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5.3Die Periodisierung

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Die Periodisierung beschreibt eine zeitlich festgelegte Strategie im Trainingsprozess, mit dem Wunsch, am Ende dieses Prozesses in zugespitzter Höchstform an der Startlinie eines sportlichen Wettkampfs zu stehen. Hierbei wird in unterschiedliche Phasen innerhalb dieses Trainingszeitraums unterteilt.

In der englischsprachigen Trainingsliteratur liest man hierbei von Base-, Build- und Prepphasen, in denen unterschiedliche Trainingsinhalte Anwendung finden. Dabei werden die Zeiträume der jeweiligen Phasen bereits vor Aufnahme des Trainings festgelegt. Es wird eine Saisonplanung im Voraus festgelegt, die besagt, welche Trainingsinhalte zu welchem Saisonzeitpunkt absolviert werden sollten.

Ich werde in diesem Zusammenhang immer wieder von Athletenseite gefragt, wie denn eine solche Periodisierung ablaufen wird. Analog zum Fehldenken bezüglich der Superkompensation hat sich meiner Meinung nach ein zu starres, fast technokratisches Verständnis von Training in vielen Köpfen im Sport manifestiert. In meinen Augen sollte man als Trainer das erlernte Wissen zum Thema Periodisierung eher wieder verlernen, denn es führt nicht zwingend zum Erfolg. Eine starre Jahresplanung bleibt für mich einfach mit zu vielen Fragezeichen versehen.

Bleibt der Sportler gesund und verletzungsfrei?

Ist das Wetter dauerhaft gut, um sicher die notwendigen Volumina zu trainieren?

Lassen es die Lebensbegleitumstände des Athleten dauerhaft zu, das Training umzusetzen?

Wird der Sportler die gewünschten Anpassungsreaktionen zeigen?

Wenn ich als Trainer all diese Fragen im Vorfeld sicher beantworten könnte, würde ich ganz sicher auch Lotto spielen. Um eine sichere Leistungsentwicklung des Athleten zu gewährleisten, braucht es Rückmeldung, um die jeweilige Strategie anzupassen, Ruhephasen einzubauen oder aber auch die Daumenschrauben anzuziehen und eine Schippe an Training draufpacken.

Genau diese Feedbackmöglichkeit entfällt aber dann, wenn ein Athlet nach einem 16-Wochen-Rahmentrainingsplan aus dem Internet trainiert oder von einem Trainer vierwöchig einen Plan erstellt bekommt. Anpassungen jedweder Art können nicht erfolgen, bei Ausfällen krankheits- oder zeitlich bedingter Natur läuft der bereits erstellte Plan einfach weiter.

Auf mich wirkt das Planen über einen längeren Zeitraum, also mehr als eine Woche, wie ein Blick in eine Glaskugel.

Ein weiteres Argument gegen die klassische Periodisierung haben wir bereits an meiner Kritik am Prinzip der Superkompensation kennengelernt. Mit einer bestimmten Trainingseinheit trainiert man nicht ausschließlich eine Komponente (z. B. Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit etc.), sondern mehrere dieser Aspekte simultan. Ein Einteilen des Jahres mit eben ganz bestimmten Trainingsinhalten kann daher nicht funktionieren.

Die klassische Periodisierung geht, ähnlich wie bei der Superkompensation, davon aus, dass die Leistungsentwicklung linear erfolgt, also immer geradlinig bis zum Tag X trainiert werden kann. Die Realität stellt sich jedoch völlig anders dar. Das Leben mit all seinen Facetten wird in dieser Wunschvorstellung nicht wirklich berücksichtigt. Die Alltagsstressoren Familie, Arbeit, Wetter etc. lassen oftmals keine lineare Leistungsentwicklung zu. Verletzungen und Krankheiten kann man im Vorfeld nicht antizipieren und tun ihr Übriges.

Das Einteilen der Triathlonsaison in unterschiedliche Phasen sollte man eher als didaktisches Mittel oder grobe Orientierung verstehen, von dem „junge“ Trainer zu Beginn ihrer Tätigkeit profitieren können, aber auch nur dann, wenn sie bereit sind, von der starren Planung abzuweichen, wenn ein solcher Bedarf hierzu besteht. Das viel zitierte Big Picture sollte natürlich nicht aus dem Blickfeld geraten.


Abb. 16: Wunschvorstellung vs. Realität

Wenn man die notwendigen Fähigkeiten kennt, die man für ein erfolgreiches Finish auf der Langdistanz benötigt, kann man daraus ableiten, welche Inhalte im Training verfolgt werden sollten. Welche das im Einzelnen sind, werden wir später noch kennenlernen.

Wenn man das Trainingsjahr von vorneherein in Phasen einteilt, kann nicht gewährleistet werden, dass eine individuelle Adaptation ans Training erfolgt. In meinen Augen sollte immer ein optimaler Stimulus im Kontext des aktuellen physischen und mentalen Status des Sportlers sichergestellt sein.

Wenn dieser Stimulus länger braucht als eine fix vorgegebene Wochendauer zu einer bestimmten Trainingsphase, dann sollte dieses starre Konstrukt eher aufgebrochen werden. Für mich ist Training viel mehr als ein dynamischer Prozess zu verstehen und weniger in eine starre Zeitplanung zu pressen. Um den Stimulus überhaupt zu erkennen und zu fördern, muss die Kommunikation zwischen dem Athleten und Coach gut funktionieren, denn nur so kann der Coach reagieren, justieren und adaptieren.

Oftmals geschieht das Anpassen auch innerhalb einer Trainingseinheit. So kommt es beispielsweise immer wieder vor, dass ein bereits geplantes Schwimmprogramm nach dem Einschwimmen abgeändert wird, wenn ich als Trainer am Beckenrand durch Beobachtung der Athleten bestimmte Defizite feststelle. Im Online- oder Remote Coaching habe ich diese Möglichkeiten des Beobachtens deutlich weniger. Umso wichtiger ist die Fähigkeit, mit dem Athleten auch aus der Ferne und in enger zeitlicher Abfolge zu kommunizieren und das Geschriebene auch zwischen den Zeilen zu verstehen.

Dazu muss der Athlet aber auch verstanden haben, dass Coaching keine Einbahnstraße darstellt, sondern er als Athlet auch gefragt ist, den Trainer mit Infos jedweder Art zu füttern. Nur so kann sichergestellt werden, dass der gewünschte Stimulus auch sinnvoll passt.

Manche Trainer oder Trainingskonzepte lassen nach einem 2:1- oder 3:1-Verhältnis trainieren. Hierbei werden zwei oder drei Wochen mit ansteigender Belastung oder Volumen trainiert und dann eine Ruhewoche mit vermindertem Umfang und Intensität eingeplant. Es gibt nach meinem Wissensstand jedoch keinerlei Evidenzen diesbezüglich, dass dieser Rhythmus von besonderer Wirksamkeit wäre. Ich bin eher der Meinung, dass man diese Ruhewochen umgehen kann, wenn innerhalb einer Trainingswoche eine vernünftige Balance zwischen Be- und Entlastung gewährleistet wird.

Einer meiner seit Beginn meiner Trainerlaufbahn eingesetzten Leitsätze lautet: die Kontinuität des spezifischen Reizes. Warum die Regelmäßigkeit so immens wichtig ist, werden wir im Bereich der Leistungsphysiologie noch erfahren.

Ich bevorzuge daher eine Wochenstundendauer, die sich sicher und realistisch von Sportlerseite abbilden lässt. Ruhetage als solche finden nur dann statt, wenn der Athlet das ganz klar einfordert, um sein Leben auch außerhalb des Triathlonsports zu organisieren.


Abb. 17: Periodisierung im Jetzt

Für mich findet die eigentliche Periodisierung auf einer deutlich kleineren zeitlichen Ebene statt. Es werden keine Wochenoder Monatsphasen geplant. Ich arbeite eher im Planungsrhythmus von einer Woche und beschreibe das eher als Coaching und Planung im Jetzt. Dabei bestimmt das Training des gestrigen Tages das Training von heute. Die heutige Einheit wiederum bestimmt das Training von morgen.

Hierbei gilt es, die besondere Komplexität der drei Disziplinen im Triathlon und das Verhältnis von Belastung und Ruhe zu berücksichtigen. Triathlon ist ganz klar als eigenständige Sportart zu verstehen und nicht das inhaltlich voneinander losgelöste Aneinanderreihen der Sportarten Schwimmen, Radfahren und Laufen. Das Planen in solch kurzen Zeiten lässt eine individuellere Anpassung des Athleten an den gewählten Stimulus eher zu.

Ich würde meine Form der Periodisierung eher als eine linear-spezifische Progression bezeichnen. Das soll bedeuten, dass über den Zeitraum von 20-30 Wochen vor der Langdistanz auch durchaus von Beginn an intensive Einheiten vorzufinden sind. Die Geschwindigkeiten, Anzahl der Intervalle und die Länge der Intervalle werden dann über die Wochen hin zum Wettkampfdatum graduell gesteigert. Es erfolgt demnach kein Einstieg nach der Off-Season, bei dem nur ausschließlich im Grundlagenausdauerbereich trainiert wird. Zur Planung und Beurteilung der Trainingsleistungen muss ich vorab aber mit dem Athleten gesprochen haben und seine Wettkampfziele klar formuliert wissen.

Wenn ein Athlet eine Wettkampfzeit von 9 h 30 im Ironman® plant und sich diese Gesamtzeit auf beispielsweise 1 h Schwimmen, 5 h Rad und 3 h 30 Laufen aufteilen soll, so weiß man relativ genau, welche Trainingsleistungen erreicht werden müssen, um diese Wunschzeit später auch zu realisieren.

Ich vergleiche den geplanten Trainingsprozess gerne mit dem Aufnehmen einer Mahlzeit. Die ersten Wochen dienen dazu, den „Einkauf“ zu absolvieren. Hierbei werden die Fähigkeiten wie Grundlagenkilometer, Kraft und Schnelligkeit „eingekauft“.

Nach dieser Phase, deren Zeitdauer nicht von vorneherein festgelegt wird, beginnt die „Phase“ des Kochens. Hierbei werden alle Zutaten in einen Topf geworfen und zu einem später genießbaren Essen zusammengeführt.

In dieser Phase werden die wettkampfspezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten geschult. Ist diese Phase zu lang oder zu intensiv, so besteht die Gefahr, dass das „Essen“, also der Athlet, verbrennen wird, bevor es danach dann zum Einnehmen der Mahlzeit, sprich dem Wettkampf, geht. Bon appetit!

Triathlon - Erfolg auf der Langdistanz

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