Читать книгу HORIZONTE ÖFFNEN - Markus Orians - Страница 20
1.5 Wachstum wie bisher – ist nicht zukunftsfähig
ОглавлениеHolger Rogall sagt, dass unter den Vertretern nachhaltiger Ökonomie Einigkeit besteht, dass das bisherige Wachstum- Paradigma nicht zukunftsfähig ist:
bis heute haben weder die Konsumenten, die Unternehmer noch die Politiker diese Brisanz verstanden. Man könne noch nicht erkennen, welchen Weg wir ge-hen werden. Entweder wird das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Nachhal-tigkeit oder ein Jahrhundert der Verteilungskonflikte, der Klima und der Ressour-cen Kriege. Die Kämpfe haben bereits begonnen.
Die jetzigen Industriestaaten müssen aufgrund des intragenerativen G-rechtig-keitsprinzip ihren Ressourcenverbrauch bis zu „90 %“ in den nächsten 50 Jahren mindern.
Das Leitbild der Nachhaltigkeit ist ethisch begründet. Es basiert auf den ethischen Grundwerten der Gerechtigkeit und der Verantwortung. Alle Nachhal-tigkeitskonzepte auf ökonomischer Ebene sind auf Verteilungsgerechtigkeit und Zukunftsverantwortung angelegt.
Das größte Marktversagen ist die Klimaerwärmung. Soll der Treibhausgehalt und der Temperaturanstieg auf 22,4 Grad Celsius am Ende dieses Jahrhunderts gegenüber dem vorindustriellen Wert begrenzt bleiben, dann muss das Wachs-tum der Emissionen in den nächsten 15 Jahren gestoppt werden und bis 2050 um mindestens 60 % gegenüber heute sinken. Wird dieses Ziel nicht erreicht, werden wir die Folgen nicht mehr bezahlen können! Wir können es uns auch nicht aus ethischen Gründen erlauben! Wir entfernen uns zurzeit immer weiter von diesem Ziel, denn nach heutigen Berechnungen werden wir um die 3,2 Grad erreichen. Die polare Eisfläche schmilzt zurzeit zwei bis dreimal schneller als man dies bisher berechnet hatte. Aber nicht nur die polare Eismasse schmilzt. Am 23. Januar kam auf 3sat ein Film über die Alpen unter der Überschrift: „ Die Hölle ist die Summe unserer Versäumnisse.“ Wissenschaftler sprachen davon, dass die Gletscher viel schneller zurückgehen, als sie bisher annahmen. Schon heute kann ohne künstlichen Schnee durch die Schneekanonen kein regelmäßiger Skitourismus mehr stattfinden. In 15 Jahren sagen sie wird es keinen Skisport mehr geben, weil es selbst für die Schnee-kanonen zu warm ist. Die Gefahren für die Dörfer und Städte durch Muren, Gerölllawinen, Hochwasser und Felsen-abbrüchen können heute noch gar nicht ermessen werden. Sie bemerkten aber auch, dass dies, wie bei fast allen Katastrophen, die erst in absehbarer Zukunft kommen werden, die Menschen und vor allem die politisch Verantwortlichen bisher nicht wirklich wahrnehmen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass es in Bayern, Italien, Schweiz, Österreich und Frankreich bald keinen Skitourismus mehr geben wird und damit eine der wichtigsten Geldquellen dort versiegen wird. Aber nicht nur in den Alpen schmelzen die Gletscher weg. Im Himalaya geschieht dies genauso, wie auch in den Anden, mit Auswirkungen auf den Wasserhaushalt von vielen, wenn nicht gar hunderten Millionen Menschen. (China, Bangladesch, Indien, Tibet, Nepal, Peru...)
Einerseits wird es dann Millionen Menschen geben, die vom Wasser akut bedroht sind, weil dies heißt, dass der Meeresspiegel steigen wird, andererseits kann es 2025 gut sein, das 2/3 aller Menschen in Gegenden leben, die von Wassermangel bedroht sind. Dies heißt Abnahme der Ernteerträge und Zunahme des Hungers. Besonders Asien ist gefährdet. Man rechnet mit 40 Millionen Städten und wo die Menschen hin sollen, die jetzt noch am Ufer des Meeres zum Beispiel in China leben, das Land, das dann vom Meer bedeckt sein wird, weiß auch niemand. Der Umweltschutzverband WWF gab bekannt, dass es zwischen 2000- 2011 fünfzig bewaffnete Konflikte nur wegen des Wassers gegeben hat.
Wir müssen uns sobald wie möglich vom fossilen Zeitalter verabschieden und in das Solarzeitalter wechseln. Bis Ende des 18. Jahrhundert benutzten die Men-schen fast nur erneuerbare Energien. In Europa waren etwa 600 000 Wasser-mühlen in Betrieb. Noch 1895 gab es 18 000 Windmotoren und 55 000 Wasser-motoren und nur 59 000 Dampfmaschinen und 21 000 Verbrennungs-kraft-maschinen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Kohle Hauptenergieträger. Öl und Gas wurde erst nach dem 2. Weltkrieg genutzt. An-fang des 20 Jahrhundert galten die erneuerbaren Energien als unmodern. Dieses Denken hielt sich bis zur ersten Erdölkrise 1970. Die fossilen und atomaren Ener-gieträger liefern uns gerade mal 0,6 % des Energieaufkommens von der Sonne in Deutschland.
Heute weisen fast alle natürlichen Ressourcen Knappheitsgrenzen auf.
Alle wichtigen internationalen Organisationen, wie: WTO, IWF, UN- Sicherheitsrat und die Weltbank haben eher kapitalistische als nachhaltige Ansätze. Sie werden in der Regel auch von Juristen, Technokraten oder Ökonomen regiert. Trotz ihrer Macht haben sie bisher nach Krisen und Katastrophen nie etwas unternommen, was die Kapitalmärkte einschränken könnte. Zum Beispiel unterstützt die Weltbank die Privatisierung von Trinkwasser. Dadurch ist vor allem in Afrika und Lateinamerika das Trinkwasser zu einem wertvollen Gut geworden. Konzerne wie Coca Cola oder Nestle regulieren und kontrollieren das wertvolle Nass und verkaufen, um ihren Profit zu erhöhen, das Trinkwasser immer häufiger in Fla-schen. Dadurch entsteht immer selbstverständlicher der Eindruck für die Ärmsten aller Armen, dass Wasser ein Lebensmittel ist, das man wie z. B. Kar-toffeln oder Reis im Supermarkt kaufen muss.
Sind reiche Menschen wenigstens glücklich? Die reichsten Länder sind: USA, Japan, Schweiz...Deutschland. Die glücklichsten: Bhutan, Mexiko, Norwegen. Mil-liardäre sind nicht glücklicher als arme Reisbauern in Indien. Deutschland liegt an 22. Stelle. Bhutan nach BIP (Bruttoinlandsprodukt) an 132. Stelle von 194 Staaten.
Die höchste Glücklichkeitsquote hat man in der westlichen Welt in den 50er Jahren gemessen. Seit dieser Zeit haben die Depressionen, um das 10fache zugenommen. Glücksforscher E. Lane stellt fest, dass Wirtschaftswachstum und Depressionszunahme miteinander verbunden sind. Dies war die Zeit, wo der Be-darf an Gütern gedeckt war. Unsere Wirtschaft erfüllt nicht mehr unsere Sehn-süchte, sie erzeugt sie erst. Wenn wir heute dieselben Güter, wie damals in den 60er Jahren hätten, als wir am glücklichsten waren, wir wären damit nicht mehr so zufrieden wie damals. Unser Selbstbewusstsein, unser Glück wird ganz ins Materielle verlagert. Dafür sorgt die Werbung. Sie spricht den Status von uns an. Der Status ist etwas Exklusives. Er unterscheidet mich von den anderen. Ich will einfach mehr als der andere haben, oder zumindest muss es eine andere Form, Farbe oder sonst was anderes haben. Ich will super sein, ein Star, entweder der Beste oder wenn das nicht klappt, wenigstens der Schlechteste, oder Gemeinste, oder... Die Werbung suggeriert, dass wir uns durch dieses neue Produkt einen Vorteil gegenüber den anderen verschaffen. Ein Kind soll wenn es in die Schule kommt ungefähr 100 000 Werbesendungen schon gesehen haben. Wenn es auch sonst keine Lieder kennt, die Fernsehslogans kann es rauf und runter singen. Wie soll man als Pädagoge dagegen noch ankommen.
Wenn jeder anders als der andere sein will, gibt es immer weniger „das Uns und das Wir“. Dieses Abgehobensein Wollen wird durch die Werbung und deren Trä-ger die großen Wirtschaftskonzerne geschaffen. So wie wir wirtschaften, so wie wir von der Wirtschaft zu Konkurrenten gemacht werden, verlieren wir zunehmend unser Zusammengehörigkeitsgefühl. Tagtäglich werden wir zum Haben- Wollen indoktriniert. Nie war eine Gesellschaft so leicht zu kaufen, so korrupt, weil sie auf das Materielle so fixiert ist, ohne dass sie glücklicher deshalb geworden ist. Angenommen ich habe im Monat bisher 2000 Euro verdient. Nun verdiene ich durch „glückliche“ Umstände plötzlich 5000 Euro. Natürlich erfreut mich das, ich könnte die ganze Welt umarmen und bin sicher auch glücklich, solange ich mir eine neue größere Wohnung aussuche, neue Möbel und ein neues Auto kaufe. Doch bald habe ich mich an diesen Standard so gewöhnt, dass ich morgens trotzdem müde und gequält aufwache und ungern zur Arbeit gehe. Ich bin von diesem Augenblick an, nicht mehr glücklicher als zuvor, als ich noch 2000 Euro verdient habe. Materielles Glück ist eine flüchtige Sache, weil auch die Summe der Abhängigkeiten wächst. So kann man vielleicht verstehen, dass Zocker ständig einen neuen Hyp brauchen. Aber müssen wir diese Sucht, diese „Krankheit“ auch noch unterstützen? Diese Menschen gehören eher auf die Couch zu einem Psychiater, dort richten sie wenigstens kein Unheil an. Die Finanzkrise 2008 und die große EU Krise durch den Schuldenberg Griechenlands, Portugals, Italiens... ist nicht nur eine Bankenkrise, sondern eine europäische Gesellschaftskrise, hervorgerufen durch die Gier vieler Menschen, die auch im-mer mehr und mehr haben wollen ohne über den Preis und wer den Preis zahlen muss, nachzudenken.
Wir leben als würden es die Rohstoffe, nichterneuerbare und erneuerbare Energien, (Wasser, Erde, Öl, Bäume,…) die wir heute täglich exzessiv brauchen, immer und unerschöpflich geben. Wir leben in einem Kreislaufsystem. Simulationen haben ergeben, dass der Stickstoff schon mindestens 800mal, Phosphor 8000mal, Kalium 2000mal in Körpern von Lebewesen war. Alle diese Rohstoffe wurden von der Erde oder dem Meer entnommen und flossen beim Absterben ohne irgendwelche giftigen Rückstände wieder in dieses Reservoir zurück. Bei den Treibhausgasen (THG) sieht dies ganz anders aus. Öl, Gas, und Kohle verflüchten sich in Substanzen, die nur mit noch mehr Energie wieder in Energie zurückverwandelt werden könnten. Diese nichterneuerbaren Substanzen sind also für uns nach Gebrauch für immer verloren. Der internationale Natur-schutzbund WWF (World Wide Fund for Nature) hat gerechnet und festgestellt, dass wir ökologisch weit über unsere Verhältnisse leben. Beim „ökologischen Fußabdruck“ wird die Fläche, die wir für Nahrungsproduktion, zu Siedlungen und zur Bindung unseres CO2 Ausstoßes zur Verfügung haben, der Generations-fähigkeit von den natürlichen Ressourcen wie: Pflanzen, Tiere, auch Fische ge-genübergestellt. Bei einer natürlichen Regeneration dürften wir maximal 12 Milliarden Hektar benötigen. Wir brauchen aber jetzt schon 18 Milliarden Hektar. Das heißt die natürlichen Ressourcen haben nicht genügend Zeit um nachzuwachsen. Der Ressourcenbedarf beträgt demnach 1,5 Erden. Noch 1966 benötigten wir nur die Hälfte, also 9 Milliarden Hektar an Fläche. Da wir immer mehr statt weniger Ressourcen verbrauchen, wird sich der Ressourcenbedarf voraussichtlich bis 2030 so vergrößern, dass wir zur Regeneration schon 2 Erden benötigten. 2050 wird es mindestens „4 Milliarden“ Menschen aus Industrie-ländern geben. Daher benötigen wir dann schon drei Erden und diese haben wir, soweit ich blicken kann, nicht. Wo holen wir die her? Hätten alle Menschen einen Ressourcenverbrauch, wie wir Deutschen und wir liegen erst an 30. Stelle weltweit gesehen, bräuchten wir jetzt schon 2,5 Erden zur notwendigen Rege-nerierung. Wir müssen folglich, ob wir wollen oder nicht unseren Konsum drastisch einschränken, wenn die folgenden Generationen auch nur annähernd einen ähnlichen Wohlstand wie wir haben wollen. (Spiegel und ZDF online, 15. Mai, 2012). Wenn wir uns gerecht im Sinne von Spinoza, dem Philosophen aus dem 17. Jahrhundert verhalten würden, der von sich sagte, dass er nur das beanspruchen kann, was er für alle Menschen fordert, dann müssen wir durch-schnittlich gesehen, unseren Konsum, unsere beanspruchten Energien um das 2,5 fache und die Amerikaner um das 4 fache senken. Nicht in 30 Jahren sondern jetzt, sofort. Mit was fangen wir an?
Ich könnte noch lange mit Faktenwissen hier weitermachen. Dies nur für Menschen, die glauben diesen schleichenden Prozess irgendwie aussitzen oder weiter verdrängen zu können. Ein weiter so ist für alle, trotz sehr unterschiedli-cher Ansichten, nicht zukunftsfähig, sagt Holger Rogall.
Wie lange können wir noch diese Fakten und Wirklichkeiten ignorieren? Jeder Einzelne wird sich in den kommenden Jahren, sagen wir mal 30 Jahren, von so manchem verabschieden müssen, was er sich jetzt noch gar nicht vorstellen kann. Es wird ein zunehmend größeres Auseinanderklaffen zwischen Wünschen, Haben- Wollen und den vorhandenen Ressourcen entstehen. Die oft komplexen Zusammenhänge, zwischen Ökonomie und Wohlfühlen, zwischen Ökonomie und Klima, zwischen Ökonomie und Nachhaltigkeit, zwischen Ökonomie und Politik, zwischen Ökonomie und Finanzwelt, zwischen Ökonomie und Gerechtigkeit wollen von vielen Menschen noch nicht durchschaut werden.