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2.1.5. Trend V: Struktur von Informationseinrichtungen

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Die sich aus dem zweiten beschriebenen Trend – der Notwendigkeit durch institutionsübergreifende technische Infrastrukturen die Verfügbarkeit informationstechnischer Ressourcen zu erhöhen – ergebenden Entwicklungen führen auch zu strukturellen Konsequenzen der an der Informationsversorgung beteiligten Einrichtungen. Diese Konsequenzen besitzen aber einen von der rein technischen Entwicklung unabhängigen Character. Vor allem wenn man den diesen Trend im Zusammenhang mit einem nicht technischen anderen Trend betrachtet.

Denn die Entwicklung der wissenschaftlichen Bibliotheken ist derzeit international von zwei gegenläufigen Phänomenen gekennzeichnet:

 Einerseits gewinnen non-Print Medien wie schon diskutiert immer stärker an Gewicht. Schon deutlich mehr als die Hälfte des Beschaffungshaushalts vieler wissenschaftlicher Bibliotheken fließt in die Beschaffung von Zeitschriften, von denen gerade die kostenintensiven in der Regel auch – wenn nicht nur – digital bereitstehen. (Bei einem der geführten Informationsgespräche fiel der Satz „Wir haben keine gedruckten Zeitschriften mehr.“) Dies bedeutet eigentlich, dass die Bibliotheken an Zuspruch verlieren sollten, da es ja mehr und mehr an Informationsressourcen gibt, zu deren Konsultation das Aufsuchen der Bibliothek nicht mehr notwendig ist.

 Andererseits weisen nahezu alle Hochschulbibliotheken im Widerspruch dazu explodierende Benutzerzahlen nach. Die Gründe dafür sind vielfältig: Das gruppendynamische Argument, dass die zu Hause auf dem eigenen Rechner erzielten Erkenntnisse sozial besprochen werden müssten, weshalb der Bibliotheksbesuch jetzt eher wichtiger sei, als zu einem Zeitpunkt, wo das Konsultieren gedruckten Materials zwangsläufig zu sozialen Kontakten führte. Eine stärkere Betonung teamorientierten Unterrichts, die das gemeinsame Vor- oder Nachbereiten von Seminararbeiten in den Gruppenarbeitsräumen der Social Library wichtiger mache, als zuvor.

 Die Wertschätzung der Bibliotheksathmosphäre als Anreiz zum ablenkungsfreien, konzentrierten Vorbereiten von Examina und Verfassen von schriftlichen Arbeiten in Einzelarbeit.

Es sollte aber darauf hingewiesen werden, dass dieser Trend von der Erkenntnis, dass „Studierende eine angenehme Arbeitsatmosphäre und

-umgebung in der Bibliothek schätzen würden und man die Bibliotheken dementsprechend besser ausstatten müsse“ unabhängig ist: Jedenfalls ist in den Vereinigten Staaten, deren Hochschulbibliotheken was Benutzerfreundlichkeit und Arbeitskomfort betrifft, immer wieder als Vorbild für deutsche Bibliotheken angeführt wurden, exakt derselbe Trend zur intensiveren Präsenznutzung zu beobachten.

Abgesehen davon, dass die Erkenntnis, Studierende schätzten ein angenehmes Arbeitsambiente uns selbst in generationsüberspannender Sicht nicht wirklich überraschend scheint, sollte man den eben geschilderten gegenläufigen Trend unseres Erachtens nach als Anregung verstehen, ihn konstruktiv weiter zu denken. Beiden Trends gerecht zu werden verlangt unterschiedliche Ansätze – und könnte durch eine stärkere Entflechtung der betroffenen Fachabteilungen aufgegriffen werden. Die effektive Bereitstellung digitaler Ressourcen verlangt für das betreuende Personal vor allem hohe technische Qualifikationen; wobei es völlig irrelevant ist, ob die digitalen Informationen vor Ort oder an anderer Stelle vorgehalten werden. Dementsprechend scheint es ungemein naheliegend, diesen Teils des bibliothekarischen Informationsangebotes gleichermaßen von der einzelnen Institution weg zu einer standortbezogenen Infrastruktur zu transferieren, für die das Problem, dass erst bei einer gewissen Mindestgröße der Einrichtung die effektive Auslastung aller mindestens benötigten technischen Qualifikationsprofile gelingen kann, genauso zutrifft, wie für die Bereitstellung der im inhaltsagnostischen Basis-IT-Infrastruktur, für die wir die mittelfristige Auslagerung aus den einzelnen Hochschulen in späteren Abschnitten empfehlen werden.

Im Unterschied dazu ist die bestmögliche Beratung bei der Informationsnutzung vor Ort unstreitig nur an den Institutionen selbst durch Personal mit hoher kommunikativer Kompetenz zu leisten: Und ein offensichtliches Feld, auf dem der Wettbewerb zwischen den Hochschulen wünschenswert und naheliegend ist. Diese Beratung kann und sollte mindestens vier Aufgaben übernehmen: Zunächst natürlich die administrativen Tätigkeiten, die die Arbeitsatmosphäre im Sinne der Social Library Diskussion ermöglicht; ferner die Beratung bei der Benutzung der Informationsressourcen im Sinne der Vermittlung von Informationskompetenz; weiterhin die Bereitstellung verbleibender Printmedien; und schließlich die Erzeugung von Informationsoberflächen – als Weiterschreibung des jetzigen Konzepts von digitalen Semesterapparaten – die für einzelne Veranstaltungen auf der Ebene der Lehre, aber auch für die längerfristige Unterstützung von Forschungsschwerpunkten einen gezielten Zugriff auf spezielle Ressourcen ermöglichen.

Für die hier ins Zentrum der Erörterung gestellten Hochschulbibliotheken ergibt sich daraus und aus dem einleitend noch mal zitierten technischen Trend zur Bildung größerer Cloud-orientierter Infrastrukturen die Forderung, die technischen und die sozialen, also auf unmittelbaren Benutzerkontakt angelegten, Teile der Einrichtung noch wesentlich stärker zu entflechten als bisher.

Dasselbe gilt aber auch für alle anderen Zweige universitärer Informationsinfrastrukturen. Sobald davon ausgegangen werden kann, dass Informationstechnologie robust und hoch verfügbar ist, kann die technische Kompetenz auch in Benutzerberatungen von Rechenzentren sinken und durch stärkere Konzentration auf die Kompetenz im Umgang mit Benutzern zumindest zum Teil ersetzt werden.

Dies reflektiert offensichtlich die innerhalb der Wirtschaft schon länger übliche sorgfältige Trennung in Frontoffice und Backoffice Strukturen. In weiterer Folge gehen wir daher davon aus, dass alle Zweige der Informationsversorgung an Hochschulen in eine primär technische (potentiell institutionsübergreifende) und eine primär soziale (gezwungenermaßen lokale) Komponente gegliedert werden können.

Zusammenfassende These: Bereitstellung und Nutzung der Informationsversorgung sind weiter zu entflechten. Natürlich darf die Wahl der bereitzustellenden Information auch weiterhin nicht als ingenieurswissenschaftliche Aufgabe verstanden werden. Der effektive Betrieb informationstechnischer Infrastrukturen setzt jedoch primär informationstechnische Qualifikationen voraus.

Empfehlungen für die weitere Entwicklung der Wissenschaftlichen Informationsversorgung des Landes NRW

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