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IV. Staatsanwaltschaft
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Die Doppelfunktion der Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsorgan und zur Objektivität verpflichteter „Wächter der Gesetze“ brachte die Preußische Verordnung vom 3. Januar 1849 exemplarisch zum Ausdruck: Staatsanwälte hatten einerseits „bei Verbrechen die Ermittlung der Thäter herbeizuführen und dieselben vor Gericht zu verfolgen“, andererseits „darüber zu wachen, dass bei dem Strafverfahren den gesetzlichen Vorschriften überall genügt werde“ und „nicht blos darauf zu achten, dass kein Schuldiger der Strafe entgehe, sondern auch darauf, dass Niemand schuldlos verfolgt werde“[52]. Preußische Staatsanwälte genossen keine richterliche Inamovibilität und konnten als „politische Beamte“ jederzeit ihrer Aufgaben entbunden oder in den Ruhestand versetzt werden.[53] Hinsichtlich der Kompetenzzuweisung wiesen die Partikulargesetze eine beträchtliche Variationsbreite auf.[54] Entgegen dem richtungweisenden preußischen Modell kannten Bayern, Hannover und Braunschweig staatsanwaltliche Mitwirkungsbefugnisse innerhalb der Zivilgerichtsbarkeit. Eine Abweichung von der streng hierarchischen Gliederung fand sich allein in Braunschweig, wo der einzelne Staatsanwalt gegen seine Überzeugung weder zu Untersuchungshandlungen noch zur Anklageerhebung angehalten werden durfte.[55] Die Durchführung einer gerichtlichen Voruntersuchung blieb bei schwerwiegenden Delikten obligatorisch, der Staatsanwaltschaft verblieben lediglich Aufsichts- und Antragsrechte. Während Untersuchungsrichter in Bayern auch von Amts wegen Ermittlungen aufnahmen, besaßen preußische Staatsanwaltschaften das uneingeschränkte Anklagemonopol. Rechtsmittel gegen untätige Staatsanwaltschaften standen in Preußen nicht zur Verfügung, während andere Staaten Vorformen eines Klageerzwingungsverfahrens kannten.[56]
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Das Reformschrifttum monierte erneut die unzureichende Verwirklichung des Anklagegrundsatzes. Um eine schädliche „Zwitterstellung“ zu vermeiden, müsse die Staatsanwaltschaft als Partei begriffen werden, wobei im Hauptverfahren „Waffengleichheit“ mit der Verteidigung herzustellen sei.[57] Zur Sicherung sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit forderten namhafte Autoren, die richterliche Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit auf Staatsanwälte zu erstrecken[58] sowie die Weisungsbefugnis des Justizministeriums aufzuheben.[59] Zu den Kernforderungen liberaler Kritiker zählte indes die Durchbrechung des staatsanwaltschaftlichen Anklagemonopols zugunsten einer subsidiären Privatklage des Verletzten oder der allgemeinen subsidiären Popularklage.[60] Strafverfolgung dürfe, insbesondere in politischen Fällen, nicht von der Initiative eines weisungsabhängigen Beamten abhängen.