studiums, zwar mehr Kontakt zu den lettischen Mitstudierenden haben als im vorklinischen Teil, dass aber die ausländischen und die lettischen Medizinstudenten eher neben- als miteinander studieren, trotz einiger Initiativen wie gemeinsamer Theatergruppen.

David hat wohl am meisten Kontakt mit Letten, hat er doch von Anfang an mit Letten zusammen gewohnt. „Dann auch mit meiner lettischen Freundin, und ich studiere jetzt auch in einer mixed-group, 50% Letten, 50% Ausländer.“ „Leider muss man aber sagen, dass die Letten nicht das offenste Volk sind“, findet Karol, „die würden nicht sofort sagen, dass ihr Gast König ist, so wie bei uns in Polen. Wenn man aber erst einmal Bekanntschaft geschlossen hat oder sogar zu Ihnen nach Hause eingeladen wurde, dann sind sie sehr gastfreundlich.“

Zwar sei der Unterricht auf Englisch, aber jetzt kommt es zunehmend zum Patientenkontakt. Karol als Pole hat es da natürlich leichter als die beiden anderen: „Man kann sagen, dass die Letten Lettisch und Russisch sprechen, viele hier lebende Russen hingegen sprechen nur Russisch. Allerdings muss man auch Lettisch lernen, denn die ganzen Patientenakten sind auf Lettisch.“

Auch Alexander hat jetzt begonnen, privat Russisch zu lernen. Lettisch-Unterricht wurde in den ersten drei Jahren an der Universität angeboten („und mehr oder weniger angenommen, kann man so sagen“, soweit David). Auch wenn man mit Englisch in der sehr westlichen Stadt Riga wenig Verständigungsprobleme hat: Alexander macht trotzdem die Erfahrung, dass „Lettisch natürlich die Nationalsprache ist, und es wird lieber gesehen, wenn man Lettisch spricht.

Man merkt da auch schon Spannungen zwischen der russischen und der lettischen Bevölkerung, auch wegen der Geschichte, der russischen Besatzung.“ Die drei sind sich auch hierin einig: „Die Letten fanden zwar auch die deutsche Besatzung nicht toll, aber die russische war noch radikaler.“

David glaubt auch, dass der Grund hierfür insbesondere der Kommunismus war, der den Letten aufgedrückt wurde, als die Russen kamen. „Das hat Lettland heruntergewirtschaftet. Die meisten Letten sind froh, dass sie jetzt den Kapitalismus haben, Geld kriegen und was aufbauen können.“

Die ausländischen Studenten bekommen kaum mit, was die russisch- oder lettisch-sprachigen Medien berichten, da sie vor allem die eigenen, westlichen Medien konsumieren. Und was wissen sie über die politische Großwetterlage?

„Als ich 2014 hier ankam, war gerade die Ukraine-Krise und da hat uns die Studienkoordinatorin gebeten, dass wir uns bei unseren Konsulaten anmelden, falls es Krieg gibt, damit wir dann außer Landes gebracht werden können“, erzählt Karol, und Alexander fügt hinzu: „Ich glaube schon, dass viele Letten Angst davor haben, dass die Russen einmarschieren könnten, wobei Lettland sich dann vielleicht mehr oder weniger freiwillig dem ergeben würde, was dann passiert.

Man merkt zwar schon hin und wieder eine stärkere NATO-Präsenz in Lettland, aber man muss sich natürlich trotzdem fragen, inwieweit das dann in so einem Extremfall Auswirkungen hat.“ (Anmerkung des Autors: David hat sogar schon mit einigen NATO-Soldaten paint-ball gespielt, Karol saß im Cafe und lernte, als 20 Soldaten reinkamen und das Cafe besetzten).

David berichtet, dass „unsere Chirurgie-Lehrerin Russen gesehen hat, die gefeiert haben, als Trump die Wahl gewonnen hat, weil sie meinten, dass Amerika dann aus der NATO rausgehen würde und Russland dann leichtes Spiel haben würde. Das sind sicherlich nicht die Intelligentesten, die so denken, aber der Konflikt ist immer da.“

Karol hat von seiner Vermieterin gehört, dass „in der Peripherie von Riga (also da, wo die oft sehr armen Russen wohnen) Geld für die russische Seite in der Ukraine gesammelt wurde“. „Die Letten orientieren sich aber ganz klar Richtung Westen, es ist nicht so, dass sie sich mit Russland verbunden fühlen, das gilt auch für einige lettische Russen“, diesen Worten Alexanders stimmen die beiden anderen zu.

Die Russen werden in Lettland hingegen als bipolar empfunden, meint Karol: „Entweder sind die sehr reich, fahren Porsche und tragen Pelzmäntel, oder es gibt krasse Armut. Es gibt auch reiche Russen, die sich in Riga oder am Strand von Jurmala ein Haus oder eine Wohnung kaufen, um einen Wohnort in der EU zu haben.“

Aus eigener Anschauung kennen die drei Russland allerdings nicht, nur Alexander war schon einmal in St. Petersburg, als Tourist. Das Interesse an Russland sei zwar da und die Angst, dorthin zu reisen, hält sich in Grenzen, aber, so Davids Fazit: „Erst mal die westlichen Länder alle bereisen, es ist auch leichter, da hin zu kommen.“

In und um Russland herum

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