Читать книгу Im Dunkeln der Tod - Ein Schweden-Krimi - Mari Jungstedt - Страница 8

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Erik Mattson , Kunstkenner und Sachverständiger, hatte den Auftrag erhalten, einen großen Herrensitz in Burgsvik auf Südgotland zu begutachten. Der Oberintendant des Auktionshauses Bukowskis hatte ihn und einen Kollegen gebeten, hinzufahren. Ein Gutsbesitzer auf Gotland wollte sich von einer großen Sammlung schwedischer Kunst der letzten Jahrhundertwende trennen. Es handelte sich um etwa dreißig Werke unterschiedlichster Art, von Radierungen von Zorn bis zu Ölgemälden von Georg Pauli und Isaac Grünewald.

Die beiden Kollegen hatten den ganzen Freitag in Burgsvik verbracht, und es war ein Erlebnis gewesen. Der Herrenhof entpuppte sich als einzigartiges Beispiel alter gotländischer Kalksteinarchitektur, und sie genossen die Umgebung und die beeindruckende Sammlung. Sie verstanden sich so gut mit dem Gutsbesitzerehepaar, dass sie zum Essen eingeladen wurden. Die Nacht verbrachten sie im Hotel Strand in Visby.

Am Samstag wollte Erik ausgeruht sein. Es stand viel auf dem Programm. Er würde den Tag mit einem Wiedersehen mit dem Ort beginnen, den er mehr liebte als jeden anderen und den er seit vielen Jahren nicht mehr besucht hatte.

Gleich nach dem Frühstück setzte er sich ins Auto und fuhr los. Es war ein bewölkter Tag, und der Wetterbericht kündigte Schnee an. Aber Erik hatte es nicht weit. Das Ziel seines Ausflugs lag fünf Kilometer entfernt im Norden von Visby.

Als er gerade bei dem Schild mit der Aufschrift Muramaris abbiegen wollte, sah er von dort ein Auto kommen. Das überraschte ihn. Hier hatte doch im Winter kaum jemand etwas zu suchen.

Der Parkplatz oben an der Landstraße war für Besucher bestimmt, aber jetzt im Februar war er verlassen. Erik stieg aus dem Auto und trat auf den Kiesweg. Er schaute in Richtung Meer, das von hier aus nur zu ahnen war. Tief unten rollten die Wellen heran, so vorherbestimmt wie die Jahre, die kamen und gingen.

Am Wegesrand standen die Bäume dicht an dicht, niedrig und krumm, deutlich gezeichnet von den harten Herbststürmen. Hier gab es keine Nachbarn.

Auf dem Weg den langen Hang hinunter traten ihm die Tränen in die Augen. Es war so lange her. Die Baumkronen flüsterten, und der Kies knirschte unter seinen Füßen. Er war allein, und genau das wollte er auch sein. Das hier war ein heiliger Moment.

Als das Haus hinter der Kurve auftauchte, fing es an zu schneien. Die Flocken rieselten langsam vom Himmel und legten sich sanft auf seinen Kopf.

Er blieb stehen und sah sich alles an, was da unter ihm lag, das heruntergekommene Hauptgebäude, die Wohnung des Obergärtners und das rote Häuschen weiter hinten, das seine besondere Geschichte hatte.

Es war ein gewaltiger Kontrast zu seinem letzten Besuch hier. Damals war Hochsommer gewesen, und er war zwei Wochen geblieben, genau wie der Künstler und sein Geliebter fast hundert Jahre zuvor.

Erik hatte jede einzelne Sekunde genossen, im selben Zimmer zu schlafen wie er, sich unter demselben Dach aufzuhalten. In der Küche zu frühstücken, wo er gesessen hatte; seit damals war der alte Eisenherd nicht ersetzt worden. Die Wände bargen Geschichten, die er nur erahnen konnte.

Jetzt hatte er das Künstlerhaus Muramaris voll im Blick. Der Name bedeutete »Herd am Meer«. Das viereckige sandfarbene Hauptgebäude aus Kalkstein hatte zwei Stockwerke. Seine Architektur war eine originelle Mischung aus italienischer Renaissancevilla mit Loggia zum Meer und traditionellem gotländischem Bauernhof. Große Fenster mit weißen Sprossen boten einen Ausblick auf Wald, Wasser und den strengen Barockpark auf der Rückseite mit seinen Skulpturen, Fontänen, Plattenwegen und adretten Beeten.

Der Mann, der einen solchen Einfluss auf sein Leben gehabt hatte, war oft hier zu Besuch gewesen, hatte sonnige Sommerwochen in Muramaris verbracht, gebadet, Strandspaziergänge gemacht, gemalt und sich mit dem umstrittenen Künstlerpaar getroffen, das hier zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts sein Traumhaus angelegt hatte. Obwohl viele Jahre vergangen waren, spürte er seine Anwesenheit deutlich.

Mit einer gewissen Mühe öffnete er das grüne Holztor, das sich nur widerwillig mit einem langen Klagelaut bewegte. Er wanderte auf die Rückseite des Hauses. Es hatte viele Jahre leer gestanden, bis die neue Besitzerin es übernommen hatte, und das war zu sehen. Der Putz blätterte ab, die Mauer um das Grundstück war an etlichen Stellen eingestürzt, mehrere Skulpturen fehlten im Park, und das einst so stolze Gebäude musste dringend renoviert werden.

Er ging langsam über den Plattenweg zwischen den sorgfältig angelegten Hecken. Am Teich mitten im Park setzte er sich auf eine Bank. Die war feucht und kalt, aber das interessierte ihn so wenig wie der stärker werdende Schneefall. Sein Blick haftete an einem ganz besonderen Fenster. Es gehörte zum Gästezimmer im Erdgeschoss neben der Küche. Dort war eines der bekanntesten Gemälde der schwedischen Kunstgeschichte entstanden. Das behauptete jedenfalls das Gerücht, und es gab keinen Grund, diese Behauptung anzuzweifeln. Der Künstler hatte in dem Jahr, in dem er den Park von Muramaris angelegt hatte, an diesem großen Ölbild gearbeitet. Gegen Ende des wütenden Weltkrieges, im Jahre 1918.

Damals hatte Nils Dardel den »Sterbenden Dandy« gemalt. Er flüsterte diesen Titel, als er dort auf der Bank saß.

Der »Sterbende Dandy« – genau wie er selbst.

Im Dunkeln der Tod - Ein Schweden-Krimi

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