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Max bleibt vor einem Geschäft stehen. In Holzgestellen sind Hemden, Socken, weiße Herrenunterhosen und -unterhemden gestapelt, türmen sich auch mitten im düsteren Raum, umschließen ein Männchen, das auf einem hohen Hocker sitzt, Zahlen in ein Buch schreibt und mit dem Kopf kaum über die Hemden, Socken, weißen Herrenunterhosen und -unterhemden hinaussieht. Über dem Schaufenster eine verwitterte Schrift: «Achat – Vente – Import – Export».

Das Geschäft ist nur ein paar hundert Schritte vom Hofeingang zu seiner Firma entfernt, er ist über dreißig Jahre zweimal im Tag daran vorbeigegangen, aber nie hätte er die Schrift gelesen, nie wäre er hier stehen geblieben. Ein schrilles Hupkonzert lässt ihn zusammenschrecken. Die Straße ist vollständig verstopft. In der seitlichen Rue Beauregard steht ein Lastwagen mitten auf der Fahrbahn, Arbeiter sind dabei, ihn auszuladen, schleppen Stoffballen um Stoffballen weg: das kann Stunden dauern. Die Autos stauen sich über die Kreuzung hinunter bis über die Grands Boulevards.

Er hebt den Blick. Vor ihm ein Baum mit hängenden, blätterlosen Ästen, auf denen unzählige zerzauste Tauben sitzen.

Wieder die Stimme des Direktors in den Ohren: «Würden Sie bitte zu mir kommen.»

Bitte! Aber gerne.

Vor einiger Zeit bekam er einen Mitarbeiter – so einen Schnösel. Und dann kam der neue Computer. Für den Schnösel kein Problem. Der ist darauf spezialisiert. Ist doch schon selbst ein Computer. Hatte für Max, der sich mit Händen und Füßen dagegen stemmte, gegen den neuen Computer und den Mitarbeiter, nur ein müdes Lächeln übrig.

«Würden Sie bitte zu mir kommen.»

Der Direktor forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sich zu setzen.

«Monsieur Berger, wir schätzen Sie sehr als immer pflichtbewussten Mitarbeiter. Wirklich! Aber heutzutage kann selbstverständlich niemand mehr ein Leben lang auf dem gleichen Posten kleben bleiben. Das ist auch gut so. Es heißt flexibel sein, wandern, wie es so schön in einem alten deutschen Lied besungen wird. Sie als Schweizer kennen es bestimmt. ‹Das Wandern ist des Müllers Lust›.»

«Ich habe schon seit langem die französische Staatsbürgerschaft. Seit meiner Heirat.»

«Ich weiß. Aber was ich sagen wollte, unsere Wirtschaft braucht junge, frische Talente, mehr denn je. Davon können auch wir uns nicht ausschließen, profitieren tun sowohl die Firma wie die Mitarbeitenden.»

Der Direktor hüstelt, blättert in einem Dossier vor sich auf dem Tisch.

«Wie ich Ihren Personalakten entnehme, äh, haben Sie noch nie um eine Gehaltsaufbesserung ersucht. Gibt es dafür eine Erklärung?»

Max schaut verwirrt.

«Verstehen Sie mich nicht falsch, aber dies zeugt doch eher von mangelndem Ehrgeiz, äh, selbst wenn wir einem diesbezüglichen Gesuch höchstwahrscheinlich nicht hätten entsprechen können. Und wie mir zu Ohren gekommen ist, verstehen Sie sich leider nicht sehr gut mit ihrem neuen Kollegen. Wie gesagt, äh, wir schätzen Sie sehr, aber …»

Max lässt den Direktor nicht weiter zu Wort kommen. Nicht mit ihm, wenn er auspacke, dann … jahrelang wurde doppelte Buchhaltung geführt, doppelt in dem Sinn, dass gewisse Kontoblätter verschwanden, sobald die Rechnungsrevisoren am Firmenhorizont auftauchten, das heißt, sich brav anmeldeten, das Buschtelefon war nicht nötig. Es folgte eine kurze Phase hektischer Arbeit. Den Revisoren wurden falsche Kontoblätter vorgelegt, jawohl.

Der Direktor ist erst sprachlos, fängt sich aber schnell wieder, er wisse von nichts, seine Stimme wird energischer, und er droht Max mit Gericht und Gefängnis.

«Alpenparadies Dolce Vita», entgegnet Max mit einem grimmigen Lächeln.

Endstation Alpenparadies

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