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Vor einer Eckkneipe gießt ein Mann mit gekraustem, schwarzem Haar, Zigarette schief zwischen den Lippen, eine teigige Masse aus einem Plastikeimer auf eine rauchende Platte, streicht den Teig mit einem Schieber dünn aus, wendet ihn gleich darauf, hebt ihn angebräunt von der Platte und legt ihn zu dem Haufen vorgefertigter Crêpes. Max kommt an ein paar kleinen Esslokalen vorbei, die alle Couscous anbieten. Wie wäre es, wenn er Claire wieder einmal zu einem Couscous royale einladen würde? Er sieht vor seinen Augen einen Berg aus Weizengrieß, daneben Lamm, Huhn, Merguez, sieht eine große Schüssel, worin in einer Hühnerbrühe verschiedenes Gemüse schwimmt, besonders Kichererbsen, er streicht in Gedanken Harissa an den Tellerrand, tunkt das Fleisch darin, die rote Paste aus Pfefferschoten brennt in der Kehle nach, während der Happen Fleisch schon längst gekaut und geschluckt ist. Aber womöglich würde Claire befinden, dieses Gericht sei zu scharf für sie und vor allem für ihn, er werde es später auf der Toilette zu büßen haben.

Er biegt in die Passage du Désir. Die Tafel ist nicht zu übersehen: «Urinieren verboten!» Freilich! Max lacht laut auf. Bei dem Namen – Durchgang des Wunsches – der Begierde – darf die entsprechende Verbotstafel nicht fehlen.

Die Passage mündet in eine Seitenstraße. Plötzlich rennt ein kleiner Junge mitten auf die Fahrbahn, kommt zum Glück aber gleich wieder auf den Gehsteig zurück.

«Du darfst nicht einfach ohne zu schauen auf die Straße laufen», ermahnt ihn Max. «Hat man dich das nicht gelehrt? Stell dir vor, wenn jetzt ein Auto gekommen wäre.»

Eine junge Frau läuft herbei, nimmt den Jungen an die Hand.

«Was quatschen Sie mein Kind an!»

«Ich hab ihm nur gesagt, er solle …»

«Lassen Sie mein Kind in Ruhe!»

Sie mustert ihn von Kopf bis Fuß.

«Sie machen mir nichts vor, Sie nicht! Kleine Jungen anquatschen, um sie irgendwohin zu locken, Sie altes, dreckiges Schwein.»

«Na hören Sie mal!» Max hat es beinahe die Sprache verschlagen. «Ich … ich hab doch nur …»

«Sie machen mir nichts vor! Gerade die alten Männer sind die Schlimmsten. Man liest es ja jeden Tag auf Twitter. Wenn ich Sie noch einmal hier in der Gegend antreffe, rufe ich die Polizei. Komm, mein Schätzchen.» Und sie zieht den Jungen an der Hand mit sich fort.

Unterdessen sind mehrere Passanten auf die Szene aufmerksam geworden und starren zu Max hin. Er entfernt sich ebenfalls so schnell als möglich. Nur keine weitere Aufmerksamkeit auf sich lenken. Zwar hat er sich nichts vorzuwerfen. Niemand kann ihm etwas vorwerfen. «Gerade die alten Männer …», – alten Männer … – was zum Teufel soll das!

Er steht schließlich mitten im Abendverkehr auf dem Place de la République, wo er im Schwarm der Heimkehrer die Treppen zur Metro hinunter trabt. Claire würde nichts merken. Er schaut die Leute an. Die eilen nach Hause wie jeden Abend, es ist ein Abend wie jeder Abend, wie immer, da hat sich nichts geändert, es hat sich nichts geändert, rein gar nichts. An der Kreuzung zweier Korridore steht ein Junge und spielt Geige, eine Melodie voller Melancholie und Trauer. Er hat ein feines Gesicht, lange, glänzende Haare. Oder ist es ein Mädchen mit flachem Busen? Nein, und er erinnert Max an den Jungen im Film «Tod in Venedig», den er vor Jahren gesehen hatte. Neben dem Geigenspieler steht ein zweiter Junge mit Trompete und wartet auf seinen Einsatz.

Endstation Alpenparadies

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