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Wieder starrt er in den Hof zum Haus gegenüber. Im Fenster auf gleicher Höhe seines Büros drei Köpfe. Vollständig kahl, grau, jeder Mund eine Grimasse, die Wangen eingefallen, drei Köpfe, Greisenköpfe, jeder auf einen dünnen Stab gespießt. Eine Gänsehaut läuft Max Berger über den Rücken. Hässliche Puppenköpfe. Es sind bloß Puppenköpfe. Dennoch starrt er wie gebannt.

Kurz nach achtzehn Uhr verlässt er das Büro.

Max schaut bestürzt seine Schuhe an, wischt so gut als möglich die Sohle an der Bordkante ab, hinterlässt eine stinkende, braune Fußspur. Er verschwindet im Eingang zur Metro.

Die Frau im Abteil gegenüber spricht auf ihre Sitznachbarin ein. Max stutzt, spitzt die Ohren. Alpenparadies Dolce Vita.

Plötzlich merkt er, dass er in der falschen Metro sitzt. Das ist ihm seit über dreißig Jahren noch nie passiert! Und alles nur wegen eines Hundedrecks!

Max steht schnell auf. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als zurückzufahren. Er zwängt sich durch die Menge zur Tür. Eine Treppe hoch, durch einen Korridor, kleine Treppe hinunter, Korridor, Treppe hoch, Korridor … Klänge eines Akkordeons … Korridor, ein paar Stufen hinunter, Korridor, ein Blinder mit Akkordeon, Treppe hoch, Korridor, Treppe hoch …

Straßenlärm, Benzinschwaden. Max hebt verwundert den Blick. Er steht tatsächlich auf der Straße, hat, anstatt umzusteigen, den Ausgang erwischt!

Das Gespräch der zwei Frauen. Unsinn! Was ginge es ihn an!

Grübelnd geht er vorwärts, an der Blumenverkäuferin vorbei, stößt beinahe einen Kübel mit Rosen um. Gut, die Bevölkerung Europas wird immer älter, das ist nicht zu leugnen. Trotzdem. Es lohnt sich nicht, weitere Gedanken daran … Alpenparadies! Jetzt erst merkt er, dass er vor der Comédie-Française steht. Er ist schon eine Ewigkeit nicht mehr hier gewesen. Als Stagiaire hatte er sich manchmal in die lange Schlange vor der Kasse eingereiht. Eigentlich hatte er nur ein Jahr in Paris bleiben wollen, um seine Französischkenntnisse zu verbessern. Seither nennt er sich «Bersche». Ein Jahr; und wie’s so geht … Später besuchte er mit seiner Frau ein paar Vorstellungen im «Français», natürlich auf besseren Plätzen. Das ist schon so weit weg.

Er biegt in die Avenue de l’Opéra. Straßenlärm, Benzinschwaden. Max muss sich an einer der Straßenlaternen festhalten. Nichts anmerken lassen. Es kommt nur darauf an, einen Schritt vor den andern zu setzen, nur weitergehen, weitergehen. Und es geht. Das leichte Schwindelgefühl ist verschwunden. Die nächste Straßenlaterne taucht auf. Dazu da, den Glanz der Lichterstadt im Kutschenzeitalter vorzugaukeln. Und plötzlich packt ihn eine wilde Lust, der Laterne einen Tritt zu versetzen, dieser Laterne! Von der gegenüberliegenden Straßenseite schaut ein Polizist zu ihm herüber. Der Polizist wendet seinen Blick nicht ab! Max dreht sich langsam um, geht zurück, wird immer schneller, muss sich zurückhalten, um nicht zu rennen.

Eine wohltuende Stille. Nur ein fernes Rauschen unter dem Gurren der Tauben. Max bleibt stehen, atmet tief durch. Der Garten des Palais Royal ist menschenleer. Die Mütter sind mit ihren Kindern, die in den Sandkasten spielten, nach Hause gegangen. Nur eine alte Frau sitzt auf einem wackeligen Stuhl, eine Serviette auf den Knien, und isst ihr Abendbrot. Um sie herum flattern und trippeln unzählige Tauben und Spatzen.

Diese Alte … Das ist doch der beste Beweis, dass es nur dummes Geschwätz ist, was die beiden Frauen in der Metro erzählten.

Max wirft einen Blick auf die Armbanduhr. O je! Claire wartet sicher schon mit dem Essen auf ihn.

Endstation Alpenparadies

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