Читать книгу Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman - Marie Louise Fischer - Страница 16

Оглавление

Helmut kam noch am gleichen Abend, von den Kindern stürmisch begrüßt, und die Geschiedenen einigten sich diesmal ohne Schwierigkeiten. Martina überließ Helmut die Einrichtung der Küche, das Doppelschlafzimmer und, wenn auch mit einigem Bedauern, die Wohnwand. Auch auf den nierenförmigen Tisch verzichtete sie. Mitnehmen wollte sie nur das Mobiliar aus dem Kinderzimmer, Teppiche, Sessel, die Couch und die Stehlampe, auch Wäsche, Geschirr, Töpfe und Bücher. Es würde ein kleiner Umzug werden.

»Eigentlich«, sagte sie, »brauche ich gar keine Spedition dazu. Mit einem Kombiwagen müßte es zu schaffen sein.« Als er schwieg, legte sie mit einer Geste ungewohnter Zärtlichkeit ihre Hand auf die seine. »Wenn mir einer dabei helfen würde.«

»Ja, das kann schon sein«, erklärte er ungerührt.

Sie blickte ihn beschwörend an. »Helmut, bitte, willst du es nicht tun? Wir könnten es Sonntag machen.«

»Du meinst, daß ich da nichts Besseres vorhabe?«

»Was Nützlicheres bestimmt nicht. Du warst doch sonst immer so fürs Sparen.«

»Ja, aber nicht zugunsten anderer.«

»Es ist doch dein Geld, Helmut, es kommt von dir. Du wirst doch nicht wollen, daß ich es für nichts und wieder nichts verplempere?«

Da er immer noch nicht auf ihren Wunsch einging, fügte sie drängend hinzu: »Denk doch auch mal daran, daß jetzt verschiedene Anschaffungen für den neuen Haushalt auf mich zukommen, und das nur, weil ich bei der Teilung so großzügig war.«

»Du bist gut!« rief er. »Für wie blöd hältst du mich eigentlich?! Du hättest doch am liebsten alles mitgenommen, wenn du es nur hättest verwenden können.«

»Oh, ich hätte ja die Wohnwand zum Beispiel – sie ist noch so gut wie neu – auch für mich beanspruchen und dann verkaufen können. Der Umzug wäre dabei schon für mich herausgesprungen.«

»Das wäre gegen die Abmachung gewesen!«

»Du hättest es ja gar nicht zu merken brauchen.«

»Deine Logik ist wieder mal überwältigend. Ich gebe mich geschlagen.«

»Du machst es also? Oh, Helmut, das ist wirklich lieb von dir! Du besorgst das Auto, ja? Für die Kosten und das Benzin komme ich natürlich auf.« Sie lief in die Küche, holte eine Flasche kaltes Bier aus dem Eisschrank und schenkte ihm, um ihn bei guter Laune zu halten, noch einmal nach. »Da ist übrigens noch etwas . . . «

»Ja?«

»Ich brauche jetzt das Geld.«

»Sobald du wirklich hier raus bist.«

»Also gut. Ich werde noch diese Woche in Düsseldorf ein Konto eröffnen. Wahrscheinlich bei der Dresdner Bank, die hat eine Filiale ganz in der Nähe von Heerdegen. Du kannst es mir dann überweisen.«

Mit diesem Vorschlag zeigte er sich einverstanden.

Bald darauf ging er ins Kinderzimmer, um sich zu verabschieden. Stefan nahm den Kuß, den er ihm auf die Wange drückte, gelassen hin, aber Claudia regte sich wieder sehr auf.

»Geh nicht weg, Vati, geh nicht weg!« Sie klammerte sich wie eine Verzweifelte an ihn. »Warum mußt du denn immer Weggehen?!«

»Schon gut, schon gut, Kleines.« Von ihrem Überschwang eher unangenehm berührt, streichelte er ihr über das glatte blonde Haar. »Wir sehen uns ja schon am Sonntag wieder.«

»Ist das wahr?«

»Ja. Ich bringe eure Sachen nach Düsseldorf.«

»Aber ich will nicht nach Düsseldorf!«

Er löste ihre mageren Ärmchen von seinem Hals. »Darüber sprichst du am besten mit deiner Mutter.«

Martina brachte ihren geschiedenen Mann zur Wohnungstür. Sie hielt Claudia fest, damit sie ihm nicht nachlief, obwohl sie nicht annahm, daß sie das ernstlich vorhatte.

»Mach um Himmels willen nicht so ein Theater!« mahnte sie.

»Was soll denn das?«

»Aber ich will nicht, daß Vati weggeht . . . ich will es nicht!«

»Beruhige dich, bitte! Das ist doch alles halb so schlimm!«

»Für dich vielleicht! Aber nicht für mich!« Claudias Gesicht war verzerrt vor Schmerz und naß vor Tränen.

Martina ärgerte sich über sich selber, weil sie wieder einmal mehr denken mußte, wie schade es war, daß das kleine Mädchen so sehr nach ihrem Vater geriet und nichts von ihr mitbekommen hatte. Immerhin sprach sie es nicht aus. »Weißt du was«, schlug sie vor, »ich glaube, wir müssen uns wirklich mal zusammensetzen und in Ruhe miteinander reden. Ich werde euch einen Kakao kochen, ja?«

»Prima, Mutti!« rief Stefan begeistert, während Claudia, für die das Beruhigungsgetränk eigentlich gedacht war, weiter schluchzte, als habe sie gar nichts gehört.

Martina schickte die Kinder in ihr Zimmer und versprach, ihnen den Kakao ans Bett zu bringen. »Wie gut, daß ihr aus diesem Kabuff herauskommt«, sagte sie, als sie das Tablett hereintrug, »in Düsseldorf kriegt endlich jeder ein Zimmer für sich allein.«

»Aber ich will nicht nach Düsseldorf!« Claudia hatte das kleine, noch unausgebildete Kinn trotzig vorgeschoben.

»Du fängst an, dich zu wiederholen.« Sie stellte das Tablett auf den rechteckigen Tisch, an dem die Geschwister, einander gegenüber sitzend, ihre Schularbeiten zu machen pflegten.

Stefan, in einem ausgewachsenen Schlafanzug und in Pantofeln, war zu ihr gelaufen und schnupperte erwartungsvoll. Martina schenkte ihm eine Tasse ein und trug die andere Tasse dann auf dem Tablett zu Claudia.

Das Mädchen, das blonde Haar für die Nacht zu Zöpfen geflochten, sah in dem Hemdchen, das ihre Magerkeit noch betonte, sehr kindlich und sehr verletzlich aus.

Martina stellte ihr das Tablett auf den Schoß und setzte sich zu ihr auf den Bettrand. Sie wußte, daß sie das Gespräch mit ihren Kindern nun endlich hinter sich bringen mußte, aber es fiel ihr schwer, die rechten Worte zu finden.

»Grundsätzlich, Claudia«, sagte sie, »verstehe ich natürlich – glaub nicht, daß ich das nicht verstehe! –, daß unsere Scheidung euch vor Probleme stellt.«

»Warum mußtest du das tun, Mutti? Warum?« rief Claudia anklagend, und schon wieder begannen die Tränen zu laufen.

»Weil euer Vater mich nicht mehr liebhat, weil er eine andere Frau liebt«, sagte Martina und kam sich bei dieser Erklärung sehr verloren vor.

Claudia starrte sie ganz entgeistert an, aber wenigstens versiegten ihre Tränen.

»Aber . . . darf man das denn? Ein Mann darf doch nur eine Frau haben.«

»Ganz richtig. Deshalb steht ja auch das Gesetz auf meiner Seite.«

»Na, siehste«, ließ Stefan sich vom Tisch her vernehmen, »habe ich dir doch immer gesagt, daß Vati ’ne Freundin hat. Aber du hast’s nicht glauben wollen.«

»Hat er dich denn gar nicht mehr lieb, Mutti?«

»Nein, Kind, er hat mich nicht mehr lieb. Und ich wollte nicht mit einem Mann Zusammenleben, der sich nichts mehr aus mir macht.«

»Aber er ist mein Vater! Und mich hat er lieb! Das weiß ich!«

»Gewiß hat er dich lieb. Auch Stefan natürlich. Und daran wird sich auch nichts ändern. Aber Vati und ich sind nun einmal geschieden, das ist eine Tatsache.«

Claudia schwieg.

»Trink deinen Kakao, bevor er kalt wird.«

»Kann ich noch was haben?« fragte Stefan.

»Es ist noch ein Rest in der Kanne.«

Claudia trank in kleinen Schlucken.

»So ist es nun mal, Schätzchen«, sagte Martina. »Schlimm für dich, ich weiß. Aber es hat auch seine guten Seiten. In Düsseldorf kriegen wir ein kleines Haus mit einem Stück Garten, in dem ihr spielen könnt . . . «

»Nicht schlecht!« Stefan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.

»Ich will nicht nach Düsseldorf!«

»Du wirst es müssen, Liebling. Weil du bei mir bleiben mußt. Oder würdest du lieber in ein Internat gehen? Das glaube ich nicht. Ganz davon abgesehen, daß dein Vater kaum das Geld dafür aufbringen könnte.«

»Ich will bei Vati bleiben.«

»Will Vati, daß wir nach Düsseldorf ziehen?« Stefan begann die Tasse auszulecken.

»Ja. Auch. Es wäre auch für ihn nicht angenehm, wenn wir uns auf Schritt und Tritt begegnen würden. Das wäre aber in einer kleinen Stadt wie Dinslaken unausweichlich.«

»Wahrscheinlich«, sagte Stefan genüßlich, »will er jetzt seine Freundin fein ausführen, und da wär’s ihm peinlich, wenn wir ihn auf der Straße grüßen. ›Sag mal, was sind denn das für Kinder?‹ würde die vielleicht fragen, und was soll er dann . . . «

Zuerst war Martina amüsiert gewesen – es kam selten genug vor, daß Stefan Phantasie entwickelte –, dann versuchte sie seinen Redefluß zu unterbrechen. »Na, na! Nun übertreibst du aber! Er würde euch doch nie . . . «

In diesem Augenblick flog Claudias Tasse quer durch den Raum und knallte, einen guten Meter neben Stefans Kopf, an die Wand.

Der Junge hatte sich nicht einmal geduckt. »Zielen muß gelernt sein!« sagte er nur.

»Ein Segen, daß jeder bald sein eigenes Zimmer hat«, meinte Martina. Sie stand auf, um sich den Schaden zu besehen; die Tasse war noch nicht leer gewesen und hatte einen kräftigen braunen Spritzer auf der Tapete hinterlassen. »Ein schönes Andenken für deinen Vater. Hol mal schnell Besen und Kehrblech. Ich hoffe, du hast jetzt genügend Dampf abgelssen.«

Claudia sagte nichts, aber als Martina ein wenig später den Arm um sie legte, machte sie sich abwehrend steif. Martina hatte das Gefühl, daß diese so lange aufgeschobene Aussprache nichts geändert hatte.

Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman

Подняться наверх