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2.1.2. Trend II: Verfügbarkeit

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Die Bereitstellung von „Rechenleistung“ – sei es als Prozessorleistung, sei es als Speicherkapazität – erfolgt zunehmend unabhängig von ihrer Inanspruchnahme. Dieser Trend ist offensichtlich und schlägt sich einerseits in der Virtualisierung von Serverleistung an den einzelnen Hochschulen, in hoher Aufmerksamkeit für die großflächige Verfügbarkeit von überörtlichen Ressourcen („Grid“, „Cloud“) wider.

Hier scheint uns der Blick auf die längerfristige Bedeutung dieser Trends jedoch ein wenig durch deren kurzfristige Erscheinungsformen getrübt. Dies gilt insbesondere für die Diskussion um das Paradigma des „Cloud Computing“. Auch wenn das National Institute of Standards and Technology selbst davor warnt, dass die Definition des Konzepts sich noch weiter entwickle, ist seine Definition derzeit wohl die Seriöseste:

„Cloud computing is a model for enabling convenient, on-demand network access to a shared pool of configurable computing resources (e.g., networks, servers, storage, applications, and services) that can be rapidly provisioned and released with minimal management effort or service provider interaction.“2

Laut dieser Erklärung liegt das Schwergewicht der Definition auf der Art und Weise, wie ein wohldefinierter Pool von Diensten verfügbar gemacht wird. Dagegen wird in der – durchaus auch in Informationseinrichtungen verbreiteten – popularisierten Form darunter häufig das Prinzip verstanden, dass informationstechnische Ressourcen von einem Anbieter bezogen würden, dessen technische Struktur nicht nur für den Endabnehmer, sondern auch für dessen Institution nicht transparent sind – woraufhin meist ein Verweis auf Amazon, Microsoft oder andere kommerzielle Anbieter erfolgt, häufig gekoppelt mit der Aussage, dass informationstechnische Leistung in Zukunft genauso anonym bezogen werden würde, wie Elektrizität heute. Dies scheint uns eine unsinnige Vermischung von Konzepten.

Die häufig bemühte Analogie zur Elektrizität wirkt nur auf den ersten Blick überzeugend: Schließlich wird Elektrizität vom Anbieter bereitgestellt und vom Kunden verbraucht, Information dagegen vom Kunden bereitgestellt und vom Anbieter verarbeitet, wonach sie oft bei ihm verbleibt – wenn die „Verarbeitung“ nicht ohnehin schon in ihrer Speicherung besteht. Der Anbieter von Rechenleistung hat also eine Verfügungsmöglichkeit über Eigentum des Kunden, die ein Anbieter von Elektrizität nie haben kann. (Ganz abgesehen davon, dass wir uns ja gerade dabei befinden, die zentrale Erzeugung von Elektrizität wieder durch eine weniger zentrale zu ersetzen.)

Vor allem aber wird übersehen, dass die durch die Namensgebung „Cloud“ implizierte strukturelle Transparenz des Informationssystems nur für den Abnehmer, nicht für den Anbieter gilt. Die suggerierte „weltweite Cloud“, in der die Information „irgendwo“ gespeichert wird, beschreibt günstigenfalls die Ansicht des Endkunden, der in der Tat nicht weiß, auf welchem Kontinent seine Daten gespeichert werden. Für den Anbieter dieser Leistung ist dies hingegen vollkommen klar und nachverfolgbar. Ohne der Versuchung erliegen zu wollen, hier durch scherzhaft anmutende Beispiele den seriösen Bereich zu verlassen: Es dürfte klar sein, dass die Bundeswehr derzeit kein Interesse daran hat, ihre Daten „in der Cloud“ zu speichern, wenn dies bedeuten kann, dass sie sich letzten Endes in Pakistan befinden.

Die Informationen der Hochschulen mögen weniger sensibel sein; bedenkt man, welch enormer Widerstand gegen das Prinzip des Open Access auf Grund von alten Copyright-Regelungen geleistet wird und wie viele durchaus sinnvolle Informationsdienstleistungen durch Datenschutzregelungen verhindert werden, ist es schwer vorstellbar, dass Hochschulen die Kontrolle über die von ihnen verwendeten und generierten Informationen so völlig abgeben.

Wir gehen in der folgenden Studie daher von folgenden Annahmen aus:

 Die Cloud-Technologien bilden eine hervorragende Plattform für die Bildung institutionsübergreifender IT-Infrastrukturen. Als solche bilden sie und ihre Weiterentwicklungen das Rückgrat der Informationsinfrastruktur der Hochschulen des Landes im Jahre 2025.

 Diese Infrastrukturen gehen jedoch nicht in einer „anonymen Cloud“ nach der populären Verzerrung des technischen Konzepts auf, sondern bilden eine Infrastruktur, die nach wie vor von den Hochschulen kontrolliert und in Abgrenzung zu anderen Domänen der Informationsversorgung betrieben wird.

Während wir also davon ausgehen, dass die informationstechnischen Infrastrukturen der Hochschulen in deutlicher Abgrenzung zu sonstigen gesellschaftlich genutzten Informationsinfrastrukturen weiter bestehen werden, weisen wir allerdings darauf hin, dass die zunehmende Bildung weit gespannter und dadurch robusterer und ausfallssicherer Informationsinfrastrukturen sehr wohl eine gravierende Konsequenz für den weiteren Betrieb auch hochschuleigener Informationsinfrastrukturen haben wird.

Um bei der häufig verwendeten, wenn auch irreführenden Metapher der Elektrizitätsversorgung zu bleiben: Mehrstündige Stromausfälle in einer Hochschule würden heute den Hochschulbetrieb de facto weitestgehend lahm legen. Abgesehen von Lehrräumen ohne Tageslicht gibt es viele andere Aspekte des normalen Betriebs, die ohne funktionierende Stromversorgung nicht möglich wären. Ein mehrstündiger – auch unangekündigter Ausfall von zentral verwalteten IT-Leistungen – gilt jedoch nach wie vor als normal. Es gibt immer noch Hochschulbibliotheken, die es bei Arbeiten während des Wochenendes als normal ansehen, dass ihre Homepage anderthalb Tage nicht erreichbar ist. Dies entspricht durchaus einer gesamtgesellschaftlichen Situation:

Mehrstündige Stromausfälle, von denen einige tausend Bürger betroffen sind, haben einen Neuigkeitswert, der meist bis in die Tagesschau reicht. Der Ausfall von Informationsinfrastrukturen bleibt dagegen kaum kommentiert – es sei denn, er betrifft Dienste, die jetzt schon von der Allgemeinheit als funktionierend vorausgesetzt werden, wie etwa Google oder Amazon.

Wenn wir nach dem bisherigen jedoch davon ausgehen, dass es insgesamt zur Herausbildung auf der Cloud-Technologie basierender Informationsinfrastrukturen kommt, deren Ausfallssicherheit durch diese Technologien erheblich zunimmt, ist davon auszugehen, dass das vorübergehende Nichtfunktionieren von Informationsinfrastrukturen in naher Zukunft als ebenso nicht tolerierbar gilt, als heute das Nichtfunktionieren der Elektrizitätsversorgung.

Zusammenfassende These: Dies bedeutet in weiterer Folge, dass Informationsdienstleistungen, die nicht hochverfügbar sind, in Zukunft als strukturell defizient und de facto nicht verwendungsfähig angesehen werden. Information, die nach heutigen Maßstäben nicht hochverfügbar ist, wird in Zukunft als nicht verfügbar gelten.

Empfehlungen für die weitere Entwicklung der Wissenschaftlichen Informationsversorgung des Landes NRW

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