Читать книгу Kloster oder Kreuzfahrt - Margarete Wischnowski - Страница 11
ОглавлениеTag 3 – Seetag
Den zweiten Tag auf See beginne ich mit Frühsport an der frischen Luft auf Deck 9 direkt an der Reling mit Fitnesstrainer Franky. Mit Ausblick auf das Meer machen mir die sportlichen Übungen besonderen Spaß. Franky ist ein sympathischer junger Mann, der es versteht, uns humorvoll in sein Fitnessprogramm einzubinden. Obwohl ich bei jeder Gelegenheit gern und ausgiebig ausschlafe, beschließe ich, in den kommenden Wochen möglichst oft am Frühsport teilzunehmen.
Im gestrigen Tagesprogramm wurde für heute ein Qi Gong-Kurs angeboten. Von dieser körperlichen und geistigen Entspannungsübung habe ich bisher nur gehört, aber noch keine Erfahrungen damit sammeln können. Jetzt habe ich Zeit und möchte die Gelegenheit nutzen. Der Kursleiter heißt Helmut und ist ein Mann im fortgeschrittenen Alter. Im Nachhinein erfahre ich, dass er schon seit 20 Jahren in verschiedenen Positionen auf den Schiffen der Phoenix-Reederei tätig ist. Er erzählt mir, dass er vor Jahren große gesundheitliche Probleme hatte und Qi Gong sein Leben positiv verändert hat. Man merkt sofort, dass er die Qi Gong-Übungen aus innerer Überzeugung lehrt. Ich fühle, das ist etwas, was mir guttut und freue mich schon auf das nächste Mal.
Nach einer erfrischenden Dusche schlendere ich zum Lido-Deck, dort findet laut Tagesprogramm der maritime Frühschoppen statt. Mit Tellern, gefüllt mit frischen Austern, einem Glas Sekt, Bier oder anderen Getränken sitzen bereits viele der Mitreisenden an Biertischen und auf Bänken. Zudem schwingen bei flotter Rock and Roll-Musik einer Liveband schon mehrere Gäste und einzelne Crewmitglieder das Tanzbein. Man kann erkennen, wie diese Aktivität gerade bei der älteren Generation als Jungbrunnen dient. Ich halte mich auch hier wieder bewusst zurück und bin zufrieden, das Treiben aus der Ferne beobachten zu können.
In Comedy-Sendungen wird zwar immer mal wieder über den Altersdurchschnitt auf Kreuzfahrschiffen gelästert und die Schiffe werden scherzhaft als „Mumienschlepper“ bezeichnet. Ich fühle mich aber mit meinen 55 Jahren ausgesprochen wohl an Bord und habe bemerkt, dass ich mich seit der Einschiffung auch um einige Jahre verjüngt habe.
Genau jetzt ist es richtig und wichtig für mich, diese Reise zu unternehmen. Ich bin gesundheitlich etwas angeschlagen, doch im Großen und Ganzen körperlich fit. Die Urlaubsziele rund um meine Heimat hebe ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf.
Das heutige Tagesprogramm bietet noch eine Vielzahl von Aktivitäten, die mich interessieren. So gehe ich gegen 15 Uhr zu „Entspannung nach orientalischer Art“. Gemäß dem Motto: „Wenn schon Sport, dann ordentlich“ schließe ich mich gegen 18 Uhr bei der Reling-Gymnastik weiteren Sportbegeisterten an.
Nach so viel sportlicher Betätigung habe ich Verlangen nach meiner Balkonkabine. Mittlerweile habe ich meine drei Koffer vollständig ausgepackt und mich wohnlich eingerichtet. Am Rande sei erwähnt, dass meine fürsorgliche Kabinenstewardess Blenda gleich am ersten Tag etwas irritiert bemerkte, dass für meine drei Koffer unmöglich Platz in meiner Kabine sei und sie diese – wenn ich ausgepackt hätte – außerhalb meiner Kabine deponieren würde. Dieses Angebot nehme ich gerne an, denn bei einer Kabinengröße von etwa
20 Quadratmetern lohnt es sich, jeden noch so kleinen Stauraum nutzen zu können. In einem der drei Koffer hatte ich etliche Weihnachtsartikel mitgebracht und habe gleich heute meine Kabine weihnachtlich geschmückt. Als Blenda am nächsten Tag in meine Kabine kommt, ist sie von meiner Dekoration hellauf begeistert. LED-Kerzen sind erlaubt und eine Weihnachtskette mit vielen kleinen Kerzen taucht die Kabine in stimmungsvolles Licht. Ich merke, es wird von Stunde zu Stunde gemütlicher in meinem „Kabinen-Schneckenhaus“. Auch mein USB-Stick mit Weihnachtsliedern trägt zu meiner weihnachtlichen Stimmung bei. Etwas melancholisch wird mir abends, als die „Artania“ geradeaus in den orangeglühenden Sonnenuntergang hineinfährt. Wie werde ich mich wohl morgen fühlen, wenn ich – ohne die Familie – Heiligabend an Bord verbringe.