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Sidonia und ihr Vater wandten die Köpfe, aber die Tür blieb zu. Mit einem Laut des Unmuts drückte Sidonia den Schnappriegel herab. Es gab nur eine Person in diesem Hause, die erwartete, dass man auf ihr Klopfen hin die Tür öffnete, vielmehr, sie auftat wie für eine Königin: Doña Rosalia de Fraga, der ihr Vater eine eigene Magd und tägliche Besuche eines Judenarztes zugebilligt hatte. Eingebildete Krankheiten waren neben übertriebener Frömmigkeit ihr Hauptvergnügen, fand Sidonia.

In tiefes Schwarz gekleidet, stand die gräfliche Witwe im Türbogen und erinnerte an einen Totenvogel. Ihr Gesicht unter dem Haubengebände war schmal, die Augen hell und hübsch, aber die Nase schnabelartig. Ein Zeichen vieler Generationen von Verwandtenehen, wie Sidonia voll Abscheu dachte. Claas van Berck deutete eine Verneigung an und näherte sich mit Trippelschritten, die er für vornehm und Sidonia für peinlich hielt. »Doña Rosalia, tretet ein.«

Die fünfzigjährige Frau lehnte einen Stuhl ab und schaute an Claas van Berck vorbei in die Ferne.

»Es ist Nachricht gekommen«, sagte sie. Sie sprach langsam und war bemüht, jeden Akzent zu unterdrücken. Rosalia de Fraga war stolz darauf, viele Sprachen fließend zu sprechen.

»Nachricht! Von wem?« Sidonia hüpfte von einem Bein auf das andere. Der Vater verneigte sich erneut.

Doña Rosalia ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ein Metzgersbote hat eben einen Brief gebracht.« Sie griff nach der Riechkugel, die vor ihrer flach geschnürten Brust baumelte, und sog die Aromen von Ambra und Zibet ein, als würde sie durch den Geruch von rohem Fleisch belästigt.

Lächerlich, dachte Sidonia, es war in allen Städten Europas üblich, dass die Metzger Nachrichten von den umherziehenden Viehtreibern entgegennahmen und sie durch ihre Lehrbuben vor Ort verteilen ließen. Reitende Boten konnten sich nur Kaiser und Landesfürsten leisten. Sidonia griff nach Rosalias Arm: »Ist es ein Brief vom Reliquienhändler?«

Doña Rosalia starrte auf Sidonias schlanke Finger hinab. Claas van Berck zog seine Tochter fort und verbannte sie hinter seinen Rücken.

»Nein«, sagte Doña Rosalia und musterte die Gesichter der van Bercks, als handele es sich um widerwärtige Exemplare aus der Familie der Aasfliegen. Sidonia hielt die Luft an. Wenn der Sohn auch nur entfernt die Manieren seiner Mutter hatte, dann, dann ...

»Es ist ein Brief Adrians.«

»Adrian!« Sidonia stahl sich hinter dem Rücken des Vaters hervor. Claas van Berck leckte sich die Lippen. Doña Rosalia kostete den Moment ihrer Macht aus. Endlich sagte sie.

»Er ist in Köln und will dieses Haus morgen Abend aufsuchen.«

»Halleluja«, rief Claas van Berck. »Ganz Köln wird mich beneiden. Er wird die Zierde meines Festes sein, und ich kann die Verlobung verkünden. Was für eine gute Nachricht, zum Teufel noch mal!«

Doña Rosalia strafte ihn mit strengem Blick.

Claas van Berck sanken die Schultern herab. »Ich meine natürlich, prächtig, prächtig. Und, äh, lasset uns beten in meiner Hauskapelle ...«

Doña Rosalia wandte sich mit raschelnden Röcken der Tür zu. »Ich war eben auf dem Weg dorthin. Kommt, van Berck, und du auch mein Kind. Sidonia? Sidonia!«

Sidonia war bereits entschlüpft und nicht auf dem Weg in die Kapelle auf der anderen Seite des Flurs.

Claas van Berck dienerte sich an der Seite der Gräfin zur Kapelle voran: »Die Freude, Frau Gräfin, die Freude hat sie überwältigt. Sicher will sie allein einen Rosenkranz beten.«

»Oder einen Ausflug auf die Gassen unternehmen, um ihr Glück mit Fuhrknechten zu teilen.«

»Ehrwürdige Gräfin, was denkt Ihr von meiner Tochter!«, stieß Claas van Berck hervor und straffte seinen Bauch, was die eben gelöste Pluderhose ins Rutschen brachte.

Doña Rosalia wandte den Blick ab. Es war widerwärtig, dass ihr Lieblingssohn Adrian in diese Familie von Emporkömmlingen einheiraten musste. »Ich denke, dass es Sidonia an Frömmigkeit ebenso mangelt wie an Benehmen. Genau wie ihrem Bruder Lambert. Ich kann nicht garantieren, dass mein Sohn der vereinbarten Hochzeit zustimmen wird!«

Als ob es darauf ankäme, dachte Claas, während er den Bund der Pluderhose neu schnürte. Sollte die Heirat mit Adrian nicht zustande kommen, fiele dem Haus van Berck wegen Bruch des Ehevertrages der letzte Besitz der Löwensteins zu. So hatte er es mit dem klammen Grafen ausgehandelt. Die Besitzungen, die im Burgund lagen und schwer zu bewirtschaften waren, reizten van Berck allerdings weniger als der gute Name.

Lächelnd öffnete er darum der Witwe die Pforte seiner Kapelle, die Sankt Martin, dem Schutzpatron der Waffenschmiede, und dem Apostel Jakobus geweiht war. Die Heiligen flankierten die Pforte als Holzfiguren, beide trugen Miniaturschwerter aus den Werkstätten van Bercks. Ihre Gesichter waren dem des Kaufmanns nachempfunden. Schläue paarte sich darin mit Selbstbegeisterung.

»Werte Doña Rosalia, habe ich Euch schon von den Reliquien erzählt, die ich erwarte? Mein Händler muss gestern eingetroffen sein. Es wäre mir eine Freude, eine der schönsten an Euch zu übergeben. Neben dem Lehnsgut im Bergischen, das ein vortrefflicher Witwensitz wäre. Denkt nur, vierzig Fronbauern, Weingärten ...«

»Und eine eigene Kapelle?« Die Witwe verharrte auf der Schwelle zum Gebetsraum.

»Eine Kapelle mit einem auf Lebenszeit bepfründeten Diakon dazu! Er liest täglich zwei Seelenmessen für meine verstorbene Frau. Gegen eine weitere Stiftung wird er den Grafen Maximilian in seine Gebete einschließen und ihm tausende Jahre Fegefeuer ersparen.«

»Das ist nicht nötig. Für sein Seelenheil ist gesorgt«, sagte Doña Rosalia. »Mein ältester Sohn Aleander ist in Spanien ein hoher Kirchendiener, der sicher seinen Weg bis an den Kaiserhof machen wird.«

Der Kaufmann sah in ihren grauen Augen die Flamme des Hasses auflodern. Galt die Abneigung ihm, ihrem Sohn oder dem toten Grafen? Die Liebe der Weiber war unergründlich und undankbar.

Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band

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