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2.3.1.2. Institutionelles und institutionsübergreifendes „bibliothekarisches“ Angebot

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Innerhalb des in Abbildung 2 (Seite 39) wiedergegebenen Bildes der Einbindung der Informationsdienste an einer Hochschule beschreiben wir die inhaltsorientierten, also nach bisherigen Verständnis überwiegend „bibliothekarischen“ Dienste nach Abbildung 3.


Abbildung 3: "Bibliothekarische" Dienste an einer Hochschule

Wie alle anderen Informationsdienstleistungen auch, sind die inhaltsorientierten Komponenten zwischen der Bereitstellung der Basis-IT-Dienstleistungen und dem integrierten Hochschulportal positioniert. Unter „inhaltsorientierten Komponenten“ verstehen wir dabei einerseits die bisherigen Leistungen einer Hochschulbibliothek, mit einer deutlich stärkeren Betonung der Beratung bei der Benutzung von Informationsmedien als bisher, den Betrieb einer Open Access Plattform, die Bereitstellung von eLearning-Inhalten und die Unterstützung bei der Medienproduktion.

Wie bei allen anderen Informationsdienstleistungen auch, unterscheiden wir zwischen der sozialen Komponente des Informationsdienstes und der technischen. Hier ist der Bibliothekssektor innerhalb der Informationsversorgung unstreitig führend: In der Tat war das in der jüngeren bibliothekarischen Diskussion entstandene Etikett „Social Library“, für die Aufgabe der Bibliothek eine dem kooperativen Wissenserwerb auch räumlich dienende Einrichtung, namengebend für unsere Konzeption, dass alle Informationsdienste besser verstanden werden können, wenn man sie als eine Kombination sozialer und technischer Dienste versteht.

Innerhalb der technischen Schicht unterscheiden wir zwischen drei Komponenten: Unter „Zugang“ verstehen wir die klassische bibliothekarische Aufgabe der Bereitstellung von Erschließungssystemen. Als „Inhalt“ werden alle jene Aspekte verstanden, die mit der Beschaffung, Verwahrung und Bereitstellung von traditionellen und digitalen Medien zusammen hängen. Als „Profil“ verstehen wir jene Dienste und Aktivitäten, die die entsprechende Einrichtung einer Hochschule von einer anderen unterscheiden. Dazu im Einzelnen.

(a) Profil

Die profilbildenden Dienste einer Bibliothek definieren ihren Beitrag zur Positionierung ihrer Hochschule im Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Während wir auf Grund der im Abschnitt 2.1.5. vorgestellten Überlegungen davon ausgehen, dass dieser Wettbewerb prinzipiell eher im Bereich der in der Social Library installierten Beratungsleistung stattfindet, die die Angehörigen der jeweiligen Hochschule bei der Nutzung der vorhandenen Informationsressourcen unterstützt, gibt es natürlich – unbeschadet der im Abschnitt 2.2.1. angestellten Überlegungen für den Wunsch nach einem für das Hochschulsystem des Landes einheitlichen Informationszugang – eine Reihe von technischen Leistungen, die nur vor Ort erbracht werden können:

Sei es die Unterstützung der Hochschulangehörigen bei der Aufbereitung ihrer Publikationen für die Präsentation im integrierten Informationsangebot; Sei es die Optimierung der Handhabung von Informationsressourcen im Zusammenspiel mit dem eLearning-System der jeweiligen Hochschule.

Grundsätzlich gehen wir jedoch davon aus, dass die Aufgabe der Bibliotheken an den einzelnen Hochschulen nicht technisch sein sollte: Sie sollten den Umgang mit Informationstechnologien vermitteln, die durch die Bereitstellung der Basis-IT-Infrastruktur realisierbar werden und dabei auf eine über die einzelnen Hochschulen hinausgehende auf bibliothekarische Inhalte ausgelegte Infrastruktur zugreifen können. Die Aufgabe der Bibliothek der einzelnen Hochschule besteht also vor allem anderen in der Realisierung der Social Library durch die Vermittlung von so genannter Informationskompetenz und der Betreuung der verbleibenden nicht digitalen Medien, deren Bedeutung jedoch vor allem für die Forschung massiv zurück gehen wird. Hierbei verweisen wir zur Verortung der Vermittlung von Informationskompetenz innerhalb der Social Library insbesondere auf das Konzept der Teaching / Learning Library15.

(b) Inhalt

Die Bereitstellung digitaler Inhalte erfordert einerseits technische Kompetenz bei der Handhabung großer Speichervolumina und beim Betrieb spezialisierter technischer Systeme, deren Betrieb hochverfügbar zu gestalten ist. Eine ähnliche technische Spezialisierung liegt bei der Digitalisierung vor, also der Überführung von Printmedien in die digitale Form, wobei diese technische Aufgabe allerdings angesichts der mittlerweile erreichbaren Geschwindigkeiten bei den führenden Projekten für den Bibliothekssektor mutmaßlich innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre abgeschlossen sein wird. Bei der Bereitstellung von „born-digital“ Inhalten, sind dagegen vor allem lizenzrechtliche Kenntnisse notwendig, die ebenfalls sehr spezialisiert sind.

Bei den technischen Aspekten empfiehlt sich auf Grund derselben Überlegungen, die wir im vorigen Abschnitt über die Bereitstellung von Rechenleistung und Serverkapazitäten angestellt haben, die Integration in eines der regionalen IT-Zentren. Da der Aufbau von Digitalisierungsstrecken offensichtlich nur im Zusammenhang mit signifikanten Altbeständen sinnvoll ist, empfehlen wir, die dazu notwendige technische Infrastruktur an einer der regionalen IT-Einrichtungen anzusiedeln und die Digitalisierungskampagnen unter die bibliothekarische Begleitung der größten von dieser Einrichtung mit betreuten Altbestands-Bibliothek zu stellen, wobei die effektive Organisation des Workflows jedoch durch die Technikspezialisten sicher zu stellen ist.

Beim Lizenzerwerb, also der Nachfolgeaktivität zum Bestandsaufbau im klassischen Sinn, empfehlen wir zur Ausnutzung der Marktmacht der Hochschulen die Bildung fachlich bestimmter lose koordinierter Konsortien, die die eigentlichen Lizenzen verhandeln. Das Prinzip des Rahmenvertrages mit durch das Land garantierter Mindestabnahme sollte sinngemäß modifiziert und auf diesen Bereich übertragen werden. Frühzeitig sollte dabei auf die Herausbildung von Rahmen-Abnahmeverträgen Wert gelegt werden, die bei einer Zunahme der Bedeutung der heutigen eBooks und ihrer mittelfristigen Nachfolger beispielsweise Warenkorb-Lösungen erlaubt, die es einzelnen Bibliotheken gestattet, innerhalb des Konsortiums individuell zu bestellen, die bestellten Titel aber durch das Konsortium administrieren zu lassen und mit dem Konsortium vereinfacht abzurechnen.

Das Land NRW wird nicht umhin können, die bisher im Rahmen der Nationallizenzen von der DFG angebotenen Ressourcentypen in geeigneter Form hochschulübergreifend weiter zu fördern, wenn nicht wesentliche Kostenvorteile verloren gehen sollen.

Zu prüfen ist, wieweit die ZB MED (Deutsche Zentralbibliothek für Medizin) in eine derartige Struktur so eingebunden werden kann, dass zwischen ihren landesübergreifenden Aufgaben und den sinnvoll für die einschlägigen Einrichtungen des Landes zu erbringenden Aufgaben eine klare Trennung möglich wird. Zu prüfen ist aber auch, ob sie als Modell für eine Geschäftsstelle eines fachspezifischen Konsortiums für die Inhaltsbereitstellung betrachtet werden kann. Dabei kann sie aber nur im allerweitesten Sinne als Modell verstanden werden: Fachspezifische Geschäftsstellen zur Bereitstellung von Inhalten müssen wesentlich kleiner ausgelegt werden. Dabei ist die Definition – eine Größenordnung kleiner als die ZB MED – vermutlich ein guter Ausgangspunkt für die Konzeptualisierung dieser Art von Einrichtungen.

Zu prüfen ist ferner, wieweit die bisher vom HBZ übernommenen Aufgaben bei der Verhandlung von Lizenzen, in dieser Form weitergeführt werden sollten – unter besonderer Berücksichtigung der Vorteile bei einem Auftreten des Gesamtmarktes der Hochschulen NRW in einer Lizenzverhandlung – und wie weit das dort entstehende Know How besser in kleine fachspezifische Geschäftsstellen eingebracht oder diesen als Hintergrundressource zur Verfügung gestellt werden sollte.

(c) Zugang

Die heute üblichen Erschließungsverfahren gehen davon aus, dass die Medien der einzelnen Hochschulen hochschulspezifisch erschlossen werden und erst im weiteren Verlauf durch eine Verbundlösung gemeinsam präsentiert werden können. Dies halten wir für einen in keiner Weise effektiven Ressourceneinsatz. Gerade die in NRW seit den 1970er Jahren nur sehr zögerlich betriebene Zentralisierung der Nachweissysteme hat dem Land NRW und dem HBZ im Vergleich zu anderen Bundesländern und Verbünden erhebliche Nachteile gebracht. Die Varianz der Lokalsysteme im Lande ist besonders groß und die von einzelnen Bibliotheken in ihren Lokalsystemen angewandten Hausregeln haben den Betrieb des Verbundkataloges erheblich behindert.

Dass es in NRW offenbar bereits in den 1970er Jahren Pläne für eine straffere Zentralisierung bei der Organisation der bibliothekarischen Zugriffssysteme gab, wurde in den begleitenden Diskussionen gelegentlich als Beleg dafür gewertet, dass eine stärkere Zentralisierung dieses Zugriffs auch jetzt nicht sinnvoll sei. Auch wenn wir die damaligen Diskussionen, die von Beteiligten immer wieder zitiert wurden, nicht im Detail analysiert haben, halten wir halten es für sinnvoll das Argument umzukehren: Die Kosten der damaligen forschungspolitischen Fehlentscheidung, bereits damals sinnvolle Zentralisierungsmaßnahmen nicht energisch genug durchzusetzen, belasten das Land finanziell und strukturell noch heute.16

Bei den Zugangssystemen halten wir eine Zentralisierung des Angebotes in zweierlei Hinsicht für unabdingbar:

Einerseits halten wir es für dringend geboten, die klassischen Erschließungsverfahren – m.a.W. die bibliothekarische Erschließung im Sinne der Katalogisierung und der OPACs – zu vereinheitlichen. Das Land sollte die Informationsressourcen seiner Hochschulen als ein Gesamtsystem begreifen, das zentral betrieben wird. Konkret heißt das, dass ein in Weiterführung des jetzigen beim HBZ betriebenen Verbundkatalogs bereitgestelltes System die OPACs der einzelnen Hochschulen ablöst und eine lokale Sicht auf das gemeinsame Bibliothekarische Verwaltungssystem des Landes die jetzigen Lokalsysteme ersetzt. Dies ist keine kurzfristige Maßnahme, sollte jedoch Bestandteil und Ziel der ohnehin anstehenden grundsätzlichen Überprüfung der Technologiebasis des Verbundsystems sein.17

Andererseits steht das Informationsangebot des Landes in Konkurrenz zu den großen, übergreifenden Informationsangeboten des entwickelten Internet. Um die umfassende, institutionsunabhängige Breite des Angebotes zu garantieren, die Benutzer des Internet im Jahre 2025 als selbstverständlich voraussetzen, ist es sinnlos, weiterhin für jede einzelne Hochschule einen Zugriff auf die zufällig lokal vorhandenen Informationsressourcen als primären Einstieg vorzusehen, der erst in weiterer Folge sekundär durch die Angebote anderer Hochschulen des Landes ergänzt wird. Als primärer Zugang sollte für alle Benutzer der Hochschulbibliotheken des Landes ein einheitlicher Webzugang – bzw. dessen funktioneller Nachfolger in der von mobilen Devices geprägten Informationslandschaft des Jahres 2025 – stehen, innerhalb dessen die lokal besonders gut verfügbaren Ressourcen hervorgehoben werden.

Es sollte sich von selbst verstehen, und sei nur zur Sicherheit explizit angemerkt, dass beide Entscheidungen natürlich die Hochverfügbarkeit eines derartigen Systems voraussetzen.

Empfehlungen für die weitere Entwicklung der Wissenschaftlichen Informationsversorgung des Landes NRW

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