Читать книгу Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman - Marie Louise Fischer - Страница 9
ОглавлениеDie Mitschülerin, die Martina – nicht nur altersmäßig – am nächsten stand, war Irene Klose, eine Arztfrau, die, als sie heiratete, ihr eigenes Studium abgebrochen hatte und nun, da die Ehe kinderlos geblieben war, auf der Suche nach einem befriedigenden Beruf war. Die beiden jungen Frauen wußten es so einzurichten, daß sie beim Unterricht nebeneinander saßen, und danach pflegten sie zusammen bis zum Graf-Adolf-Platz zu gehen. Hier mußte Irene Klose die Straßenbahn nach Benrath nehmen; manchmal begleitete sie Martina aber noch ein Stück weiter in Richtung Hauptbahnhof. Verabredungen trafen die beiden jungen Frauen nie miteinander, noch besuchten sie sich gegenseitig in ihrem Zuhause; dazu fehlte es ihnen einfach an Zeit.
»Du, gestern ist mir was Komisches passiert«, platzte Irene Klose eines Morgens gleich nach der Begrüßung heraus.
Sie nahmen auf einer der ansteigenden Bänke des Chemiesaals Platz, von denen aus man freie Sicht auf den Labortisch hatte.
»Erzähl mal!«
Aber dazu kam es nicht mehr, denn schon trat Dr. Biswanger ein, und in der nächsten Stunde wurde die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Emulgatoren bei der Herstellung von Massagecremes und Massageölen gerichtet.
Danach kam Irene nicht mehr auf das angeschnittene Thema zurück. Erst nachmittags, auf dem Weg zum Bahnhof, fiel es Martina wieder ein. »Was war gestern?« fragte sie. »Wolltest du mir nicht was erzählen?«
»Ach ja, diese komische Person in der Straßenbahn . . . Das heißt, äußerlich komisch war sie gar nicht, sondern ganz normal. Wir hatten beide keinen Sitzplatz, und in einer Kurve wurde sie gegen mich geschleudert. Sie entschuldigte sich und fing ein Gespräch mit mir an. Sie behauptete, ich wäre ihr vom Sehen her bekannt . . . «
»Ist doch gut möglich. Schließlich fährst du ja jeden Tag ziemlich um die gleiche Zeit hin und zurück.«
»Stimmt schon. Aber im allgemeinen beobachtet man seine Mitmenschen doch nicht so genau. Außerdem hat sie angeblich nicht nur mich gesehen, sondern auch meine ›aparte Freundin‹. Damit hat sie dich gemeint.«
»Ach so?«
»Sie sprach ganz beiläufig, so abgehackt, wie man eben in der Straßenbahn miteinander spricht. Ich fand eigentlich gar nichts dabei. Erst nachträglich ist es mir so vorgekommen, als wenn’s komisch gewesen wäre.«
»Komisch inwiefern?«
»Sie kam immer wieder auf dich zu sprechen. Du sähst zwar sehr gut aus, sagte sie, aber es ginge auch eine gewisse Kälte von dir aus . . . «
»So ein Quatsch!«
»Du hättest bestimmt keinen Erfolg bei Männern!«
»Die spinnt wohl!«
»Das habe ich ihr auch gesagt, und da wollte sie es denn gleich ganz genau wissen. Was du für Verehrer hast. Ob du mit einem gehst . . . «
»Was geht denn die das an?«
»Zuerst habe ich gedacht, es wäre reine Neugier. Bloß einfach Klatschsucht. Ich habe ihr gesagt, daß du verheiratet bist und überhaupt keine Zeit für Flirts hast. ›Also doch kalt‹, sagte sie. Und ich: ›Das hat damit gar nichts zu tun!‹ – Zu allem Überfluß wollte sie mich auch noch ins Schloß-Café einladen.«
»Verrückt.«
»Nicht wahr?« Irene schob ihren Arm unter den Martinas. »Ich habe sie mit Mühe und Not abgeschüttelt. Lästige Person, dachte ich – aber nachträglich kommt’s mir so vor, als wenn noch mehr dahinterstecken könnte.«
»Was?«
»Denk doch mal nach, Martina. Du willst geschieden werden, und du hast gesagt, dein Mann ist nicht damit einverstanden . . . «
»Klar, ist er nicht. Aber er wird müssen.«
»Aber es wäre doch verständlich, wenn er sich wehrt.«
Martina blieb stehen. »Sich wehrt? Was meinst du damit?«
Auch Irene verhielt ihren Schritt.
»Ich kenne ihn natürlich nicht, und ich kann auch nichts beweisen. Aber es wäre doch möglich, daß er jemanden auf dich angesetzt hätte.«
Martina lachte. »Du liest wohl zuviel Krimis?«
»Wenn du es so auffaßt! Ich will dir keineswegs was einreden. Ich dachte nur, ich müßte dich warnen.«
»Lieb von dir, aber völlig unnötig. Helmut täte so was nicht. Dazu ist er nicht der Typ.«
Sie glaubte es selber, während sie es sagte. Aber später, im Eilzug nach Dinslaken, begann sie die Sache in einem anderen Licht zu betrachten. Irene war keine Wichtigtuerin. Wenn ihr das Benehmen der Fremden sonderbar erschienen war, dann durfte sie das nicht so ohne weiteres abtun. Es war ja auch tatsächlich seltsam, daß eine Person, mit der sie noch nie etwas zu tun gehabt hatte, sich so ausgiebig nach ihrem Verhalten und ihren Männerbekanntschaften erkundigte.
Es fiel ihr schwer, den Fall sachlich zu betrachten. Auch wenn sie sich klarzumachen suchte, daß es Helmuts gutes Recht war, mit allen Waffen zu kämpfen, fand sie sein Verhalten doch empörend. Ausgerechnet Helmut, der ihr Vertrauen so getäuscht hatte, wagte es, ihr nachspionieren zu lassen!
Natürlich hatte sie nichts zu befürchten, denn es gab einfach nichts, was er auf diese Weise ans Licht bringen und gegen sie benutzen konnte. Sie selber fand es am klügsten, sich ihm gegenüber überhaupt nichts anmerken zu lassen. Wozu einen neuen Krach heraufbeschwören? Sollte er doch erleben, wie weit er mit dieser unfairen Methode kam.
Aber was ihr die Vernunft auch immer riet, Martina hielt es nicht aus zu schweigen. Während des Abendessens, das, wie meist in letzter Zeit, in der eisigen Atmosphäre erzwungener Höflichkeit eingenommen wurde, sagte sie mit einem Tonfall, der so gleichgültig klang, wie es ihr eben möglich war: »Übrigens, Helmut, ich weiß nicht, ob du es dir in deiner augenblicklichen Situation leisten kannst, Geld zum Fenster rauszuwerfen. Kann ich, bitte, noch mal die Kartoffeln haben, Claudia?«
Helmut schluckte den Köder; er lief rot an. »Wenn einer von uns beiden nicht mit Geld umgehen kann, dann bist du es!«
»Ach, wirklich?« fragte sie, Sanftmut in der Stimme. »Jedenfalls käme ich nie auf die Idee, einen Detektiv zu engagieren.«
Er hatte gerade einen Bissen zum Mund geführt, verschluckte sich und mußte husten. »Ich möchte nur wissen, wovon du eigentlich sprichst«, sagte er, als er wieder atmen konnte.
Jetzt wußte sie, daß Irenes Verdacht zutraf. »Davon, daß ich niemals einen Detektiv – von mir aus auch eine Detektivin – hinter dir herhetzen würde. Obwohl ich mir diesen Spaß noch erlauben könnte, denn du wärst es ja, der die Rechnung bezahlen müßte. Bitte, sitz gerade, Stefan!«
»Ich habe nie einen . . . «
»Schon gut, Helmut!« Sie schenkte ihm ein süßes Lächeln. »Du brauchst dich nicht zu verteidigen, ich habe dich ja nicht angegriffen.«
»Warum erzählst du dann solchen Quatsch?« Er zerknüllte die Serviette und sprang auf.
»Es sollte ein kleiner Rat sein, weiter nichts. Es tut mir weh, wenn du dein gutes Geld für nichts und wieder nichts ausgibst. Auch wenn du Scharen von Detektiven gegen mich mobilisierst – das Ergebnis ihrer Recherchen wird doch gleich Null bleiben. Ich habe mir nämlich nichts zuschulden kommen lassen.« Er verließ wütend das Zimmer.
»Warum mußt du Vati auch immer ärgern!« rief Claudia und wollte ihm nach.
»Bleib! Wir sind noch nicht mit dem Essen fertig.«
»Hat Vati wirklich einen Detektiv engagiert?« fragte Stefan, weniger entrüstet als beeindruckt.
»Sieht ganz so aus, Knüsel. Aber mach dir keine Gedanken darüber. Mir kann kein Detektiv der Welt was anhaben.«
»Und wenn er schießt?«
»Das darf er doch gar nicht, du Dummer«, sagte Claudia. »Dann kriegt er seine Lizenz entzogen.«
Martina lachte; sie fühlte sich, nachdem sie ihrem Mann wieder mal die Wahrheit an den Kopf geworfen hatte, sehr erleichtert. »Wie schön, daß ihr so gut Bescheid wißt!«