Читать книгу Empfehlungen für die weitere Entwicklung der Wissenschaftlichen Informationsversorgung des Landes NRW - Manfred Thaller - Страница 12
2.2.1. Erforderliche Restrukturierungsmaßnahmen
ОглавлениеVor einigen Jahren fanden sich die Hochschulen des Landes in einer Situation wieder, in der alle die Informationstechnologie intensiver nutzenden Einheiten jeweils eine eigene in sich geschlossene Infrastruktur betrieben.
Das sind insbesondere: (a) Rechenzentrum, (b) Bibliothek, (c) Verwaltung und andere nicht an allen Hochschulen voll ausgeprägte Organisationseinheiten ((d) Medien- / (e) eLearning-Zentren). Jede dieser Einrichtungen betrieb mindestens eine eigene, selbständig gewartete technische Infrastruktur, eigene Serverkapazitäten, ein eigenes eMail-Hosting, eine eigene Benutzerverwaltung und eine eigene Datensicherung. (Wobei letztere auch in allen Fällen als reines Backup-, bestenfalls als Archivierungssystem ohne echte Langzeitarchivierungsfunktion betrieben wurde.10)
Es besteht Konsens darüber, dass diese Redundanz in dieser Form unsinnig ist und es notwendig ist, sie zu verringern. Wenn und soweit sich an einzelnen Hochschulen einige der die IT nutzenden Fachabteilungen aus diesen Konvergenzbemühungen auszuschließen bemüht sind, ist dies wohl in allen Fällen auf örtliche institutionelle Machtstrukturen, nicht auf tatsächliche organisatorische Erfordernisse zurückzuführen. Tatsächlich ist die Einführung von CIO Strukturen an den besuchten Hochschulen – auch außerhalb NRWs – häufig mit dem Eintreten von Ruheständen verbunden.
Der Redundanzabbau – im Folgenden als infrastrukturelle Konvergenz bezeichnet – betrifft dabei derzeit vor allem folgende Bestrebungen:
1. An allen Hochschulen des Landes wird eine vereinheitlichte Nutzerverwaltung, als Single Sign-On für alle Dienste der Hochschule, als vordringliche organisatorische Aufgabe gewertet.
2. Es gibt einen prinzipiellen Konsens darüber, dass Dienste eines Typs an der Hochschule nur einmal erbracht werden sollten. Das bezieht sich insbesondere auf die Wartung der Netzinfrastruktur, die Hardwarewartung der eingesetzten arbeitsplatznahen Geräte, die Verwaltung der eMail-Dienste, und die Einrichtung eines hochschulweiten Backup- und Archivdienstes.
3. Die Tatsache, dass durch die Virtualisierung von Speicherkapazitäten und Rechnerleistung erhebliche Synergien im besten Sinne des Wortes erreichbar sind, also tatsächliche signifikante Einsparungen von Haushaltsmitteln, wird bisher vor allem von den Hochschulrechenzentren betont. Sie spielt in den derzeit laufenden Konvergenzprozessen insgesamt aber vorläufig eine eher geringe Rolle.
Die zu beobachtende infrastrukturelle Konvergenz läuft wohl eindeutig auf ein Modell hinaus, bei dem eine hochschulweite Infrastruktur – bestehend aus den oben aufgezählten Komponenten / Diensten – einheitlich bereitgestellt und von einzelnen Fachabteilungen für fachspezifische Dienste genutzt wird. Dabei ist hervorzuheben, dass mit sehr wenigen Ausnahmen an fast allen Hochschulen betont wird, dass es keinen technischen Grund mehr gebe, die Verwaltungs-IT aus dieser gemeinsamen Struktur auszuklinken, da die Datensicherheit mittlerweile auch in einer gemeinsamen Infrastruktur hinreichend zu gewährleisten sei; ähnlich wird eine selbständige IT der Bibliotheken, jenseits der Verwaltung der bibliotheksspezifischen Dienste, nur in seltenen Ausnahmefällen als mittelfristig notwendig erachtet, wenn auf Grund technischer legacy Lasten vom allgemeinen Modell der Universität abweichende Plattformen notwendig sind.
Die prinzipielle Notwendigkeit der infrastrukturellen Konvergenz wird kaum bestritten. Interessant und bestätigend ist, dass ihre optimale Unterstützung in unterschiedlichen Gesprächen sowohl zur Begründung zentralistischer als auch bewusst und nachdrücklich dezentraler Organisationsmodelle angeführt wurde.
Der infrastrukturellen Konvergenz entspricht eine Konvergenz zwischen einzelnen Dienstleistungen, die derzeit noch getrennt angeboten werden. Danach ist zu erwarten, dass die IT-Dienste der Hochschulen in den nächsten Jahren aus drei großen Blöcken bestehen werden:
1. Einer Einrichtung, der die Medienverwaltung, Informationsbeschaffung und Medienproduktion obliegt, die die klassischen bibliothekarischen Aufgaben weiterführt, aber in den meisten Fällen wohl auch die Aufgaben, die sich aus der Open Access Bewegung bzw. der Medienproduktion ergeben, übernimmt.
2. Einer Einrichtung, die alle Dienste anbietet, die auf personenbezogenen Daten und Angeboten aufbaut. Hier sind erhebliche Konvergenzerscheinungen zwischen Campus-Management, Verwaltungs- und eLearning-Systemen erkennbar.
3. Einer Einrichtung, die das wissenschaftliche Rechnen – nach dem ursprünglichen Paradigma der Rechenzentren – betreut.
Unklar ist im Moment, wie sich das Verhältnis dieser Abteilungen zur Erbringung der oben angeführten Basisdienstleitungen gestalten wird. Verschiedene Modelle sind dabei zu beobachten:
a) Modelle, bei denen die Basis-IT-Infrastruktur durch das Hochschulrechenzentrum, das das eigentliche wissenschaftliche Rechnen betreut, unterstützt wird sowie
b) Modelle, bei denen die inhaltsagnostische Infrastruktur durch eine neugegründete Abteilung / Einrichtung übernommen wird, von der das wissenschaftliche Rechnen abgetrennt bleibt.
Aus der Sicht der einzelnen Hochschulen ergibt sich für uns das in Abbildung 2 wiedergegebene Modell, mit dessen Erreichung in den nächsten fünf Jahren in der Mehrzahl der Hochschulen zu rechnen ist.
Die Trennung in „Soc[ial] Lib / X“ und „Fach IT“ gibt dabei einen bereits beschriebenen Trend wieder, der neben der infrastrukturellen Konvergenz alle IT nutzenden Einrichtungen der Hochschulen in den nächsten Jahren prägen wird. Einerseits die Herausbildung von für den Erfolg einzelner Hochschuleinrichtungen sehr wesentlicher IT bezogener „technischer Kerne“, von deren Effektivität sowohl das Funktionieren und Ansehen der Hochschule sehr wesentlich abhängen wird; andererseits die stärkere Trennung aller Aspekte der einzelnen Einrichtungen, die eine soziale Kommunikation mit den Benutzern in den jeweiligen Hochschulen erfordern, von diesen technischen Kernen.
Abbildung 2: Ergebnis derzeitiger IT-Konvergenz innerhalb der Hochschulen
Das wird dazu führen, dass es sehr viel einfacher und naheliegender wird, technische Leistungen, die jetzt der Basisinfrastruktur einzelner Hochschulen zugeordnet werden, aus diesen auszugliedern. Sei es durch das Outsourcing – etwa im Bereich der Wartung von Arbeitsplatzgeräten –, sei es durch den Betrieb von gemeinsamen Infrastruktureinrichtungen durch mehrere Hochschulen – etwa im Bereich der „echten“ Langzeitspeicherung. Dass Cloud-orientierte Technologien – etwa im Sinne einer „Academic Cloud“ hier eine große Rolle spielen werden ist sicher; ob es zum vermehrten Einkauf von Leistungen aus einer allgemeinen kommerziellen Cloud kommen wird, scheint uns aus den bereits genannten Gründen zweifelhaft.
Abbildung 2 gibt, wie gesagt, das Ergebnis relativ kurzfristiger Entwicklungen wieder, die an allen von uns besuchten Hochschulen des Landes begonnen haben, freilich sehr unterschiedlich weit gediehen sind. Am wenigsten weit ist dabei in der Regel die Entwicklung eines einheitlichen, wirklich integrierten Hochschulportals. Unter einem solchen verstehen wir eine Nutzeroberfläche, die den Übergang zwischen einzelnen Komponenten transparent macht. Solche Komponenten sind – beispielsweise – die von den einzelnen Instituten betriebenen Homepages, die vom lokalen eLearning-System bereitgestellten Lehrmodule, die dazu benötigten digitalen Inhalte, die die Hochschulbibliothek anbietet, und die Belegungs- und Prüfungsinformationen, die ein von der Verwaltung verantwortetes Campusmanagementsystem kontrolliert. Dass diese Teilsysteme oft deutlich unterschiedliche Userinterfaces anbieten ist derzeit wohl vor allem eine Konsequenz aus der Vorgeschichte der Systeme, die ja zu einer Zeit ausgebildet wurden, als jedes der Teilsysteme auf einer abgetrennten Infrastruktur aufbaute.
Diese Zersplitterung des Informationsangebotes der Hochschulen halten wir für nachteilig, sowohl aus technischen, als auch aus strukturellen Gründen. Technisch führt die Uneinheitlichkeit zu erheblichen Synergieverlusten. Wenn beispielsweise Benutzerdaten in den verschiedenen Teilsystemen unterschiedlich vorgehalten werden. Diese technischen Gründe für die mangelnde Einheitlichkeit verlieren auf Grund der bereits beschriebenen Trends jedoch an Bedeutung: Sobald eine Universität ein einheitliches Identity Management betreibt, wird jedes Teilsystem ineffektiv und Quelle zusätzlicher Kosten, das nicht in der Lage ist, sich der Dienste dieses Identity Management zu bedienen.
Der strukturelle Nachteil dieser Zersplitterung ist schwieriger zu begründen; gleichzeitig ist er schwieriger zu überwinden. Der Mangel eines wirklich einheitlich aufgebauten und übergangslos integrierten Informationssystems der Hochschulen muss nicht unmittelbar zu Usability-Nachteilen führen: Benutzer des Internet haben im Jahre 2010 gelernt, dass es große Informationssysteme gibt, die unterschiedlich funktionieren: Innerhalb von eBay sucht man anders als innerhalb von Amazon. Ästhetische Vorteile eines durchgehenden Designs sollten auch keineswegs überschätzt werden: Google, Amazon, StudiVZ, Facebook, eBay gewinnen Ihre Benutzer durch ihre offensichtliche Nützlichkeit; keineswegs durch die hohen Designaufwendungen.
Man darf auch nicht übersehen, dass an einer Einrichtung, die die Zukunft mitgestalten soll – was unseres Erachtens eine konstitutive Aufgabe der Hochschulen ist – gerade im Bereich der Informationstechnologien eine gewisse Uneinheitlichkeit unvermeidbar ist. Experimentiert eine Professur aus eigenen Mitteln mit der Bereitstellung von digitalen Lehrmaterialien im Internet, fünf Jahre vor der Einführung einer fakultätsweiten Lösung, wirkt die Offerte bei der Einführung eines fakultätsweiten Angebotes beraten zu werden, wenig attraktiv. Denn dadurch kommen nur Kosten für den Ersatz einer vollfunktionalen Lösung durch eine Andere auf die Professur zu.
Trotz beider Einschränkungen halten wir die beschriebene übergangslose Integration der Informationsdienste einer Hochschule in ein übergreifendes Hochschulportal jedoch für unverzichtbar, um die Integration der unterliegenden Dienste nicht zu behindern. Synergien zwischen allen Anbietern von Informationsdienstleistungen sind leichter herbei zu führen, wenn von vorne herein klar ist, dass ein gemeinsames Angebot angestrebt wird. Und die Annahme, die eigene Abteilung brauche ein deutlich abgegrenztes Auftreten innerhalb des Informationsangebotes der Hochschule, führt vor allem anderen sehr leicht zur Konsequenz, dass auch die Bereitschaft der Fachabteilungen zur Verwendung gemeinsamer technischer Infrastrukturelemente sinkt.