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1.1 Was verbindet unsere Gesellschaft?
ОглавлениеWeshalb ist eigentlich der Sozialismus Ende des 20. Jahrhundert regelrecht un-tergegangen. Die Menschen hatten ja etwas Verbindendes, den Sozialismus, aber warum konnte diese doch theoretisch gerechte Philosophie nicht überleben. Was fehlte ihr?
Während Karl Marx den Menschen auch verändern wollte, glaubte Lenin, dass eine geistige Wende nicht notwendig ist. Zumindest glaubte er dies solange, bis er am Ende seines Lebens den Charakter von Stalin erkannte. Er wollte mit aller Macht Stalin als seinen Nachfolger verhindern. Es kam, wie wir erfahren mussten aber anders. Für Marx ging es bei der Entwicklung zum Sozialismus nicht in er-ster Linie um mehr Konsum. Der Stalinismus wollte aber dem Kapitalismus Kon-kurrenz machen. Bloch meinte, dass der Sozialismus des gesamten Ostens die Gefühle der Menschen vernachlässigte. Dies sehe ich ähnlich, glaube aber auch, dass man auch etwas anbieten muss, was über die Materie hinausgeht. Ethik und Spiritualität. Mo Ti´s Sozialismus im alten China konnte mehrere Jahrhunderte existieren, bis er verboten wurde, weil er einen spirituellen Ansatz hatte. Ihn verband die Ethik, eine Gemeinschaft, die auf dem Prinzip des Friedens, der Ge-rechtigkeit und der Liebe aufgebaut war. Dies fehlte dem marxistisch-leninistischen Sozialismus. Ohne eine verbindende Moral, die die führenden Po-litiker auch vorleben, kann keine gerechte Gesellschaft sich langfristig positiv entwickeln.
Eine funktionierende Gesellschaft braucht etwas, das alle Menschen miteinander verbindet. Jahrhundertelang war dies die Religion. Diese Zeit ist zumindest in unserer Gesellschaft vorbei. Was verbindet uns heute? Die Industrieländer und bis auf China alle Schwellenländer leben in einer marktkonformen Demokratie. Das heißt der Markt, die Ökonomie, das Wachstum und der Profit dominieren die Demokratie. Das, was uns alle verbindet ist ein kapitalistisches System. In Deutschland durch die soziale Markwirtschaft etwas abgemildert, aber seit der Globalisierung in den 90er Jahren, nehmen die sozialen Verpflichtungen zuneh-mend ab.
Kapitalisten gibt es schon lange. Das Wort Kapitalismus selbst hat aber eher eine kurze Geschichte. Es stammt von dem Dichter Samual Taylor Coleridge, der es 1823 zum ersten Mal verwendete. Niemand kann sich heute dem Kapitalismus entziehen, auch Menschen nicht, die ihn ablehnen. Religio ist lateinisch und heißt auch „ich verbinde“. Daher wird der Kapitalismus auch als Religion bezeichnet. Jeder nimmt in irgendeiner Form an der Marktgesellschaft teil. Entweder als Konsument, als Lohnempfänger oder (und) als Produktionsmittelbesitzer. Auch wenn jemand Hartz IV bezieht, es ist Geld, das auf dem Markt durch die Arbeit anderer Menschen erwirtschaftet wurde.
Nachdem der Kommunismus wegen der mangelnden Moral fast in der ganzen Welt bis auf China, Nordkorea und Kuba zusammenbrach, wurde die Moral des Kapitalismus nicht mehr hinterfragt. Es gibt zurzeit auch kaum eine wirkliche ökonomische Alternative. Diese muss erst entwickelt werden.
Niemand hat den Kapitalismus besser analysiert als Karl Marx. Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das drei Säulen hat:
Privateigentum: Den Besitz der Produktionsmittel und der Tauschmittel. Dies ist einmal der Besitz des Bodens, der Häuser und der Maschinen, um mit ihnen und den Lohnarbeitern als Tauschmittel die Waren herzustellen.
Die Freiheit des Marktes
Die Lohnarbeit
Privateigentum, von lateinisch privare, was bezeichnenderweise berauben heißt, weil sie andere von dessen Gebrauch und Genuss ausschließt. Diese Form ist für den Kapitalismus etwas „Natürliches“ und Universales. Wenn wir die Entwicklung der Menschheit betrachten, ist sie eher eine Ausnahme. Im Kapitalismus spielt es keine Rolle woher das Privateigentum kommt. Es geht niemanden etwas an, woher und wie das Eigentum erworben wurde und was ich als Besitzer damit mache. Das Eigentum soll zwar verpflichten, aber für was wird nicht gesagt und darf niemanden interessieren.
Die Besitzer, bei den großen Firmen, die Aktionäre, lassen die Lohnarbeiter für sich arbeiten. Die Lohnarbeiter erzielen über die Arbeit einen „Mehrwert“. Das heißt der Wert, den sie herstellen, übertrifft den Lohn, den sie erhalten. Diesen „Mehrwert“ bekommt der Unternehmer. Je größer der Mehrwert, umso größer der Gewinn für ihn oder die Aktionäre.
Der Kapitalismus ist ein Wirtschaftssystem, das Gewinn erzielen will. Er ist dafür da, diejenigen die die Produktionsmittel besitzen noch reicher zu machen. Das ist der „Sinn“ des Kapitalismus. Das Geld fließt nicht zu denen, die wenig haben und wo es eher gebraucht wird, sondern es fließt dorthin, wo schon Geld ist.
Comte- Sponville erkennt in unserer Gesellschaft 4 hierarchisch aufgebaute Ord-nungssysteme:
Die Technowissenschaften: Bei den Technowissenschaften geht es um die Frage. Was ist möglich und was ist unmöglich? Im Kapitalismus, bei den Technowissenschaften wird alles, was möglich ist gemacht. Es gibt hier keine Moral. Wenn es für irgendetwas einen Markt gibt, wird es herge-stellt. Selbst wenn der technologische Fortschritt den Bestand der Menschheit gefährdet, wie z.B. durch die Atombombe oder bei Genma-nipulationen. Die Technowissenschaften werden alles was möglich ist, aus-probieren.
Die rechtlich politische Ordnung. Das Recht liegt beim Staat. Rechtlich ist erlaubt, was die Gesetze nicht verbieten.
Die Ordnung der Moral. Moral ist die Plicht, nach Kant die Gesamtheit aller Pflichten und zwar unabhängig von Lob oder Strafe. Es ist die Pflicht, die wir uns selbst auferlegen. Es ist die Art zu handeln, als ob wir lieben würden.
Die letzte und höchste Ordnungsmacht ist die Ethik. Ethik ist aus Liebe heraus zu handeln. Weil dies uns so schwer fällt, brauchen wir die Moral, also die Tugenden.