Читать книгу HORIZONTE ÖFFNEN - Markus Orians - Страница 11
1.3.4 Kleine Satire
ОглавлениеWas sind das für Menschen, die so etwas tun? Ich kenne niemanden, aber es gab zumindest seit der Antike in Griechenland immer Menschen, die nichts tun mussten und trotzdem gut leben konnten. In Griechenland waren es die Bürger. Da die Sklaven und die Frauen arbeiteten, konnten sie sich um die Demokratie kümmern. Sie hatten einen Spielplatz auf dem sie sich austoben konnten. Auf dem Marktplatz konnten sie reden, sich mit anderen abstimmen und wählen. Sie konnten sich dabei sehr wichtig vorkommen und insgesamt herrschte eine notwendige Spannung darüber, wer besser redet oder mehr Bürger auf seine Seite bekommt. Mit dieser Spannung konnten sie leben und das Leben auch genießen und sich selbst als sehr bedeutend einschätzen.
Im Mittelalter hatte der Hochadel eigentlich auch keine Aufgabe. Aufgrund ihrer Geburt war ihnen der Status sicher und gearbeitet haben die Bauern und Handwerker. Damit es nicht zu langweilig wurde, überfiel man immer wieder mal den Nachbar, um noch bedeutender zu werden. Dabei beobachtete man in der Regel den Kampf aus sicherer Entfernung. Gekämpft haben in erster Linie die Bauern und Ritter. Gab es gerade mal keinen Krieg veranstaltete man Rit-terfeste. Jeder konnte zeigen, wie männlich er war, wenn er mit der stumpfen Lanze getroffen wurde. Für die Moral gab es dann die Minne. Man himmelte eine adelige Frau an, verzehrte sich nach ihr und wenn sie einem einen Blick oder so-gar den Schal zuwarf, dann war man als Mann im siebten platonischen Himmel.
Und offensichtlich gibt es auch bei uns nicht wenige und immer mehr Bürger, die nichts tun müssten, und trotzdem richtig gut leben können. Das wäre aber, vor allem wenn man relativ jung ist, einfach zu langweilig. Also haben auch sie etwas gesucht, einen Spielplatz, auf dem sie zeigen können, was für besonders tolle Männer sie sind. Und diesen Spielplatz haben sie im Laufe der Jahre immer mehr ausgebaut. Mittlerweile gibt es da Ecken, die kennen sie selbst nicht mehr. Ich kann mich noch erinnern, als man in der Foxtönenden Wochenschau in den 60er Jahren Männer in der Börse gezeigt hat, wo jeder versuchte noch lauter als der andere zu schreien. Dabei gaben sie, so denke ich kund, Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Für mich sah das aus, als wären hier halbstarke, zumindest leicht ver- rückte Männer am Werk, wo der eine ruft: Ich will auch das rote Bonbon haben, das der da hat. Und wenn es geht, soll es ein bisschen größer als das des anderen sein. Und wer am lautesten brüllte hat es dann auch gekriegt, das rote Bonbon. Deshalb war es dort lauter als in jeder Schulklasse. Ich weiß wovon ich rede. Zumindest was die Schulklasse betrifft. Die Börse als Kinderspielplatz, als Abenteuerspielplatz, weil sonst das Leben einfach zu langweilig wäre. Mit der Minne, das würde heute nicht mehr so ganz passen. Wir wissen mittlerweile, bei ihnen bin ich mir noch nicht mal sicher, ob sie dies wirklich wissen, wie gefährlich ihre abenteuerlichen Spiele geworden sind. Der Besitz des roten Bonbons lässt Menschen verhungern, oder hebelt gleich einen Staat aus den Angeln und bald vielleicht sogar ganz Europa. Das heißt, dass der Spielplatz ganz schön gefährlich geworden ist, zumindest für die, die nicht um das rote Bonbon streiten.
Wir wissen nun aber auch, dass alle, die da auf dem Abenteuerspielplatz Finanzmarkt sind, gar nicht so sonderlich glücklich sind. Es ist ja auch wirklich anstrengend und stressig jeden Tag mit den anderen, um das rote Bonbon zu streiten. Die Neuropsychologie hat festgestellt, dass man glücklicher wird, wenn man etwas gibt, statt etwas nimmt. Wir müssten diese armen Spekulanten hier einfach ein bisschen unterstützen, wenn wir möchten, dass sie etwas glücklicher werden. Ich denke, wir sollten uns überlegen, wie wir ihnen einen anderen Spielplatz, eine andere Herausforderung verschaffen können. Einen Spielplatz, bei dem sie so richtig zeigen können, was für tolle Männer sie sind. Man muss ihnen nur das Gefühl geben, dass sie ganz toll sind. Was für ein Spiel wäre denn für sie angemessen? Sie reisen ja alle gern. Also könnten sie z.B. nach Acra reisen, nach Ghana, zu den Menschen, die Tag für Tag auf einer riesigen Fläche Elektroschrott aus Europa verbrennen, um an das begehrte Aluminium, Kupfer und Eisen zu kommen. Leider müssen sie deshalb die Kunststoffbehälter dabei verbrennen, dabei die Abgase schlucken und den Boden verseuchen. Das wäre doch wirklich mal eine echte spannungsgeladene Situation, wo sie sich überlegen könnten, was wohl für diese Menschen sinnvoller wäre, wie sie ihre Familien ernähren könnten. Da hätten sie doch wirklich mal eine Aufgabe, bei der sie nicht zerstören sondern etwas aufbauen könnten und damit glücklicher werden. Es gibt dort ganz viele Spielplätze, Flüchtlingscamps in Kenia, oder Äthiopien... Wir wollen sie nicht gleich überfordern, indem wir sie sofort an Orte schicken, wo sie direkt sehen können, was sie auf ihrem Abenteuerspielplatz alles anstellen. Und zur Belohnung, solange sie das brauchen, könnte man ihnen ja rote Bonbons geben. Wir müssen für diese Verirrten ein soziales Netzwerk schaffen, um sie in die Gemeinschaft wieder zu integrieren und dafür sorgen, dass sie glücklicher werden. Es könnte sich für alle lohnen!
Vor drei Jahren stellte die Königin von England in der „School of Economics“ (LSE) die simple Frage: „Warum hat niemand den Finanzcrash kommen sehen?“ Der Abteilungsleiter Luis Garicano antwortete genau so simpel: „ Zu jedem Zeitpunkt verließ sich irgendjemand auf irgendjemand anderen und alle dachten, sie würden das Richtige tun.“ So einfach tickt die sogenannte Elite! Es gab einige Ökonomen, die die Krise vorhersagten. Es waren diejenigen, die in der Branche als Außenseiter galten: „ Das Problem sind die Dinge, die wir wissen und die nicht stimmen“, sagt der US Komiker Will Rogers. In einer Welt, in der die Wirt-schaft und mit ihr die Politiker glauben, dass die Wirtschaft selbstständig zu sta-bilen Gleichgewichten findet solange der Staat sie in Ruhe wursteln lässt, sind keine Krisen vorgesehen. Leijonhuvwud schertzt, dass die ökonomischen Wis-senschaftler ihren Studenten solange erzählen, dass die Menschen die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse kennen, bis die Studenten verstehen, dass sie erst ihren Abschluss machen können, wenn sie dies ebenfalls glauben. ( Berliner Zeitung, 16. April 2012 Verlorenes Paradies)
Auf dem Finanzmarkt werden täglich viele Billionen Dollar umgeschichtet. Dieses Geld ist weitgehend entkoppelt von dem was auf dem Gütermarkt wirklich ge-schieht. Der Arbeitsmarkt hat 2011 weltweit einen Wert von 45 Billionen Euro geschaffen. Das gesamte Verdienst aller Menschen betrug 42 Billionen Euro. Die gesamten Spekulationen weltweit „1500 Billionen Euro“!! Etwa das 33 fache des gesamten Güterverkehrs. Während in den letzten 20 Jahren die Weltwirtschaft um das 3 fache zunahm, wuchsen die Spekulationen um das „300 fache“!!. (Berliner Zeitung, 14.März 2012). Alle Spekulationen greifen trotzdem tief in die Wirklichkeit ein, wenn sie auf die Pleite von Staaten wetten oder darauf, dass Lebensmittel teurer werden. Alles, was auf dem Finanzmarkt geschieht, muss irgendjemand bezahlen. Alles hat seinen Preis. Entweder, indem Menschen Lebensmittel nicht mehr kaufen können, weil sie zu teuer sind, oder Wälder abgeholzt oder Meere leer gefischt werden. Immer verliert irgendjemand oder etwas, wenn Spekulanten Gewinne machen. Die Entkopplung des Geldes von den objektiv wirklich vorhandenen Gütern hat den Staat, die Staaten, wie man sieht nahezu entmachtet. Warum lassen sie und wir uns das gefallen?