Читать книгу Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman - Marie Louise Fischer - Страница 19

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Die nächsten Tage verbrachte Martina damit, ihr Haus so wohnlich wie möglich zu gestalten.

Auf der Bank erfuhr sie, daß Helmut ihr die Abfindung tatsächlich überwiesen hatte. Sie besaß 36 000 DM und fühlte sich reich. Jetzt konnte sie Dr. Scholz den Baukostenzuschuß überweisen und sich auch einige Einrichtungsgegenstände kaufen, die ihr noch fehlten: einen Tisch für ihr Wohnzimmer, einen Schreibtisch für Stefan und ein Radio, denn den alten Apparat hatte sie Helmut überlassen.

Das Einrichten und Einkaufen machte Spaß, und als Ostern kam, hatte Martina alles so, wie sie es haben wollte: sehr einfach und etwas provisorisch zwar, aber hübsch.

Ostern war das erste Fest, das sie ohne ihren Mann und ihre Tochter feierte. Sie hatte es sich sehr fröhlich vorgestellt, und es fing auch ganz vergnügt an. Ganz früh war sie aufgestanden, um die bunten Eier für Stefan im Garten zu verstecken, und sie suchten sie später unter großem Hallo. Danach frühstückten sie ausgiebig, mit Eiern und selbstgebackenem Napfkuchen, brachten die Küche in Ordnung, legten die Betten aus und unternahmen anschließend einen langen Spaziergang, quer durch den Park des Benrather Schlosses und dann am Rhein entlang. Wieder zu Hause, machte Martina sich daran, das Mittagessen zu bereiten. Statt des früher üblichen Bratens gab es panierte Schnitzel und Kartoffelsalat, Stefans Lieblingsgericht, und zum Nachtisch Eis. Sie waren noch dabei, die Küche aufzuräumen, als Dieter Schwarzenbachs roter Schopf oben auf der Mauer zum Nachbargrundstück erschien.

»Komm rüber, Stefan!« rief er durch das weit offene Küchenfenster. »Wir wollen eierlaufen!«

Martina ließ den Jungen nicht gerne gehen; sie hatte sich den Ostersonntag mit ihm so schön ausgemalt. »Möchtest du denn gern?« fragte sie zögernd.

»Wenn du lieber willst, daß ich bei dir bleibe . . . «, entgegnete Stefan höflich. Aber es war ihm anzusehen, wie schwer es ihm fiel. Martina überwand sich. »Aber nein . . . warum denn?«

Daß Stefan ihr daraufhin einen raschen Kuß gab, zeigte ihr deutlicher, als ein Wort vermocht hätte, wie froh er war, davonzukommen. Das tat weh, aber sie wußte, daß dieser Schmerz mütterlicher Egoismus war und ließ ihn sich nicht anmerken. »Klettere nicht über die Mauer!« rief sie ihm nach. »Nicht in deinen guten Sachen, hörst du? Lauf außen rum.«

Dann war sie allein. Sie filterte zwei Tassen Kaffee, stellte sich den alten Liegestuhl – auch ein Überbleibsel der Vorbesitzer – auf einen Platz in der Sonne, nahm ein Buch in die Hand und machte es sich gemütlich. Sie konnte sich kaum erinnern, daß sie am hellen Tag einmal Zeit für sich selber gehabt hatte. Aber sie konnte nichts Rechtes damit anfangen. Zwar war sie nicht unglücklich, dazu war das Bewußtsein, vor einem neuen Anfang zu stehen, doch zu stark, aber sie fühlte sich sehr allein.

Vom Nachbargrundstück klangen fröhliche Stimmen herüber; Stefan amüsierte sich prächtig ohne sie. Claudia hatte auf das Zusammenleben mit ihr sogar ganz verzichtet. Es gab niemanden, der sie brauchte.

Sonst hatte sie die Osterfeiertage immer im Kreis der Familie verlebt. Am Sonntag waren sie zu den Schwiegereltern, am Montag nach Essen gefahren. Ohne Spannungen und Reibereien war das allerdings nie abgegangen, und mehr als einmal hatte sie den Alltag, an dem Helmut tagsüber außer Haus war, herbeigesehnt.

Wünschte sie sich also in die Familie zurück? Bestimmt nicht. Sie hätte ja auch mit Stefan ihre Mutter und Großmutter besuchen können, aber dazu hatte sie keine Lust gehabt. Was war es also dann? Sie fühlte sich isoliert. Frau Gardener hatte ihr zwar einen kurzen Besuch gemacht, ohne jedoch anzudeuten, daß sie einen nachbarschaftlichen Verkehr wünschte. Irene Klose hatte sich, seit sie eingezogen war, noch nicht gemeldet und war sicher froh, endlich mal Zeit für ihren Mann zu haben. Sonst kannte sie niemanden hier. Von Dr. Scholz hatte sie nicht einmal die Adresse. Sie hätte auch niemals den Mut gefunden, ihn einfach anzurufen.

Sollte sie die Nummern der jungen Frauen durchgehen, mit denen sie auf der Kosmetikschule gewesen war? Das wäre doch läppisch! Mit keiner von ihnen stand sie so gut, daß ihr tatsächlich etwas an ihrer Gesellschaft gelegen hätte.

Alleinsein, das erkannte Martina, mußte man lernen, wenn man sich aus den familiären Bindungen gelöst hatte, um seinen eigenen Weg zu gehen.

Als sie ihren Kaffee getrunken hatte, legte sie das Buch zur Seite und stand auf. Es war ihr eingefallen, daß sie sich einen Stoff für ein Sommerkleid gekauft hatte. Zwar hatte sie nicht vorgehabt, sich ausgerechnet Ostern damit zu befassen, aber jetzt hatte sie plötzlich Lust dazu.

Sie trug den Küchentisch ins Freie, holte Stoff und Schnittmusterbogen und machte sich ans Zuschneiden. Dabei verflog das Gefühl von Einsamkeit sehr rasch, und als Stefan nach Hause kam, fand er seine Mutter, fröhlich trällernd, an der Nähmaschine.

Auch Helmut Stadelmann benutzte den Ostersonntag zum Werken, wenn auch nicht allein und nicht in so guter Laune wie seine geschiedene Frau.

Eigentlich hatte er für die Feiertage ganz andere Pläne gehabt. Claudia hatte er schon am Karfreitagabend zu seiner Mutter bringen wollen, wo sie inmitten einer großen Verwandtschaft bestimmt eine fröhliche Zeit gehabt hätte. Aber das Kind hatte sich energisch geweigert, ohne ihn bei der Großmutter zu bleiben, und hatte ihm eine ihrer inzwischen schon berühmt gewordenen Szenen »hingelegt«. So war auch sein anderes Vorhaben, mit Susi Dinkler nach Holland zu fahren, geplatzt.

Susi hatte es mit Verständnis aufgenommen. »Ich finde Claudias Verhalten ganz natürlich. Sie leidet eben unter eurer Scheidung. Jetzt klammert sie sich an dich, aus Angst, dich auch noch zu verlieren.«

Sie war es auch gewesen, die Claudia einen hübschen Schrank und ein Bett gebracht hatte, großzügige Geschenke, über die Claudia jedoch alles andere als erfreut gewesen war, denn sie ahnte, was Susi damit bezweckte: sie aus dem ehelichen Doppelbett herauszutreiben.

Claudia hatte sich neben ihrem Vater sehr wohl gefühlt und wollte sich nicht ohne Widerstand von diesem Platz vertreiben lassen. Um ihr den Auszug ins eigene Zimmer schmackhaft zu machen, waren sie nun alle drei dabei, das ehemalige Kinderzimmer neu zu tapezieren, wobei Claudia mehr im Weg stand als daß sie selber Hand anlegte. Die alte Tapete hatten sie schon am Freitag abgelöst.

»Wart’s nur ab, Claudia«, behauptete Susi fröhlich, »das wird ein ganz, ganz süßes Mädchenzimmer!«

»Als wenn ich eins brauchte«, murrte Claudia.

»Jeder Mensch braucht einen Raum, wo er mit sich selber allein sein kann!« Susi, in ihrem ältesten weißen Kittel, eine Mütze aus Zeitungspapier auf dem blonden Haar, war dabei, einen Teil der Wand so gleichmäßig wie möglich mit Kleister zu bestreichen.

Helmut bestrich die Wand dort, wo Susi nicht mehr hinauflangen konnte; den Kleisterkübel hatte er ganz fachmännisch auf ein Brett gestellt, das auf den Sprossen seiner und einer anderen Leiter stand.

Claudia schlängelte sich an ihn heran. »Es ist nicht so, daß ich mich nicht über ein eigenes Zimmer freue, bloß . . . ich hab’ noch nie allein geschlafen, weißt du.«

»Du wirst dich schon daran gewöhnen.«

»Immer wache ich nachts auf, und dann ist es schön, wenn jemand da ist.«

»In den letzten Nächten hast du wie ein Murmeltier geschlafen.«

»Stimmt nicht. Immer hab’ ich gehört, wie du nach Hause gekommen bist.«

Helmut und Susi hatten eine Bahn mit Kleister bestrichen. Jetzt reichte Susi ihm eine zugeschnittene Tapetenrolle, die er behutsam oben an der Leiste anlegte, so daß sie mit der Längsseite genau an die Kante der schon tapezierten Fläche stieß. Beide bemühten sich, die Tapete glattzustreichen; Helmut bearbeitete sie mit dem Plastikroller von oben nach unten, um alle Luftbläschen zu vertreiben.

Claudia sah ihnen zu und überlegte. Es hatte keinen Zweck, weiter gegen ihre Ausquartierung zu protestieren. Damit brachte sie den Vater bloß gegen sich auf. Und sie wollte doch, daß er wütend auf Susi wurde. Sie mußte Susi dazu bringen, daß sie sich daneben benahm. Aber das war sehr schwer. Die Mutter zu reizen, war immer einfach gewesen. Die wurde schnell wütend und schnell wieder friedlich. Aber Susi Dinkler war immer gleichbleibend freundlich zu ihr, zum Vater, zu allen Leuten. Vielleicht lernte man das, wenn man den ganzen Tag hinter dem Ladentisch stand. Aber deshalb fand Claudia sie nicht netter. Sie roch ihr zu sehr nach Parfüm, und außerdem, stellte sie erbarmungslos fest, war ihr Haar gefärbt. Claudia hatte Susi Dinkler niemals besonders gemocht, aber sie hatte sich bisher nie um sie zu kümmern brauchen. Aber nachdem die Mutter ausgezogen war, war Susi plötzlich aufgetaucht und hatte so getan, als gehöre sie zum Vater. Dabei war sie früher einmal Mutters beste Freundin gewesen.

Claudia schlenderte durch das Zimmer und kletterte auf eine der Leitern. Ihr Vater wurde aufmerksam. »Was soll denn das?«

»Will bloß mal sehen, ob die Tapete auch keine Blasen wirft.«

»Das habe ich schon kontrolliert. Komm runter. Sonst passiert noch was.«

»Was soll schon passieren?« Noch während sie fragte, wußte Claudia die Antwort: der Vater hatte Angst, das Brett, auf dem der Kleistertopf stand, könnte ins Wackeln geraten.

Unbeirrt kletterte sie weiter und stieg von der Leiter auf das Brett.

»Also wirklich, Claudia!« sagte der Vater.

»Ich balanciere ja bloß!«

»Wir sind hier nicht auf dem Spielplatz. Komm runter.«

Claudia markierte mit weit ausgebreiteten Armen eine Seiltänzerin und näherte sich dem Kleistertopf.

»Toll kannst du das!« bewunderte Susi sie. »Aber jetzt ist es genug, ja?« Während sie noch sprach, spurtete sie vor, um den Topf festzuhalten. Beide erreichten ihn fast gleichzeitig – Susi mit der Hand und Claudia mit dem Fuß. Kein Kriminalist hätte nachträglich zu erklären vermocht, wie es passiert war: der Topf kippte um, die zähe Masse schwappte und ergoß sich vor Susi, die gerade noch zurückspringen konnte, auf den Fußboden und spritzte gegen ihre Beine. Der Topf klatschte hinterdrein.

Claudia schrie: »Sie sind schuld! Sie sind schuld! Ich war’s nicht, Vati, sie ist selber schuld!«

»Zum Donnerwetter, warum mußtest du denn auch . . .!?« brüllte Helmut.

Claudia brach in Tränen aus und lief, hoch auf dem Brett, zu ihm hin. »Ich war’s ja gar nicht, Vati! Sie hat’s getan!«

Susi Dinkler behielt die Fassung. »Ganz gleich, wer’s nun getan hat, so schlimm ist es ja gar nicht!« Sie stellte den Topf auf und versuchte mit dem Kehrblech so viel wie möglich von dem herausgelaufenen Inhalt hineinzuschaufeln. »Ein Kleisterpott, was ist das schon! Wenn’s nicht mehr reicht, dann rühren wir eben neuen an.«

Claudia warf sich schluchzend in die Arme ihres Vaters.

»Paß bloß auf!« warnte er. »Beinahe hättest du mich auch noch umgeworfen.« Er packte sie um die Taille und setzte sie auf den Boden. »Wenn du schon nicht helfen willst, dann laß uns lieber allein.«

Sie klammerte sich an seine Beine. »Aber, Vati, ich sage dir doch . . . ich habe nicht . . . «

»Hau ab! Du hast genug angerichtet!«

Sein Ton war so böse, daß Claudia aufgab. Mit hängendem Kopf, die mageren Schultern gesenkt, zog sie ab.

»Das arme Ding!« hörte sie Susi hinter sich sagen. »Sie tut mir ja so leid!«

Claudia wußte, daß sie diese Schlacht verloren hatte.

Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman

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