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Dunte, Lettland

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Dunte? Wieso denn Dunte, dieses verschlafene Mini-Dorf etwa 60 km nördlich von Riga, gleich an der A1 gelegen, der Fernverkehrsstraße nach Tallinn? Gut, viel ist hier nicht zu sehen, bis auf ein kleines Museum mit angeschlossenem Waldpfad.

Das Museum gedenkt einem, der genau hier die vielleicht glücklichsten sechs Jahre seines Lebens verbrachte. Einem, dessen Leben mehrfach verfilmt wurde; z.B. schlüpfte 1943 ein gewisser Hans Albers in dessen Rolle, und auch in der Sowjetunion war er nicht zuletzt aufgrund einer herausragenden Verfilmung sehr populär.

Die Rede ist vom Großmeister der Lügengeschichten, der die heutigen Produzenten von fake-news und gezielten Falschmeldungen wie blutige Anfänger aussehen lässt, schon was die Nachhaltigkeit seiner Lügengeschichten anbelangt. Hier in Dunte, genauer gesagt im Gutshaus seines Schwiegervaters, des Barons von Dunten, seines Zeichens Richter in Riga, hat der am 11. Mai 1720 in Bodenwerder geborene Niedersachse Hieronymus Carole Fredericus Baron von Münchhausen mit seiner Frau Jacobine gelebt. Und das ist geschichtlich verbürgt, es entspricht voll und ganz der Wahrheit.

Das kleine Museum steht angeblich genau dort, wo sich früher das Gutshaus befand, und auch die Original-Kanonenkugel, mit der er flog, ist hier zu besichtigen. Nur das Pferd hat man inzwischen von der Kirchturmspitze des nahegelegenen Pernigele, an die der Lügenbaron es angeleint hatte, abgebunden.

Die junge Lettin, die mir die Senioren-Eintrittskarte verkauft (ich denke, dass ich hier ruhig ein wenig flunkern darf), bestätigt auch umgehend meine Suggestivfrage: „Ja, Lügengeschichten zu erfinden ist gerade wieder sehr aktuell“, und sie meint damit sicherlich nicht die sogenannte Lügenpresse aus dem rudimentären Sprachschatz der armseligen Pegidisten, sondern, und das sagt mir ihr intelligentes, offenes Gesicht, eher Schmutzkampagnen wie die Lüge über einen Pädophilen-Club Hillary Clintons.

Die heutigen Lügenbarone arbeiten ja zumeist verdeckt, sie wollen unerkannt bleiben. Einer allerdings nicht, der hat es sogar bis ins Weiße Haus geschafft. „Aber der Baron von Münchhausen ist und bleibt unübertroffen!“

Ins Museum kämen viele Deutsche, natürlich auch viele Letten, und auch sehr viele Russen. „Die Älteren kennen noch die Verfilmung aus der Sowjetzeit, die Jüngeren, vor allem die Kinder, sind zumeist total überrascht, dass der Baron von Münchhausen wirklich gelebt hat. Sie denken immer, dass er nur eine Fantasiegestalt war. Nein, der Baron lebte hier und später wieder in Bodenwerder in Deutschland. Er war ein ganz ausgezeichneter Erzähler von Geschichten, in denen oft der Krieg, den er ja selber miterlebt hat, eine Rolle spielte. Aber auch über die Jagd oder über die Liebe wusste er viel zu berichten.“

Wir einigen uns darauf, dass er möglicherweise hier und da mal nicht ganz bei der Wahrheit geblieben ist, aber genau darum sind ja schließlich seine Geschichten immer noch sehr beliebt. Und da ja Reisen schließlich bildet, nehme ich auch noch eine (mir neue) Erkenntnis mit aus Dunte: Der gute Hieronymus hat seine Geschichten überhaupt nicht selber zu Papier gebracht, das übernahmen richtige Schriftsteller für ihn: Rudolf Erich Raspe in England und Gottfried August Bürger in Deutschland, letzterer in dem netten Museumsinformationsblättchen (was für ein Wort!) übrigens Gottfried August Burger genannt. Wortspiele über fake-Fleisch verbitte ich mir hiermit ausdrücklich.

Übrigens nahm das Leben des Barons von Münchhausen ein recht unrühmliches Ende, das sich der alte Sack aber, meines Erachtens, selber zuzuschreiben hat. Warum musste er nach dem Tode seiner geliebten Jacobine unbedingt noch einmal heiraten, im Alter von 74 Jahren eine 17-Jährige? Dass dieses nicht ganz unschuldige Kind weniger gerontophil war als vom Baron erhofft, nimmt nicht wirklich Wunder. Erst verprasste das junge Ding das ganze Geld vom Baron, dann zog sie mit einem unehelichen Kinde von dannen, und Hieronymus verstarb einsam und verarmt im besten Alter von 77 Jahren. Mit einer, sagen wir mal, drei- bis viermal so alten lustigen Witwe wäre der Baron sicherlich besser gefahren.

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