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3.2. Die «Gleichschaltung» der Kölner Universität

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Grundlage faschistischer Formierung des Bildungs- und Erziehungswesens, insbesondere von Schule und Hochschule, war eine Fülle von Gesetzen, Verordnungen und Erlassen mit repressivem, rechtsstaatliche Normen und Individualrechte weithin ausser Kraft setzendem Charakter. Sie übernahmen nicht nur eine Steuerungsfunktion im Gleichschaltungsprozess, sondern legitimierten ihn zugleich, wenn auch vielfach erst nachträglich. Sie lasteten als Zwang zu konformem Verhalten auf den für Bildung und Erziehung Verantwortlichen einerseits, als permanente Bedrohung auf den Opfern der Gleichschaltung andererseits. (KEIM 1997, 74f)

Die Notverordnung vom 4.2.1933 «Zum Schutz des deutschen Volkes» sowie jene vom 28.2.1933 als Reaktion auf den Reichstagsbrand setzten wichtige Grundrechte ausser Kraft und machten die Verfolgung von Kommunisten und Sozialisten rechtmässig. Eines der wichtigsten Werkzeuge der Nationalsozialisten in Bezug auf die Gleichschaltung des Bildungswesens war aber das «Gesetz zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums» vom 7.4.1933 (KEIM 1997, 75), auf das ich hier, wegen des Berufsverbotes für Herbert Kühn, etwas ausführlicher eingehen möchte.

Zu diesem Gesetzespaket gehörten auf der Seite der Schülerinnen, Schüler und Studierenden die Verordnung vom 17.3.1933 und das Gesetz vom 25.4.1933, die den Zugang zu den Hochschulen und weiterführenden Schulen regelten. Letzteres schrieb vor, dass die Anzahl jüdischer Schul- und Hochschulbesucher an einer Schule nicht den jeweiligen Prozentsatz dieses Bevölkerungsteiles übersteigen dürfe, was vor allen Dingen für die jüdischen Bürger in den Grossstädten Deutschlands fatale Folgen hatte. In Preussen und anderswo mussten Immatrikulierende eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass ihre Eltern und Grosseltern «arisch» waren. (KEIM 1997, 78)

Als «nicht-arisch» galt im Sinne des «Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums», wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Grosseltern abstammt. Es genügt, wenn ein Elternteil oder Grosselternteil nicht arisch ist. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Elternteil oder ein Grosselternteil der jüdischen Religion angehört hat. (Keim 1997, 78)

Diese Gesetze und Verordnungen schlossen ab nun mehr und mehr jüdische Bürger und andere gesellschaftliche Gruppen aus dem Rechtsleben aus. Auf ihre Entrechtung folgte sodann die Vertreibung und die systematische Vernichtung.

Das «Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums» enthielt zahlreiche Ergänzungen, Veränderungen und Durchführungsverordnungen. Die politischen und rassistischen Kriterien, aufgrund dessen jemand Amt und Stellung verlieren konnten waren sehr vage formuliert. § 2, nach der dritten Variante vom 6.5.1933, schloss Menschen aus, die sich im kommunistischen Sinne betätigt hatten, §3 behandelte Beamte «nicht-arischer» Abstammung, §4 bezog sich schlussendlich in seiner Auslegung auf Parteimitglieder der Weimarer Koalition aus SPD, DDP und Zentrumspartei sowie aus verschiedenen pazifistischen und republikanischen Organisationen. Ausserdem konnte auch sonst jeder Beamte, laut §5 und §6, jederzeit damit rechnen zurückgesetzt zu werden, in seinen Bezügen gekürzt oder gar zwangsweise in den Ruhestand geschickt zu werden.

Verallgemeinerungen und Beliebigkeiten in Wortlaut und Durchführung von Gesetzen sind Kennzeichen totalitärer Gesetzgebung. (HACKER 1990) Hinzu kommt die Unmöglichkeit, die Ausgrenzung auf rechtstaatlichem Wege zu überprüfen oder ihr zu widersprechen. §7 des Gesetzes regelte den Ausschluss des Rechtsweges bei Entlassungen und Versetzungen. Gleichzeitig wurde am 20.5.1933 die Beamtenvertretung aufgehoben und 1934 kam noch das Verbot dazu, Einsicht in die eigene Personalakte nehmen zu dürfen. (KEIM 1997, 80f) Die Bedeutung des GWBB beruhte zweifellos nicht nur auf seinen Konsequenzen für die unmittelbar und sofort von ihm Betroffenen, sondern mindestens im gleichen Masse darauf, dass ein sehr grosser Personenkreis dadurch eingeschüchtert wurde. (KEIM 1997, 83)

Das Gesetz diente zuerst einmal der politischen «Säuberung» nach 1933. So verloren beispielsweise sämtliche Kultusminister ihre Stellung, dazu in manchen Ländern die unterstellten Staatssekretäre, Ministerialdirektoren und Ministerialräte. Es versteht sich von selber, dass parallel dazu, insbesondere an den Schulen, die ideologische Ausrichtung auf die nationale Ideologie stattfand. Lehrinhalte, insbesondere von Geschichte und Biologie, wurden landesweit vereinheitlicht, «Vererbungslehre und Rassenkunde» erhielten ein besonderes Schwergewicht im Unterricht und in den Abschlussprüfungen. Das «Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses» erlaubte dem Staat die Sterilisation von Menschen, die daraus resultierende Euthanasie ist eines der dunkelsten Kapitel der nationalsozialistischen Herrschaft, denn diese war nicht einmal durch Gesetze abgesichert. (KLEE 1999)

Am 30.1.1934 wurde die Zentralisierung des Erziehungs- und Bildungswesens mit dem «Gesetz über den Neuaufbau des Reichs» abgeschlossen.Man richtete ein «Minsterium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung» ein, verschmolz das mit dem Preussischen Kultusministerium, die ausserpreussischen Kultusministerien schrumpften in ihrer Bedeutung zu nachgeordneten Verwaltungsbehörden zusammen. (KEIM 1997, 86)

Bernhart Rust, ein ehemaliger Studienrat aus Hannover, Gauleiter für den Raum Hannover- Braunschweig, seit 1930 Mitglied im Reichstag, hatte bereits seit dem 6.2.1933 die Geschäftsführung des Preussischen Kultusministeriums inne und wurde am 1.5.1933 Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Das blieb er bis zum April 1945.

Die liberal-katholische Universität zu Köln war eigentlich gar nicht dafür prädestiniert, als erste Universität in Deutschland die «Gleichschaltung» durch die Nazis mitzutragen. Noch am 10.2.1930 hatte man den «Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund» für ein Jahr verboten, ein Verbot, dass auch im Februar 1931 nicht gleich aufgehoben wurde. (GOLCZEWSKI 1988, 45)

Das Klima gegenüber den Nationalsozialisten veränderte sich erst, als der dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber stehende Rektor Josef Kroll durch den Wirtschaftshistoriker Bruno Kuske abgelöst wurde. Zwar war Bruno Kuske Sozialdemokrat, aber anscheinend, den Nationalsozialisten gegenüber, eher «naiv», wie GOLCZEWSKI (1988) es ausdrückt. Bruno Kuske fand es vorteilhafter, die Nationalsozialisten durch Organisation einzubinden, denn sie würden sich sowieso, und dann eben unkontroliert, auf den Universitätsfluren versammeln. Also wurde der NSDStB wieder zugelassen. GOLCZEWSKI (1988) ist der Meinung, dass durch die generell eher unpolitische Haltung der Kölner Universität auch die Liberalität der Weimarer Republik nicht so recht Fuss fassen konnte. (GOLCZEWSKI 1988, 47)

Der erste Wissenschaftler, der durch Erpressung, blanke Gewaltandrohung gegen seine Angehörigen sowie massive Einschüchterungen und Drohungen, den Lehrbetrieb lahm zu legen, von den Nationalsozialisten von einer Kandidatur für das Rektorenamt im akademischen Jahr 1932/33 abgehalten wurde, war der jüdische Psychiater Gustav Aschaffenburg.

Zwar wurde der Vorlesungsbetrieb nicht gestört, aber die Androhung alleine hatte genügt, dass die Universität nachgab. (GOLCZEWSKI 1988, 47f)

Ein solcher Grabenkampf wiederholte sich noch einige Male: Die Nationalsozialisten zwangen die Hochschullehrer, teilweise recht handgreiflich, ihnen zu Willen zu sein, wollten sie friedlich und ungestört in ihrem Fach weiterarbeiten und -lehren. Aus ethischen Gründen Widerstand zu leisten, war kaum einer bereit. (GOLCZEWSKI 1988, 49)

Die Konfliktscheu, die die Universität demonstriert hatte, ist der Schlüssel, um die Leichtigkeit der «Gleichschaltung» zu erklären. (GOLCZEWSKI 1988, 49)

Hätte man es noch kurze Zeit zuvor niemals für notwendig erachtet, auf einer ausserordentlichen Senatssitzung eine studentische Veranstaltung zu diskutieren, so geschah das nun das erste Mal am 14.2.1933. Es ging um eine Kundgebung der nationalen Studenten. Mit knapper Mehrheit einigte man sich, die Lehrveranstaltungen im Hauptgebäude der Universität an der Claudiusstrasse ausfallen zu lassen, ausser Prüfungskandidaten und Beamten sollte niemand Zutritt zur Universität haben, Bibliotheksangestellte wurden gebeten, während der Kundgebung nicht an den Fenstern zu stehen.(GOLCZEWSKI 1988, 51f) Das heisst, man konnte sich nicht dazu durchringen, die Kundgebung einfach zu untersagen, versuchte ihr aber das Publikum zu entziehen. Alles in allem eher ein taktisches, salopp ausgedrückt, windelweiches Verhalten.

Das erste Mal mussten die Senatsmitglieder nun auch erleben, dass durch irgendwelche undichten Stellen der vertrauliche Senatsbeschluss nach Aussen durchgesickert war. Bei der nächsten Sitzung musste der Rektor seine Kollegen bitten, in Zukunft mit unüberlegten Meinungsäusserungen zur Regierung, insbesondere gegenüber den Studenten, vorsichtig zu sein. (GOLCZEWSKI 1988, 53)

Laut GOLCZEWSKI (1988) stellt diese Bemerkung im Senatsprotokoll den Wendepunkt dar, an welchem die Universität zu Köln und ihre Gremien die Souveränität verloren hatten. Basiert doch das grundlegende Selbstverständniss einer Universität gerade auf der Freiheit des Wortes. (GOLCZEWSKI 1988, 54)

Zwar war man anscheinend, wie das NSDStB-Verbot von 1930 oder der «Flaggenstreit» zeigte durchaus auf dem rechten Auge nicht blind (GOLCZEWSKI 1988, 59), aber das seit 1920 praktizierte Streben, eine parteipolitische Ausgewogenheit im Wissenschaftsbetrieb herzustellen, trug ebenfalls zu dieser Problemsituation bei. (GOLCZEWSKI 1988, 59)

Mit der Abwahl Konrad Adenauers am 12.3.1933 verlor die Universität ihren Rückhalt in der Stadt. Unter Günther Riesen, dem Nachfolger Konrad Adenauers, wurde die liberaldemokratische Fraktion der Professoren mehr und mehr zurückgedrängt. Günther Riesen mischte sich sehr schnell in die Universitätsbelange ein, unter anderem mit dem Versprechen, Gelder einzusparen, was im Zeichen der herrschenden Wirtschaftskrise von der städtischen Verwaltung nur zu gerne gehört wurde. Günther Riesen denunzierte Konrad Adenauers Politik als «Misswirtschaft». (GOLCZEWSKI 1988, 59)

Günther Riesens Behauptung kann man aber ausgezeichnet durch einen Verweis auf die kompromisslosen Verhandlungen Konrad Adenauers um die Anmietung des Hauses Ubierstr.11 für das neu zu begründende Institut für Vor- und Frühgeschichte konterkarrieren. (s. u. Kapitel 5.1.)

Günther Riesen beantragte beim Wissenschaftsministerium, einen neuen Kommissar für die Universität ernennen zu dürfen. Das kam einer Entmachtung der kollegial gewählten Hochschulspitze gleich. (GOLCZEWSKI 1988, 60)

Eine weitere wichtige Rolle in diesem Intrigenspiel gegen die den Nationalsozialisten missliebige Professorenkollegen spielte der Mediziner Ernst Leupold, der sich sehr rasch zum «Laufburschen» des neuen Oberbürgermeisters degradieren liess. (GOLCZEWSKI 1988, 61) Günther Riesen hatte im März 1933 mit Bernhard Rust, dazumal noch Reichskommissar im Preussischen Wissenschaftsministerium abgemacht, dass Peter Winkelnkemper als Staatskommissar für die Universität zuständig sein solle. Peter Winkelnkemper war Hauptschriftleiter der NSDAP-Zeitung «Westdeutscher Beobachter», die der Universität sehr kritisch gegenüber stand.

In der ersten Aprilwoche 1933 hatten Ernst Leupold und Peter Winkelnkemper ihre erste Besprechung und die ersten Entlassungen jüdischer Assistenten oder mit Jüdinnen verheirateter Assistenten an der Medizinischen Fakultät wurden durchgeführt. (GOLCZEWSKI 1988, 63)

Ausser durch seine Beratungen bei der Durchführung des «Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums» tat sich Ernst Leupold auch darin hervor, den derzeitigen Rektor der Universität, den Kirchenrechtler Godehard J. Ebers, zu beseitigen. Godehard J. Ebers wehrte sich gegen das an ihn herangetragene Ansinnen, zurückzutreten.

Wohl um das Gesicht der Universität zu wahren, telephonierte der Prorektor Bruno Kuske nach Berlin, wenn man sich schon nicht der drohenden «Gleichschaltung» entziehen könne, so wäre es doch gut, dass alle Hochschulen gleichzeitig dem unterworfen würden. Das plante man natürlich schon längst in der Reichshauptstadt!

Eine weitere wichtige Figur in der «Gleichschaltungs-Seilschaft» war Christian Eckert, der Doktorvater Peter Winkelnkempers, der sich ihm direkt anbiederte. Christian Eckert war, im Unterschied zu den anderen Genannten, antisemitisch eingestellt. (GOLCZEWSKI 1988, 67)

Dem nationalismus-freundlichen Druck nachgebend, traten – gezwungener Massen die einen, freiwillig die anderen – am 11.4.1933 Rektor, Dekane und Senat geschlossen zurück und es wurden Neuwahlen durchgeführt, die nun ganz im Sinne der neuen Machthaber waren. Ernst Leupold wurde der neue Rektor der Universität zu Köln. (GOLCZEWSKI 1988, 70)

Die «Gleichschaltung» hatte damit ohne jeden Widerstand stattgefunden, wenn man die zeitweilige Weigerung Ebers` ausser Betracht lässt. ... Aber es bleibt die Frage, warum es die Professoren den neuen Machthabern so leicht gemacht haben. (GOLCZEWSKI 1988, 70f) GOLCZEWSKI (1988) sieht einen der Gründe in den mehr oder minder verhüllten Androhungen, bei nicht willfährigem Verhalten, die Universität ganz zu schliessen. Die «Gleichschaltung» der Kölner Universität hatte natürlich Auswirkungen auf jene der anderen Universitäten, stellte sie doch nun eine Art Vorbild für diesen Prozess dar. Eine Woche später erging der «Gleichschaltungserlass» für alle preussischen Hochschulen. (GOLCZEWSKI 1988, 72)

Auch wenn ein anderes Verhalten die «Gleichschaltung» der Universitäten nicht aufgehalten hätte – das Kölner Verhalten förderte sie und stellt so den damaligen Hochschulpolitikern ein deprimierendes Zeugnis aus. (Golczewski 1988, 73)

Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln

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