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c) Die Unterscheidung von Delikten zum Schutz von Volks-, Betriebs- und Finanzwirtschaft bei Lampe

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Einen anderen Systematisierungsversuch unternimmt Lampe[35]: Er definiert das Wirtschaftsstrafrecht als die Summe jener Normen, die Strafen, Maßnahmen oder Geldbußen für wirtschaftlich schädliche Verhaltensweisen androhen[36]. Die Suche nach überindividuellen Rechtsgütern habe dazu geführt, dass einerseits wirtschaftliche Verstöße gegen einzelne Betriebe aus dem Wirtschaftsstrafrecht ausgeschlossen würden, und zum Ausgleich hinter fast jeder Verletzung individueller Wirtschaftsinteressen eine (notfalls abstrakte) Gefährdung gesamtwirtschaftlicher Interessen erblickt würde. Es sei daher notwendig, das Wirtschaftsstrafrecht sinnvoll einzugrenzen und schadens- bzw. opferorientiert auf vier Bereiche zu beschränken[37]: Zum Wirtschaftsstrafrecht zählen danach alle Delikte mit Bezug auf die Finanzwirtschaft, Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft und ihre einzelnen Zweige sowie alle Delikte mit Bezug auf die Allgemeinheit und die Verbraucher.

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Diese Systematisierung scheint gegenüber der zuvor dargestellten Aufteilung zunächst in der Tat einige Vorteile aufzuweisen: Das weite Feld der Rechtsgüter wird auf einige zentrale Fixpunkte beschränkt. In der Folge gewinnt das Wirtschaftsstrafrecht als eigenständige Rechtsmaterie an Übersichtlichkeit und scheint als spezielles Phänomen greifbarer zu werden. Zuletzt erlaubt es der im Grunde umfassende Ansatz bei den „wirtschaftlich schädlichen Verhaltensweisen“, auch die zentralen Tatbestände des Betrugs und der Untreue mit ihrer individualschützenden Funktion problemlos in das System des Wirtschaftsstrafrechts zu integrieren.

Mit der Begriffstrias Volks-, Betriebs- und Finanzwirtschaft nimmt Lampe eine Unterscheidung auf, die außerdem eine gewisse Entsprechung in den Wirtschaftswissenschaften findet[38]: Ein Strafrecht der Betriebswirtschaft bezieht sich auf das einzelne Unternehmen, genau wie die neoklassische Betriebswirtschaftslehre Gutenbergs eine Theorie der Unternehmung war[39]. Ein Strafrecht der Volkswirtschaft könnte sich auf diejenigen Straftaten beziehen, die die Ebene des einzelnen Unternehmens übersteigen. Die Strafnormen zum Schutz der staatlichen Finanzwirtschaft sollen die Funktionsfähigkeit des Finanzverkehrs sichern und könnten die wichtigsten Steuervergehen – also insbesondere die §§ 370 ff. der Abgabenordnung – in das Strafgesetzbuch integrieren. Damit würde die unglückliche Folge der bisherigen Gesetzgebung beseitigt, dass wesentliche Tatbestände zum Schutz der staatlichen Finanzausgaben in den §§ 263, 331 ff. StGB im Strafgesetzbuch geregelt sind, während sich die Vorschriften zum Schutz der staatlichen Finanzeinnahmen (abgesehen vom praktisch sehr bedeutsamen § 266a StGB) im Nebenstrafrecht am Ende der Abgabenordnung finden und zum Teil weitaus schärferen Haftungsmaßstäben unterliegen[40].

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Die von Lampe vorgeschlagene Systematisierung hat indessen einige erhebliche Nachteile: So fasst Lampe unter die Strafnormen zum Schutz der Volkswirtschaft neben den Tatbeständen zum Schutz des freien Wettbewerbs solche zum Schutz des Bank-, Versicherungs- und Börsenwesens und den allgemeinen Betrug gem. § 263 StGB[41]. Ein ähnliches Nebeneinander von klassischen Straftatbeständen des Kernstrafrechts und wirtschaftsstrafrechtlichen Sondertatbeständen findet sich bei den Delikten zum Schutz der Betriebswirtschaft. Darunter fallen sowohl spezielle Normen zum Schutz der Kreditfähigkeit oder einzelner Immaterialgüterrechte als auch der allgemeine Sachbeschädigungstatbestand des § 303 StGB oder die §§ 263, 253 StGB in der Form des Arbeitsbetruges und der Arbeitserpressung[42]. Lampe hält sich mit seiner Einteilung noch zu sehr an faktischen Kategorien auf und riskiert, dass Delikte, die typischerweise individualschützenden Charakter haben, wie zum Beispiel § 263 StGB, zu Delikten zum Schutz nebulöser Kollektivrechtsgüter, wie etwa der Volkswirtschaft, umgemünzt werden und damit ihre prägenden Konturen verlieren.

Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts

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