Читать книгу Fantasio - Marion Stoll - Страница 9
Ein Idol stirbt und eine Welt zerbricht
ОглавлениеImmer seltener tauchte Elfi in Carls Gedanken auf. Ein paar Mal hatte er sich bei Buddy nach ihr erkundigt. Doch der hatte sie seit ihrer ersten Begegnung im Fantasio auch nicht wiedergesehen. Aus den Augen, aus dem Sinn? Nein! Sie war lediglich in den Hintergrund getreten. Es gibt einfach Dinge, die vergisst du niemals in deinem Leben. Auch nicht das, was dann geschah.
Es traf sie mit der ganzen brutalen Wucht, so wie es diese unfassbaren Schreckensnachrichten über Naturkatastrophen oder so taten, und sie wollten es erst gar nicht so recht glauben, dachten an eine Falschmeldung. Aber es war keine Zeitungsente, sämtliche Erklärungen und Artikel, die über dieses Ereignis berichteten, waren unzweifelhaft echt. Diesmal hatte es einen von ganz weit oben getroffen, einen von den ganz Großen. Sie brachten es als Sensation in den Abendnachrichten.
Brian Jones, Mitbegründer und Gitarrist der Rolling Stones, wurde tot in seinem eigenen Swimmingpool aufgefunden. Er starb mit 27 und hatte den Großteil seines Erwachsenenlebens im Rampenlicht gestanden. Und jetzt ... elendig abgesoffen? Offizielle Todesursache laut Obduktionsbefund: Leberversagen.
Einen Ersatzgitarristen hatten sie bereits am Start. Mick Taylor wechselte von John Mayall’s Bluesbreakers zu den Steinen.
Sie hatten sich für den Abend im Masterpiece verabredet, einer kleinen Vorstadtkneipe mit Stil und guter Musik. Den Bernie kannten sie persönlich. Der war auf derselben Schule gewesen, zwei Jahrgänge über ihnen. Den Laden hatte er direkt nach seinem verkorksten Schulabschluss übernommen und seitdem nichts anderes mehr gemacht. Der Rote. So nannten sie ihn wegen seiner feuerroten Haare.
Gonzo konnte endlich wieder normal zubeißen, hatte seine Zähne überkront bekommen. Und einen kleinen Spitzbart hatte er sich wachsen lassen, wirkte insgesamt verwegener. „Scheiße, er war mein Lieblingsgitarrist“, jammerte er, sah plötzlich hilflos aus und fing an zu flennen.
„Das klingt nicht plausibel, Leute“, meinte Whisky. „Es sei denn, der gute Brian konnte nicht schwimmen. Na ja, werden nie die ganze Wahrheit erfahren.“ Er tippte nachdenklich auf sein leeres Bierglas. „Und was sagt uns das?“
„Noch ’n lecker Pils?“, fragte der Rote.
„Was meinst du, Whisky?“, fragte Carl und stürzte seinen Korn hinunter, der in diesem Fall aufs Haus ging.
„Ja, mach mal, Berni!“ Whisky stutzte. „Sag mal, hast du was mit deinen Haaren gemacht?“, fragte er den Roten.
Alle sahen den armen Bernie an, der aussah, als wäre er direkt an einer 220-Volt-Leitung angeschlossen. Seine Haare standen spiralförmig von der Kopfhaut ab, wie statisch aufgeladen.
„Hab mir ’n neues Shampoo zugelegt“, sagte der Rote. „Sind nur natürliche Zutaten drin.“
„Da siehst du, was dieser Öko-Kram bringt“, meinte Whisky und wendete sich wieder den Jungs zu. „Wo waren wir gleich stehengeblieben?“
„Was sagt uns das?“, half ihm Carl.
„Ach so, ja … Sie sind keine Götter, wollte ich sagen. Sie sind genauso sterblich wie unsereins und jeder andere.“
In den folgenden Wochen drehte sich nur eine einzige Platte auf dem Teller seines Telefunken: After-Math, sein erstes Album von den Rolling Stones. Und jedes Mal bei Lady Jane dachte Carl an Brian. Vielleicht war er das Opfer seines Ruhmes geworden und starb durch Drogen oder fremde Einwirkung. Ein Leben in Berühmtheit und Erfüllung. Dafür kurz. Sehr kurz. War es das wert?