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1. Vormärzliberalismus und Paulskirche

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„Die Verwirklichung der Gerechtigkeit und die Wirksamkeit der Strafgesetzgebung fordern ein Strafverfahren, welches auf dem Anklageprinzip, der Mündlichkeit, der Öffentlichkeit und dem Schwurgericht (…) beruht“[3]. Mit diesen Worten fasste Carl Joseph Anton Mittermaier (1787–1867) die rechtspolitischen Forderungen zusammen, die liberale Politiker und Rechtswissenschaftler seit dem frühen 19. Jahrhundert erhoben.[4] Der so beschriebene reformierte Strafprozess stand in direktem Gegensatz zum tradierten nichtöffentlichen, schriftlichen und mittelbaren Verfahren, das über Jahrhunderte in Deutschland Anwendung gefunden hatte.[5] Die Reform des Strafverfahrens stellte ein Politikum ersten Ranges dar, zumal die Vormärzliberalen auf der Etablierung von Schwurgerichten bestanden. Wie fernliegend das heute unangefochtene Institut der freien berufsrichterlichen Beweiswürdigung noch in den 1840er Jahren war, erhellt die Aussage Carl Theodor Welckers (1790–1869), wonach man abhängigen Richtern mit der Erlaubnis, nach ihrem subjektiven Meinen auf Indizien zu verurteilen, zugleich „die Ermächtigung zu Justizmorden“ gebe.[6]

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Während im Vormärz über die deutschen Partikularstaaten auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts eine „mächtige Kodifikationswelle“ hinweggegangen war[7], blieb der tradierte schriftlich-geheime Inquisitionsprozess rechtsrheinisch bis 1846/1848 unangetastet. Allein die frühkonstitutionellen Verfassungen boten mit ihrer Garantie von Justizgrundrechten einen gewissen „Kodifikationsersatz“.[8] In den linksrheinischen preußischen Rheinprovinzen, in Rheinhessen und der bayerischen Rheinpfalz blieb indes der von Frankreich implementierte reformierte Strafprozess, einschließlich des Schwurgerichts, auch nach Napoleons Niederlage in Kraft. Es bedurfte erst einer Revolution, um dem modernen Strafprozess im rechtsrheinischen Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen.[9] Die Frankfurter Reichsverfassung von 1849 übernahm die prozessualen Kernforderungen des Vormärzliberalismus: „Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein“ (§ 178 FRV), „In Strafsachen gilt der Anklagegrundsatz“ (§ 179 Abs. 1 FRV). Schwurgerichte sollten „jedenfalls in schwereren Strafsachen und bei allen politischen Vergehen“ (§ 179 Abs. 2 FRV) sowie „über Preßvergehen, welche von Amts wegen verfolgt werden“ (§ 143 Abs. 3 FRV) urteilen.

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