Читать книгу Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman - Marie Louise Fischer - Страница 10
ОглавлениеHelmut Stadelmann stürmte zur Kanzlei Dr. Brocksieper. Obwohl es eine Weile dauerte, bis er vorgelassen wurde – der Rechtsanwalt hatte sich gerade mit dem letzten Klienten des Tages befaßt und wollte danach Schluß machen –, kochte er immer noch.
»In eine feine Situation haben Sie mich da gebracht«, schimpfte er, »ich wollte von Anfang an nicht, erinnern Sie sich, aber Sie haben ja darauf bestanden!«
»Ruhe, bitte, immer mit der Ruhe!« mahnte Dr. Brocksieper; er wirkte tadellos gepflegt wie immer, nur die leichte Rötung seiner Bindehaut verriet, daß er einen langen Tag hinter sich hatte. »Ich möchte bloß wissen, was für eine Detektei das ist, die Sie beauftragt haben! Ich habe Ihnen doch von Anfang an gesagt: meine Frau ist nicht dumm. Aber Sie haben sie unterschätzt. Sie hat die Sache sofort durchschaut. Und wie stehe ich jetzt da!?«
Dr. Brocksieper hätte ihn darauf aufmerksam machen können, daß er momentan, breitbeinig im Raum stehend, mit hochrotem Kopf, zerzaustem Haar und verrutschter Krawatte, tatsächlich keine gute Figur machte. Doch er fragte milde: »Ist es Ihnen denn wirklich noch so wichtig, was Ihre Frau von Ihnen hält?« »Glauben Sie etwa, es wäre mir angenehm, wie ein Idiot dazustehen?«
»Weil Sie versucht haben, ihr auf die Schliche zu kommen? Nein, wirklich, daran kann ich nichts Abträgliches finden. Daß es uns nicht gelungen ist, das ist einfach Pech. Es ist ganz gut, daß Sie heute zu mir gekommen sind. Bitte, setzen Sie sich doch. Ich habe den Bericht der Detektei vorliegen.« Mit einer geschickten Bewegung seiner einzigen, der linken Hand, schlug er die Akte Stadelmann gegen Stadelmann auf, die die Kanzleivorsteherin hereingebracht hatte, und blätterte sie nach hinten durch.
Helmut warf sich in den Sessel gegenüber dem Schreibtisch und streckte die langen Beine von sich. »Ich kann mir schon denken, was drinsteht: nämlich gar nichts oder eine Menge Blablabla.« »Sie haben recht«, sagte der Rechtsanwalt, »die Ermittlungen haben nichts ergeben. Es sieht so aus, als wenn Ihre Gattin keinerlei Beziehungen unterhielte . . . oder sie doch rechtzeitig auf Eis gelegt hat. Es liegt nun an Ihnen, ob Sie tiefer bohren . . . «
»Nein!«
»Sie haben selbstverständlich zu bestimmen.«
»Das Ganze war von Anfang an ein Unfug.«
»Da bin ich entschieden nicht Ihrer Meinung. Wenn es um sechsunddreißigtausend Mark geht, kann man sehr wohl ein paar Hunderter riskieren, um sich vor einer so exorbitanten Forderung zu schützen. Aber, bitte, ich will mich nicht mit Ihnen streiten. Sie kennen Ihre Frau besser als ich.«
»Das kann man wohl sagen! Wenn Sie bloß nicht auf diese verrückte Idee mit der Detektei gekommen wären!«
»Ich finde sie nach wie vor nicht verrückt, lieber Herr Stadelmann, und ich muß Ihnen auch mit aller Deutlichkeit sagen, daß ich Ihnen das Recht abspreche, mir in dieser Angelegenheit Vorwürfe zu machen.« Dr. Brocksiepers Stimme klang beherrscht und gelassen wie immer. »Ich habe versucht, Ihr gutes Geld zu retten.«
»Aber mit den falschen Mitteln!«
»Interessant.« Der Rechtsanwalt lehnte sich zurück und strich sich mit der Hand über das Kinn, als wolle er prüfen, ob er sich heute abend noch einmal rasieren müßte. »Dann scheinen Sie ja bessere Vorschläge in petto zu haben.«
»Man müßte ihr den Kopf zurechtsetzen.«
»Haben Sie das nicht schon versucht?«
»Nicht ich. Ein Außenstehender.«
»An wen denken Sie da? An ihre Mutter vielleicht? Steht sie auf Ihrer Seite?«
»Keine Ahnung«, mußte Helmut zugeben.
»Das scheint also auch nicht das Richtige zu sein. Wissen Sie sonst noch jemanden, der Ihre Frau in Ihrem Sinne beeinflussen könnte?«
Helmut schwieg, die Lippen zusammengepreßt.
»Es lohnt sich immerhin, darüber nachzudenken«, sagte Dr. Brocksieper entgegenkommend. »Nur sind wir inzwischen in einen gewissen Zugzwang geraten. Der Anwalt Ihrer Gattin schlägt ein Gespräch unter acht Augen vor. Ihre Gattin, Sie, der Kollege Günther und ich sollten uns zu einer Aussprache zusammenfinden. Ich halte das für keine schlechte Idee. Es wäre eine Möglichkeit, unsere Standpunkte zu vertreten.«
»Aber wenn sie nicht nachgibt?«
»Nun . . . « Der Rechtsanwalt hob die Hand und ließ sie mit einer resignierenden Geste fallen, » . . . dann müssen wir es tun.«
»Niemals!« Helmut sprang auf.
»Mein lieber Herr Stadelmann, so begreifen Sie doch endlich Ihre Situation: Ihre Frau hat das Recht auf ihrer Seite. Wenn wir überhaupt noch etwas herausschinden können, dann nur, indem wir ihr entgegenkommen. Ihr wird ja auch nichts daran liegen, vor Gericht nach ihrem Intimleben befragt zu werden. Das können wir ihr ersparen, indem Sie die Schuld ohne Widerspruch auf sich nehmen.«
»Aber warum sollte ich das?!«
»Das habe ich Ihnen gerade erklärt«, sagte der Anwalt geduldig.
»Weil Sie keinen Vorteil davon hätten, es nicht zu tun. Wollen Sie es wirklich so weit kommen lassen, daß dieses . . . « – er blätterte in der Akte – » . . . Fräulein Susanne Dinkler als Zeugin befragt wird? Eine unangenehme Geschichte für die Dinkier, für Sie und auch für Ihre Frau.«
»Das ist mir egal.«
»Aber es wäre unvernünftig. Wie die Dinge liegen, kann es Ihnen auch nichts nützen, wenn Sie sie zum Äußersten treiben. So erhöhen Sie nur die Gerichtskosten. Am Urteil selber ist damit nicht zu rütteln.«
Helmut kam näher, beugte sich über den Schreibtisch und fragte, fast flehend: »Können wir die Sache nicht wenigstens noch hinausziehen? Müssen Sie diesen Brief denn gleich beantworten? Vielleicht fällt mir doch noch was ein . . . «
Dr. Brocksieper schüttelte den Kopf. »Auch eine Verzögerungstaktik würde letzten Endes doch nur wieder gegen uns sprechen. Nein, Herr Stadelmann, Sie haben keine Wahl mehr: Sie müssen es durchstehen.«