Читать книгу Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman - Marie Louise Fischer - Страница 22

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Martina hatte ursprünglich vorgehabt, den Jungen in einem Tagesheim unterzubringen, aber seine Freundschaft mit Dieter Schwarzenbach brachte sie auf eine andere Idee.

Die Schwarzenbachs wohnten im Erdgeschoß eines nach dem Krieg neu errichteten Mietshauses in der Calvinstraße und hatten, abgesehen von einem Teppichklopfplatz, der allen Mitbewohnern zur Benutzung freistand, den großen Garten für sich zur Verfügung. Herr Schwarzenbach arbeitete bei Henkel, und seine junge Frau war durch drei Kinder – Dieter war das älteste – ans Haus gebunden. Sie war gerne bereit, Stefan tagsüber, bis Martina nach Hause kam, zu betreuen, um so mehr, als sie sich dadurch ein Taschengeld verdiente. Martina nahm an, daß sie seine Verpflegung vom Haushaltsgeld abknapsen und den Betrag, den sie als Entgelt für Stefans Betreuung erhielt, für Sonderausgaben beiseite legen würde. Es war für alle, für Martina, Frau Schwarzenbach und die beiden Jungen, eine zufriedenstellende Regelung.

Martina hatte den Kopf frei für ihre Arbeit. Allerdings erwies sich ihre Tätigkeit im Kosmetikinstitut Heerdegen als eine Enttäuschung. Die Praktikantinnen bekamen stets die unbeliebtesten Arbeiten, so etwa die Akne-Behandlungen bei pubertären Jugendlichen, zugeschoben, Behandlungen, die schwierig und unangenehm waren; zudem gaben die jungen Leute, die kaum die Behandlungskosten erschwingen konnten, keine Trinkgelder. Ansonsten wurden die Praktikantinnen zur Assistenz von erfahrenen Kosmetikerinnen abgestellt, die dann das Trinkgeld für sich kassierten.

Schon Irene Klose hatte sie darauf hingewiesen, aber Martina hatte es nicht glauben wollen. Sie hatte sich eingebildet, durch ihre Persönlichkeit und ihr Auftreten die Arbeitsbedingungen bessern zu können, war überzeugt gewesen, daß sich bald die interessantesten Kunden um sie reißen würden. Bald stellte sich heraus, daß sie an diese Leute gar nicht herankam; ihr wurde höchstens Laufkundschaft zugewiesen. Aber sie ließ sich nicht entmutigen, sondern bemühte sich, ein freundliches Lächeln auf den Lippen, ihr Bestes zu geben. Wie man ihr auf der Kosmetikschule eingeprägt hatte, versuchte sie es nicht bei der berufsmäßigen Höflichkeit bewenden zu lassen, sondern einen persönlichen Kontakt mit den Kunden herzustellen, indem sie echtes Interesse für ihre Probleme zeigte.

Als Frau Heerdegen sie einige Wochen nach Antritt ihrer Stellung zu sich zitierte, hoffte sie, schon angenehm aufgefallen zu sein.

Aber was die Chefin ihr zu sagen hatte, war alles eher als ein Lob.

»Sie arbeiten zu langsam, Martina.«

Martina konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen.

»Sie haben, um nur ein Beispiel zu nennen, gestern zwei Stunden für eine Akne gebraucht.«

Martina machte den Rücken steif. »Ich wußte nicht, daß wir mit der Stoppuhr kontrolliert werden.«

»Nicht mit der Stoppuhr, aber Kontrolle muß schon sein«, gab Frau Heerdegen, nicht einmal unfreundlich, zu. »Um ehrlich zu sein, ich begreife diese Bummelei nicht. Sie hatten doch ein ausgezeichnetes Zeugnis.«

»Ich bummele wirklich nicht, Frau Heerdegen, ich gebe mir nur Mühe. Dieser Teenager gestern, sehen Sie, der war wirklich arm dran. Voll Komplexe. Ich mußte das Mädchen doch seelisch aufrichten. Und es war auch nicht so einfach, ihr zu erklären, was sie selber für ihre Haut tun kann.«

»Damit sie nur nicht wieder zu uns kommt! Sehr gescheit von Ihnen.«

»Die wäre sowieso kein zweites Mal gekommen, Frau Heerdegen. Sie ist Gymnasiastin und hat für die Behandlung sparen müssen.«

»Na schön. Unterstellen wir mal, Sie haben uns keine Kundin vergrault. Aber Sie haben zuviel Zeit vertan. Auch als Praktikantin, und gerade als Praktikantin müssen Sie rentabel arbeiten. Rentabel für das Unternehmen, damit wir uns richtig verstehen.«

»Ich verdiene weniger als eine Putzfrau«, platzte Martina heraus.

»Es hindert Sie niemand, als Putzfrau zu arbeiten, wenn Sie diesen Beruf vorziehen«, erklärte Frau Heerdegen mit gleichbleibender Freundlichkeit. »Solange Sie als Kosmetikerin bei uns sind, muß ich Sie bitten, die vorgeschriebenen Behandlungszeiten nicht zu überziehen. Das wär’s.« Damit war Martina entlassen.

Sie war wütend.

Es war Mittagszeit, und als sie den Aufenthaltsraum der Angestellten betrat, richteten sich neugierige Blicke auf sie.

»Oje«, sagte Irene Klose mitfühlend. »Hat’s irgend etwas gegeben?«

»Kann man wohl sagen. Warte, ich hol’ mir eine Cola, dann erzähl ich’s dir.«

Der Aufenthaltsraum war groß und, im Gegensatz zu den oberen Stockwerken, mit Holztischen und Stühlen denkbar einfach eingerichtet. Das Licht der hochgelegenen Kellerfenster reichte nicht aus, ihn zu erhellen, und die Neonlampen ließen die Gesichter der jungen Frauen fahl erscheinen. An der Längsseite gab es eine Reihe schmaler Spinde, in denen sie ihre Garderobe und ihre Handtaschen einschließen konnten. Vor Martinas Zeit war hier unten auch Essen ausgegeben worden, aber da die meisten Frauen aus Sorge um ihre schlanke Linie sich mit einem Apfel oder einem Stück trockenem Brot zu begnügen pflegten, war dieser Service wieder eingestellt worden. Jetzt gab es nur noch Automaten, die heiße oder kalte Getränke lieferten.

Als Martina sich mit einem Pappbecher voll Cola zu Irene Klose setzte, legte sie gleich los und schilderte den Vorfall, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. »Das hat man also davon, wenn man seine Arbeit ernst nimmt«, schloß sie, immer noch zornig. »Ja, es ist ziemlich schwierig, pünktlich fertig zu werden«, stimmte Irene ihr vorsichtig zu.

»Schwierig! Was heißt hier schwierig? Manchmal ist es ganz und gar unmöglich. Soll ich etwa eine alte Tante, die sich bei mir ausweinen will, mitten im Wort unterbrechen und sagen: Das mag ja alles hochinteressant sein, aber jetzt habe ich leider keine Zeit mehr für Sie?«

»In so eine Situation kann man schon einmal kommen.«

»Aber ich nicht! Verlaß dich drauf. Die Heerdegen kann mich doch mal! Für die paar Piepen, die die uns zahlt, bin ich allemal noch schnell genug.«

»Sie wird dich nicht übernehmen, wenn dein Praktikantinnenjahr abgelaufen ist.«

»Braucht sie auch gar nicht! Hast du vergessen, daß ich mich selbständig machen will?«

Eine Frau, die mit dem Rücken zu Martina und Irene gesessen hatte, drehte sich zu ihnen um.

»Was wollen Sie?«

»Mich selbständig machen. Was ist daran so sonderbar?«

Die Frau stand auf. »Darf ich mich zu Ihnen setzen?« Sie war eine vollschlanke, sehr gepflegte Erscheinung, mit einem harten, glatten Gesicht und sorgfältig geschminkten, sehr schönen braunen Augen. »Karla Moll«, stellte sie sich vor.

Auch Martina und Irene nannten ihre Namen.

Es war bei Heerdegen nicht die Regel, daß die fertig ausgebildeten Kosmetikerinnen sich zu den Praktikantinnen setzten. Sie pflegten trotz einer gewissen zur Schau gestellten Kameraderie auf Abstand Wert zu legen. So reagierten Martina und Irene überrascht, aber auch erfreut.

Karla Moll brachte in der linken Hand einen Aschenbecher, in der rechten eine brennende Zigarette mit. »Sie sind nicht die erste, die so was vorhat«, bemerkte sie.

»Das kann ich mir denken«, erwiderte Martina. »Wer will schon ständig für fremde Leute arbeiten?«

»Aber dann kommt es doch nicht dazu«, behauptete Karla Moll.

»Die einen heiraten, und die anderen verlieren den Mumm.«

»Verheiratet war ich schon, und soviel Mumm, wie ich hab’, kann ich gar nicht verlieren.«

»Haben Sie denn auch Geld?«

»Ja«, antwortete Martina vorsichtig.

»Na dann: herzlichen Glückwunsch.«

»Vielen Dank.«

»Nur eins verstehe ich nicht . . . « Karla Moll klopfte die Asche ab. » . . . wenn Sie wirklich so entschlossen sind – worauf warten Sie dann noch?«

»Weil ich erst noch mein Praktikantinnenjahr hinter mich bringen muß.«

»Aber Sie können sich doch einfach eine ausgebildete Kosmetikerin nehmen und auf deren Namen . . . «

»Ich möchte nicht gleich mit Personal anfangen, und ein Geschäft auf einen fremden Namen ist auch nicht das, was ich mir vorstelle.«

»Ah, ja.« Karla Moll blickte Martina unverhohlen prüfend an.

»Vielleicht sollten wir uns aber doch nochmals darüber unterhalten. Ich möchte nämlich auch gern hier raus.«

»Sie meinen, Sie wollen den Namen – und ich soll das Geld hergeben? Also sehr verlockend finde ich das nicht«, sagte Martina ehrlich.

»Ich bin auch nicht ganz unbetucht. Aber, wie gesagt, darüber müßten wir uns mal in Ruhe unterhalten.«

»Besuchen Sie mich doch bei mir zu Hause«, schlug Martina spontan vor. »Ich wohne in der Börchemerstraße . . . «

»In Benrath? Das trifft sich. Ich auch.«

Die beiden Frauen verabredeten sich für den Samstagabend.

»Du, laß dich bloß nicht ausnehmen«, warnte Irene, als sie später nebeneinander über die Hintertreppe in die Behandlungsräume eilten.

»Ich doch nicht.«

»Diese Moll sieht mir ziemlich hartgesotten aus.«

»Na wennschon. Bin ich auch.«

»Bist du gar nicht. Sei bloß vorsichtig!«

»Warum kommst du nicht auch? Du könntest mich beraten. Überhaupt . . . mach doch mit!«

Irene Klose schüttelte den Kopf. »Für mich ist das nichts. Zuviel Verantwortung. Warum sollte ich mir das antun?«

»Um endlich richtig zu verdienen.«

»Das brauche ich nicht.«

»Ach ja, entschuldige schon, ich vergaß, daß du mit einem Medizinmann verheiratet bist. Aber komm doch wenigstens Samstagabend.«

»Geht nicht. Leider. Da muß ich mich um besagten Medizinmann kümmern.«

Martina sagte nichts dazu, aber einmal mehr wurde ihr klar, daß eine Freundschaft mit einer Frau, die so »schwer verheiratet« ist, eine unbefriedigende Angelegenheit bleiben muß. Sie war sehr froh, daß Karla Moll sie angesprochen hatte. Wenn auch aus einem gemeinsamen Unternehmen wahrscheinlich nichts werden würde, so hatte sie doch wenigstens einen Menschen kennengelernt, dessen Ziele und Pläne den ihren ähnlich waren.

Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman

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