Читать книгу Im Dunkeln der Tod - Ein Schweden-Krimi - Mari Jungstedt - Страница 21

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Seine Augen brannten vor Müdigkeit, und Knutas sah ein, dass er bald nach Hause gehen musste. Doch erst musste er eine Weile allein in seinem Zimmer sitzen, um seine Gedanken zu sammeln. Um alle Eindrücke und Tatsachen zu sortieren.

Er ließ sich in seinen alten, abgenutzten Sessel mit dem weichen Ledersitz sinken. Den hatte er anderthalb Jahre zuvor nach einer umfassenden Renovierung behalten, als auch die Möbel ersetzt worden waren. Er hatte ihn während seiner ganzen Zeit bei der Kriminalpolizei in seinem Büro gehabt und wollte sich einfach nicht davon trennen. So viele Fälle hatte er darin aufgeklärt. Er konnte sich damit drehen und ein wenig damit schaukeln, und das erleichterte den freien Flug der Gedanken.

Die Arbeit war so intensiv gewesen, seit am Morgen Egon Wallins Leiche gefunden worden war, dass er das Wirrwarr in seinem Kopf nur mit Mühe in den Griff bekam.

Ihn schauderte, als er an den Anblick dachte, der sich ihm in der Dalmansport geboten hatte. Dieser sympathische Mann. Was war bloß los auf Gotland? Die Gewaltverbrechen waren in den vergangenen Jahren markant angestiegen, nicht zuletzt die Anzahl der Morde. Andererseits war das im ganzen Land so. Er dachte an die Zeit, als ein Kioskeinbruch Schlagzeilen geliefert hatte. Jetzt brachte er kaum noch eine Notiz ein. Das gesellschaftliche Klima wurde an allen Fronten rauer.

Er nahm seine Pfeife aus der obersten Schreibtischschublade und fing an, sie sorgfältig zu stopfen. Dann ließ er sich in seinem Sessel zurücksinken und steckte sie unangezündet in den Mund.

Dass der Künstler und sein Agent so plötzlich verschwunden waren, fand Knutas beunruhigend. Außerdem hatte sich herausgestellt, dass sie zusammen mit einem der Kunsthändler geflogen waren, die die Vernissage besucht hatten, mit Sixten Dahl. Keiner der drei war bisher zu erreichen gewesen. Na ja, dachte Knutas. Da würden sie am nächsten Morgen weitermachen.

Seine Gedanken wanderten zu Egon Wallin. Er war in der Vergangenheit mehrfach auf diesen Kunsthändler gestoßen. Knutas und Line hatten im Laufe der Jahre ab und zu die Galerie besucht, wenn auch vor allem, um sich umzuschauen. Einmal hatte er ein Gemälde von Lennart Jirlow gekauft, mit einem Motiv aus einem Restaurant wie dem, in dem Line bei ihrer ersten Begegnung in Kopenhagen gearbeitet hatte. Er lächelte bei dieser Erinnerung. Es war ein Geschenk zu Lines Vierzigstem gewesen, und sie hatte sich noch nie so über ein Geschenk von ihm gefreut. Geschenke aussuchen war nicht Knutas’ starke Seite.

Er rief sich Egon Wallins Bild vor Augen. Das Auffälligste an ihm war seine Kleidung gewesen. Er hatte immer einen langen Ledermantel und Cowboystiefel getragen und eher wie ein Großstädter ausgesehen als wie ein Gotländer. Dass er sich die Haare rotblond tönte, war ebenso deutlich zu sehen gewesen wie die Tatsache, dass seine leichte Sonnenbräune, die er das ganze Jahr trug, nicht natürlich war.

Wallins Äußeres stand in grellem Kontrast zu dem seiner Frau, die farblos alltäglich war und ein dermaßen nichtssagendes Gesicht hatte, dass man es sich nur mit Mühe merken konnte. Ab und zu hatte Knutas sich gefragt, wieso Egon Wallin sich solche Mühe gab, wo es seiner Frau offenbar restlos egal war, wie sie aussah.

Eigentlich wusste Knutas nicht viel über Wallins Privatleben. Wenn sie sich begegnet waren, hatten sie immer einige Worte gewechselt. Das Gespräch endete meistens viel zu rasch. Er hatte immer das Gefühl gehabt, dass er gern mehr mit Egon Wallin gesprochen hätte, dass dieser Wunsch aber nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Obwohl sie fast gleich alt waren, hatten sie keine gemeinsamen Freunde.

Wallins Kinder waren so viel älter als Knutas’ Zwillinge Petra und Nils, die in diesem Jahr vierzehn wurden. Über die Kinder hatten sich ihre Wege also auch nicht gekreuzt. Sportliches Interesse schien Wallin nicht gehabt zu haben, während der Sport sonst auf Gotland ein starker gemeinschaftbildender Faktor war. Knutas selbst schwamm, spielte Hallenhockey und Golf. Er nahm an, dass Wallin sich vor allem in Künstlerkreisen bewegt hatte, denen Knutas wirklich nicht angehörte. Er hatte überhaupt keine Ahnung von Kunst.

Er stand auf und trat ans Fenster. Schaute hinaus in die Dunkelheit und über den leeren Parkplatz des Supermarktes. Er konnte von hier aus fast bis zur Dalmansport sehen. Das war schrecklich nah, er fragte sich, ob es dem Mörder bewusst gewesen war.

Die Wahl des Tatortes war tollkühn gewesen, wenn man bedachte, dass das Tor vom Kung Magnus väg aus zu sehen war. Ein Streifenwagen hätte vorbeifahren können, als der Täter die Leiche gerade hochhievte. Vielleicht hatte er unter Drogen gestanden und das alles nicht wichtig gefunden. Möglicherweise hatte er nicht gewusst, wie nahe die Wache lag. Vielleicht kam er vom Festland. Die Frage war, welche Verbindung er zu Egon Wallin gehabt hatte. Hatte der Mord etwas mit den Kunstgeschäften zu tun, oder gab es einen ganz anderen Grund?

Er seufzte müde. Es war schon nach elf Uhr abends.

Früher oder später würde er schon eine Antwort finden.

Im Dunkeln der Tod - Ein Schweden-Krimi

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