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V. Schwur- und Schöffengerichte
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Nahezu ausnahmslos hatten die deutschen Partikularstaaten gemeinsam mit dem öffentlich-mündlichen Strafprozess das Schwurgericht eingeführt. Die sachliche Zuständigkeit der Laiengerichte erstreckte sich auf die Aburteilung schwerer Delikte, worunter nach preußischer Gesetzgebung solche Verbrechen fielen, „welche in den Gesetzen mit einer härteren als dreijährigen Freiheitsstrafe bedroht sind“[61]. Zwölf Geschworenen oblag es, nach ihrer „freien aus dem Inbegriffe der vor (ihnen) erfolgten Verhandlungen geschöpften gewissenhaften Überzeugung“ über das Schicksal des Angeklagten zu entscheiden.[62] Mit Beginn der Restauration geriet das Schwurgericht in die Defensive. Österreich und Sachsen schafften es bereits 1853 bzw. 1855 ab, andere Staaten beseitigten seine Zuständigkeit für Pressevergehen und politische Delikte, einschließlich der im Vereins- und Versammlungsrecht enthaltenen Strafandrohungen.[63] Schon bald meldeten sich Stimmen zu Wort, die eine deutliche Abkühlung der Schwurgerichtsbegeisterung konstatierten oder das Institut als gefährliches „Vehikel der Demokratie“ denunzierten.[64] Ungeachtet aller Einwände bemühten sich die Befürworter, rechtssystematische Vorzüge zu belegen. Nur das Schwurgericht stehe, so Mittermaier, „in dem folgerichtigen Zusammenhang mit den Grundsätzen des neuen Strafverfahrens“[65]. Glaser sekundierte, wer ein „wahrhaft mündliches Verfahren und freie Beweiswürdigung will, der wird immer wieder dahin gelangen, in dem Geschworenengericht die bewährteste Form zu erkennen“[66]. Weil Berufsrichter Kenntnis der Untersuchungsakten besäßen, bestünde stets die Gefahr der Voreingenommenheit; es sei unmöglich, gegen eine vor der Verhandlung gewonnene Überzeugung anzukämpfen.[67]
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Die größte Gefahr drohte den Schwurgerichten durch das Aufkommen der Schöffengerichte. Die Besetzung der Richterbank mit Laien und Berufsrichtern schien der Weg zu sein, um den festgefahrenen Streit über die Vorzugswürdigkeit von Laien- oder Berufsrichtern zu überwinden. Seit 1850 etablierte eine Reihe deutscher Staaten, beginnend mit Hannover, „gemischte Gerichte“ zur Aburteilung von Kleinkriminalität. Weitergehend erstreckten Sachsen, Württemberg und Hamburg die Kompetenz des Schöffengerichts auf mittlere Kriminalität.[68] Auf positive Erfahrungen verweisend, wurde der Ruf nach Ersetzung der Schwurgerichte durch Schöffengerichte laut. Maßgeblichen Einfluss erlangten die Schriften des als „Vater der Schöffengerichte“[69] apostrophierten sächsischen Oberstaatsanwalts und Strafrechtsreformers Friedrich Oskar v. Schwarze (1816–1886).[70] Schwurgerichtsanhänger wandten ein, dass nicht ein vermeintliches „organisches Zusammenwirken“ die Arbeit des Schöffengerichts präge, sondern „Scheincollegialität“[71]. Die Berufsrichter gerieten aufgrund ihrer Aktenkenntnis und Eloquenz unweigerlich in Versuchung, Laien in die gewünschte Richtung zu lenken.[72]