Читать книгу Die Tarotspielerin/Das Geheimnis der Tarotspielerin/Das Tarot der Engel - Drei Romane in einem Band - Marisa Brand - Страница 19

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Die Kunde vom Tod seines Reliquienhändlers erreichte Claas van Berck am nächsten Morgen. Ein Ratsherr berichtete vom Tod des Pilgers, dessen Kopf ein Lachsfischer aus dem Rhein gezogen hatte. Der Kaufmann zeigte sich betrübt und ging nach dem Besuch des Ratsherrn in seine Kapelle, um ein Gebet für seinen Pilgervertreter zu sprechen.

Andächtig betrat er den Raum mit dem Kuppeldach, bekreuzigte sich vor dem Altar und versank in die Betrachtung seiner Sammlung, die er dem Reliquienhändler verdankte. Zärtlich fuhr er über die Phiole mit dem Tropfen Muttermilch Mariens, streichelte den Halm vom Stroh der Krippe Christi und schlug das Kreuz vor dem ledrigen Leichnam eines der von Herodes ermordeten Kinder zu Bethlehem.

Ein päpstlicher Ablasshändler hatte ihm beurkundet, dass die andächtige Betrachtung dieser Schätze einem Christen gut 11 853 Jahre Fegefeuer ersparten. Wie viel zählte dann erst ihr Besitz!

Claas van Berck war sein Seelenheil so kostbar wie sein Kaufmannsglück, und beides war eng miteinander verknüpft. Zuletzt hatte er den Daumennagel einer der tausend heiligen Jungfrauen Ursulas an den Kölner Erzbischof übersandt. Daraufhin hatte man Lambert einen Frevel während der Ostermesse – er hatte den Hut aufbehalten, als das Sanctissimum emporgehoben wurde – verziehen.

Das Versöhnungsgeschenk an den Erzbischof hatte freilich Kölns Rat verärgert. Mit dem Bischof stritt man derzeit über die Steuerbefreiung des kölnischen Klerus, über dessen Recht auf abgabefreien Weinzapf und Bierbrauerei in Klöstern, über Seidenweberei, kostenloses Getreidemahlen und Handel.

Man wollte gegen die kirchliche Konkurrenz, die alle Preise verdarb, den Kaiser anrufen. Für die geplante Reise der Kölner Gesandten nach Spanien wiederum hatte van Berck einen ordentlichen Betrag ausgelegt. Claas grinste, die meisten Bürger waren zu dumm, das Spiel »Diener zweier Herren« zu spielen und dabei Meister zu bleiben.

Er kniete sich ächzend in eine Bank, faltete die Hände und senkte den Blick. Er stutzte. Was war das? Unter dem Altartuch lugte ein Stofffetzen hervor. Van Berck erhob sich schwerfällig und zupfte an dem Stoff. Es war eine Fahne, wie sie die Studenten und Handwerksburschen am heutigen Schützentag zur Stadt hinaustragen würden.

Mit einem Ruck zerrte van Berck das Tuch hervor. Es war ein Rest des flämischen Seidenbrokats, aus dem Sidonias Verlobungskleid geschneidert war. Van Bercks Gesicht nahm die blutrote Farbe der Fahne an.

»Lambert«, schrie er und riss die Kapellentür auf. »Komm sofort zu mir! Lambert! Du Hundequast, du Lumpensack.« Wer sonst außer seinem Sohn konnte hinter diesem Streich stecken?

Auf das Tuch waren mit groben Stichen Bildnisse von Gott und Teufel gestickt. Vor dem Allmächtigen flackerte eine Talgfunzel, vor Luzifer brannten zwei Kirchenkerzen. Ein Spottbild, das seit einer Weile in Köln kursierte, auf Klostermauern gemalt und ans Rathaustor genagelt wurde, um anzuzeigen, dass alles, was dort betrieben wurde, aus Eitelkeit und Gewinnsucht geschehe, aber nicht zu Ehren Gottes.

Was sollte diese Verhöhnung seiner Kapelle vor dem Pfingstfest, dem Geburtsfest der katholischen Kirche? Und das am Tag der Verlobung Sidonias im Beisein einiger der gewaltigsten Herrn der Stadt und der Kirche. Als ob er nicht schon genug Scherereien hätte! Der Ratsherr hatte vorhin höchst anzügliche Bemerkungen wegen eines van Berck’schen Messers gemacht, das man nach dem Mord an seinem Jakobspilger gefunden hatte. Neben einer ketzerischen Orakelkarte.

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