Читать книгу Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman - Marie Louise Fischer - Страница 17
ОглавлениеNoch zweimal in dieser Woche fuhr Martina nach Düsseldorf-Benrath. Sie scheuerte die Böden ihres kleinen Hauses, putzte die Fenster und hängte Vorhänge und Gardinen auf.
Stefan begleitete sie, und wenn er ihr auch keine Hilfe war, so gab es ihm doch Gelegenheit, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden.
Claudia weigerte sich mitzukommen, und Martina beließ es dabei. Aber sie bestimmte das zweitschönste Zimmer im Haus für ihre Tochter, einen hellen, fast quadratischen Raum. Mit dem duftenden Jasminstrauch vor dem Fenster, so dachte sie, mußte jedes Mädchen sich wohl fühlen.
Auf ein Wohnzimmer wollte sie verzichten. Jeder von ihnen, Claudia, Stefan und sie selber, sollte sein eigenes Zimmer haben, zum Wohnen und zum Schlafen, sie selber natürlich das größte, das mit dem selbstgebastelten Regal, das ihr schon bei der ersten Besichtigung so gut gefallen hatte. Essen wollte man in der Küche.
Stefan gefiel das Häuschen, und als er dann noch entdeckte, daß in dem Haus hinter der hohen Gartenmauer ein Junge in seinem Alter wohnte, Dieter Schwarzenbach, schienen für ihn alle Probleme gelöst.
Martina war sehr erleichtert, denn mehr als ein schwieriges Kind wäre für sie, gerade in der augenblicklichen Situation, zuviel gewesen.
Beide, Mutter und Sohn, schilderten Claudia das neue Heim, auch den nahe gelegenen schönen Schloßpark und das Rheinufer, in leuchtenden Farben, aber Claudia blieb ablehnend, auch noch am Sonntagmorgen, als der Vater kam.
Martina hatte die Koffer gepackt, sich ein paar Kisten und Holzwolle besorgt, und so war die Wohnung schon am Abend zuvor kahl geworden. Jetzt aber, als Helmut die Teppiche zusammenrollte, Stehlampe, Sessel und Couch nacheinander im Lieferwagen verschwanden, wurde es sogar Stefan bänglich zumute.
»Ich glaube, ich kann heute doch nicht verreisen«, sagte er, und seine Stimme klang belegt.
Martina musterte ihn. Er war sehr blaß, und seine braunen Augen wirkten unnatürlich schwarz.
»Ist dir nicht gut?« fragte sie erschrocken.
»Mein Bauch tut weh.« Stefan preßte die Hände vor den Magen.
»Ausgerechnet jetzt!« rief Martina, ärgerte sich aber gleich darauf über ihren Mangel an Mitgefühl. »Paß mal auf«, sagte sie, »dann legst du dich erst mal in Vaters Bett, und ich bringe dir eine Wärmflasche.«
»Und ich muß nicht weg?«
»Ach, Stefan, du bist doch kein Baby mehr. Natürlich müssen wir weg, das ist beschlossene Sache. Und du weißt, wie hübsch wir es in Düsseldorf haben werden.«
»Schon«, gab Stefan zu und sah sich in der trostlos leeren Wohnung um. »Aber hier sind wir doch zu Hause.« Er spürte, daß ein Abschnitt seines Lebens unwiderruflich zu Ende ging.
Martina strich ihm durch die braunen Locken. »Wir werden es uns schon gemütlich machen,«
Sie wollte Stefan im Lieferwagen mit Helmut nach Düsseldorf schicken, dabei hätte er sich die Wärmflasche vor den Bauch halten können, aber Claudia weigerte sich entschieden, die Mutter im Zug zu begleiten. »Nein, das tue ich nicht«, erklärte sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Entweder fahre ich mit Vati oder gar nicht.«
»Aber Stefan ist krank! Nimm doch mal Rücksicht!«
»So krank wie der bin ich schon lange.«
»Komm, komm, Kleines«, mischte Helmut sich ein, »sei vernünftig.«
»Aber ich bin vernünftig! Vernünftiger als ihr! Warum soll ich überhaupt mit nach Düsseldorf? Ich bleibe ja doch nicht da. Nimm ihn ruhig mit, Vati! Ich warte hier auf dich.«
»Du mußt verrückt sein«, rief Martina, »du bildest dir doch nicht im Ernst ein, du kannst bei deinem Vater bleiben? Du hast hier ja nicht einmal mehr ein Bett!«
»Du wirst es schon sehen.«
Martina gab nach. Die Auseinandersetzung fand vor dem Haus auf der Straße statt. Sie wollte den Nachbarn nicht zum Abschied noch eine Sondervorstellung des Familientheaters geben. »Na schön, fahr mit Vati«, sagte sie. »Bis später dann.« Sie packte Stefan bei der Hand und zog ihn, ohne die Abfahrt des Autos abzuwarten, in Richtung Bahnhof mit sich.
An der Ecke Friedrich-Ebert-Straße passierte es dann: ohne Vorwarnung erbrach sich Stefan auf dem Bürgersteig. Das hastig verschlungene Frühstück kam wieder zum Vorschein.
»Auch das noch!« rief Martina.
In der Damentoilette des Bahnhofs wusch sie ihm das Gesicht und ließ ihn sich den Mund ausspülen.
»Hättest du’s nicht noch bis hierher halten können?«
»Hab’s versucht, aber es ging nicht.«
Martina rang sich ein Lächeln ab. »Schon gut, Knüsel, du warst sehr tapfer. Bloß – du mußt verstehen . . . ich bin eben auch ein bißchen nervös heute.«
»Schon kapiert, Mutti.« Vertrauensvoll griff er nach ihrer Hand. Sein Gesicht hatte wieder Farbe bekommen, und als der Zug in den Hauptbahnhof Düsseldorf einfuhr, bekannte er: »Weißt du was, Mutti? Ich hab’ einen furchtbaren Hunger!«
»Ich auch!« bekannte Martina. »Wenn wir erst zu Hause sind . . . nein, ich weiß was Besseres. Wir steigen am Graf-Adolf-Platz aus und suchen uns ein schönes Café auf der Königsallee.«
»Au ja!« rief Stefan erfreut, fügte aber gleich darauf hinzu: »Aber die anderen? Was werden die sich denken?«
»Die wissen ja gar nicht, welchen Zug wir erwischt haben. Sollen sie ruhig auf uns warten oder schon anfangen auszupacken. Vati hat ja den Schlüssel!«
So kam es, daß Mutter und Sohn im »Café Hemesath«, das angesichts des schönen Frühlingstages schon Tische und Stühle ins Freie gestellt hatte, bei Bohnenkaffee, Kakao, Torte und Schlagsahne ihren Einzug in Düsseldorf feierten.