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5.3. 1933 und seine Folgen. Das Entziehen der Lehrbefugnis Herbert Kühns

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Der Prozess der Entziehung der Lehrbefugnis von Herbert Kühn wird eher verständlich, wenn man die von mir unter dem Absatz 3.2. geschilderten Vorgänge der sogenannten «Gleichschaltung» des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens sowie daraus resultierend der Universität zu Köln mit einbezieht.

F. GOLCZEWSKI stellte 1988 den Fall Herbert Kühns anonymisiert als «A2» dar. (GOLCZEWSKI 1988, 179 ff.)

Inzwischen ist die Anonymisierungspflicht verjährt, wie mir die Leitung des Universitätsarchives mitteilte, sodass ich nun «A2» beim Namen nennen kann. Die Darstellung des Amtsenthebungsverfahrens von Herbert Kühn durch GOLCZEWSKI (1988) ist sehr ausführlich. Ich verweise hiermit auch auf seine Arbeit.

In der Geschichte der «Gleichschaltung» spielten gerade die nationalsozialistisch verführten Studenten eine wichtige Rolle. (GOLCZEWSKI 1988 a.div. O.)

Der Beginn massiver Unterdrückungsmechanismen, wie man sie beispielsweise an der hier dargestellten Entziehung der Lehrbefugnis Herbert Kühns sehen kann, ist immer unauffällig, beinahe harmlos. Mir scheint es eine notwendige Aufgabe zu sein, den Blick für solche Anfänge zu schärfen und ein Bewusstsein dafür zu wecken.

Herbert Kühn, Leiter seines Institutes im Haus am Ubierring 11, hatte mittlerweile auch international einige wissenschaftliche Reputationen erhalten. Er folgte Einladungen nach Japan und in die USA zu Vorträgen.

Als Folge des «Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums» wurden Fragebögen an die Professoren und anderen Beamten verschickt, die, wie im Falle Herbert Kühns bis zum 22.April 1933 wieder an das Ministerium zurück gesandt werden sollten. Herbert Kühn, der sich anscheinend Zeit lassen wollte und vermutlich auch noch nicht so ganz die Tragweite dieses Vorgehens erfasst hatte, strich das Wörtchen «April» durch und datierte den Fragebogen auf den 6. Juni 1933 um. (UAK Zug 17 3213)

Neben den Fragen nach der eigenen Abstammung fanden sich auch unter Punkt 5 des Fragebogens Fragen nach der Zugehörigkeit zu politischen Parteien und dem Zeitraum des Engagements.

Herbert Kühn war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei von 1919 bis 1921. «Aus prinzipiellen Gründen», so seine Darstellung, trat er 1921 aus. Seit seiner Habilitation gehörte er keine Partei mehr an. (UAK Zug 17 3213) Seine Herkunft ist eindeutig «arisch». Am 5.7.1933 erkundigte sich ein «Sachverständiger für Rasseforschung beim Reichsministerium des Innern», Dr. Gercke, beim Sekretariat der Universität über den Privatdozenten Herbert Kühn. Diese Auskunft war für das Amt gebührenfrei. Wie ich dem gesamten diesbezüglichen Aktenzusammenhang entnehme, wurde Herbert Kühn ausserdem nicht darüber informiert. (UAK Zug 17 3213)

Da mittlerweile ja Herbert Kühns ausgefüllter Fragebogen vorlag, sandte man umgehend die Abschrift von diesem nach Berlin. Christian Eckert, den GOLCZEWSKI (1988) als antisemitisch bezeichnet, wie ich unter Abschnitt 3.2. meiner Arbeit erwähnte, beeilte sich auch sehr eilfertig, genauestens darauf hinzuweisen, dass Herbert Kühns Ehefrau «nichtarischer» Abstammung sei.

Am 23.8.1933 wird das Gutachten des Sachverständigen Gercke dem Kuratorium zugesandt: Danach stellt sich heraus, dass der Genannte – - arisch – - im Sinne der ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11. April 1933 (RGBL S. 195) ist. (UAK Zug 17 3213)

Zu dem Gutachten gehörten auch eine Ahnentafel bis zu den Urgrosseltern sowie eine Chronik über das Wappen eines Vorfahren. (UAK Zug 17 3213)

Unter der Sparte Ergebnis hiess es sodann: Prof. Dr. Herbert Kühn ist arisch, da seine unter Nr. 2 – 15 genannten Ahnen arisch sind. Seine Ehefrau Rita Ruth Gerssmann, geb. 3.8. 1900 in Halberstadt ist jüdisch. Sie ist die Tochter der jüdischen Eheleute Fabrikbesitzer Benno Gerssmann und Jenny Alter in Halberstadt. (UAK Zug 17 3213)

Zuerst einmal schien das keine unmittelbaren Folgen für Herbert Kühn zu haben. Christian Eckert war mittlerweile von den Nationalsozialisten selber entfernt worden. Am 25.1.1934 schrieb Peter Winkelnkemper an Bürgermeister Brandes, dass die Tatsache, dass Kühns Ehefrau Jüdin sei, kein Grund für eine Entlassung darstelle. Er könne nur nie ordentlicher Professor werden oder sonst in den Staatsdienst treten. (GOLCZEWSKI 1988, 180) Doch man versprach, Herbert Kühn zu beobachten.

Schon am 18.1.1934 hatte sich Eduard Hollerbach, der Schulungsleiter der NSDAP an den Kurator der Universität, Peter Winkelnkemper, gewandt. Eduard Hollerbach griff Herbert Kühn auf wissenschaftlichem Gebiet an, warf ihm Plagiat und das falsche Verwenden von Fundgut vor. Ausserdem wies Eduard Hollerbach darauf hin, dass es bereits vor einem Jahr im «Westdeutschen Beobachter» eine Pressefehde gegen Herbert Kühn gegeben habe. Peter Winkelnkemper war Hauptschriftleiter an dieser, dem Nationalsozialsozialismus nahe stehenden Zeitung.

Wie aus der Anlage ersichtlich, hatte ich damals insbesondere das geistige Schmarotzertum dieses «Forschers» anzuprangern, das sich damals in dessen mehr als freier Verfügung über die wissenschaftliche Autorschaft der Entdeckung des mondbezüglichen Ursprunges des Hakenkreuzes durch Erwin Richter zu erkennen gab. (Eduard Hollerbach UAK Zug 17/3213)

GOLCZEWSKI (1988) weist in der Einleitung seines Buches darauf hin, dass die Aufarbeitung der Geschichte der Universitäten zur Zeit des Nationalsozialismus dringend auch der Arbeiten aus den einzelnen Fachbereichen bedürfe und unter dem Aspekt der jeweiligen Wissenschaft zu geschehen habe. Ausser für sein eigenes Fach, könnten er und auch andere Forscher, die zumeist aus den Fachgebieten Verwaltungsrecht, neuere Geschichte oder Politologie kämen das nicht leisten. (GOLCZEWSKI 1988, 10)

Eduard Hollerbachs Kritik bezog sich wahrscheinlich auf Vorlesungen, die mir im Moment nicht zugänglich sind sowie auf das Nachwort Herbert Kühns zu dem Buch von Carl Hentze: Mythes et Symboles Lunaires. Antwerpen 1932. (s.u. 5.5.)

Ganz unabhängig jedoch davon, ob Herbert Kühns Thesen nun wissenschaftlich mit den damaligen Methoden zu verifizieren oder falsifizieren waren: Es war der Stil in Eduard Hollerbachs Brief, der aus einer angeblich wissenschaftlichen Kritik ein denunziatorisches Schreiben machte.

Herbert Kühn blieb auch weiterhin Zielscheibe der rechts gerichteten Presse, so z. B. des «Vortrupps», dessen Vorstellung zur Aufgabe eines Professors man 1935, in der gleichen Nummer, in welcher der Angriff auf Herbert Kühn stattfand, auf Seite 4 nachlesen konnte: Ein wahrhafter Hochschullehrer im Sinne der neuen Universität kann nur der sein, der die nationalsozialistische Weltanschauung in seinem ganzen Wollen vertritt. Wer das nicht kann oder will, kann vielleicht technisches Wissen vermitteln, er kann aber niemals das, worauf es entscheidend ankommt: junge und wertvolle deutsche Menschen zu Führern des Volkes machen. (Vortrupp 1935 UAK Zug. 197/769)

Auf der gleichen Seite fand sich auch die Attacke gegen einen liberalen Philosophieprofessor, der anscheinend noch einmal versucht hatte, eine Lanze für die «objektive Wissenschaft» zu brechen und anmahnte, im wissenschaftlichen Arbeiten «Leistung» wichtiger als «Haltung» zu nehmen.

Der Angriff gegen Herbert Kühn bezog sich auf eine Diskussion in seiner Vorlesung über die Germanen, in welcher Herbert Kühn einen Studenten in ironischem Stil abkanzelte. Dieser Student wehrte sich nun dagegen. Für Herbert Kühn gehörten die Eigenschaften Gefolgschaftstreue, Sippentreue, Mut u. a. nicht zu einem ethischen Gebäude. Der Student, indem er sich auf das Buch Alfred Rosenbergs: «Der Mythus des 20. Jahrhunderts» bezog, war da anderer Meinung.

Betrachtet man das im Hintergrund schwebende Verfahren zur Entziehung der Lehrbefugnis, war folgender Satz mit Sicherheit von fataler Wirkung: Sie gestatten doch, Herr Professor, dass ich als «dummer Junge» den Begriff der Ethik anders sehe als Sie in ihrer «weisen», allerdings von anderen Grundsätzen beschatteten Auffassung. (Vortrupp 1935 UAK Zug. 197/769)

Herbert Kühns abfällige Bemerkung wird durch die ironische Anrede «Herr Professor» gekontert. Man kann daraus nur schliessen, dass wohl auch die Hochschullehrer, insbesondere jene, die sowieso gegenüber den Nationalsozialisten bereits mit dem Rücken zur Wand standen hin und wieder eher scharfe und unsachliche Töne in ihre Argumentationen und Diskussionen mit den Studenten einfliessen liessen.

Aber welche «Grundsätze» meinte nun der Schreiber weiter? Sicherlich keine für ihn selber positiv besetzte, das sie ja «überschatten». Also wohl auch keine aus dem Gedankengut der Nationalsozialisten. Geradezu karrieregefährdend für Herbert Kühn unter den gegebenen Voraussetzungen beschloss «der dumme Junge» seinen Angriff: Dadurch bin ich leider nicht in der Lage, Ihrem Wunsche zu entsprechen, Ihre Vorlesung als eine im nationalsozialistischen Geiste gehaltene anzusprechen, solange Sie germanische Ideale von einer ethischen Wertung ausschliessen. (Vortrupp 1935 UAK Zug. 197/769)

Am 8. Juli 1935 wehrte sich Kühn in einem Schreiben an den Dekan gegen diese Hetze im «Vortrup». ( UAK Zug. 197/769)

Dieses und auch ein anderes Schreiben Herbert Kühns vom selben Tag an den Dekan waren nur mehr nutzlose Rechtfertigungsversuche eines Menschen, gegen den nun von allen Seiten und mit Hilfe der verschiedensten Institutionen und bürokratischen Verfahrensweisen vorgegangen wurde. Denn zu diesem Zeitpunkt ging es überhaupt nicht mehr um eine genaue Unterscheidung zwischen «Ethik» und «ethischer Haltung», wie sie Herbert Kühn in seinem Schreiben an den Dekan vom 8.7.1935 anmahnte.

Zum Beschuss in der Presse hatte sich schon im Mai 1934 eine Denunziationskampagne gesellt, in welcher Herbert Kühn sexueller und anderer Orgien in seiner schlossähnlichen Villa (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.1934 UAK Zug 17/3213) bezichtigt wurde:...dass diese Kreatur noch Vorlesungen halten darf...damit wir recht bald von dieser Missgeburt befreit werden. (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.1934 UAK Zug 17/3213)

Der Vorwurf: Überhaupt versucht dieser saubere Prof. sich den Studentinnen, die seine Vorlesungen belegt haben, zu nähern. (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.1934 UAK Zug 17/3213) stand hier ganz sicher nicht im Dienste sexuell belästigter junger Frauen, sondern diente einzig der Denunziation des Professors.

Theodor W. Adorno schreibt zum Phänomen sexuell getönter Denunziation in den «Studien zum autoritären Charakter»: Schliesslich gibt es Belege in unserem Material, dass das Aggressivitätsklischee verdrängter Sexualität entspringt. Hier glaubt man die Juden unbehindert von Massstäben puritanischer Moral; je strenger man aber selbst an diesen festhält, desto begieriger lässt man sich über die vermeintlich schmutzigen Sexualgewohnheiten der Juden aus. Wenn das »üppige Essen» der Juden noch unbeanstandet bleibt, in der sexuellen Sphäre wird die angeblich ungehemmte und daher abstossende Sinnlichkeit nicht toleriert. (ADORNO 1999, 156)

«Orgien», sexuelle Ausschweifungen und, wie weiter unten noch zu lesen ist, «Geschäftigkeit» sind Stereotypen antisemitischer Hetze, unter denen dann auch anscheinend jene Leute zu leiden hatten, die «nur!» mit jüdischen MitbürgerInnen verheiratet waren. Desweiteren wurde abermals auf Herbert Kühns Interpretation des Hakenkreuzes hingewiesen: Jetzt sollte er gesagt haben, dass dieses von den Juden stamme. (Wöhrmeyer an Frielingsdorf, 29.5.1934 UAK Zug 17/3213)

Was wahrscheinlich auf jeden Nationalsozialisten wie ein rotes Tuch wirken musste. Man warf ihm kritische Bemerkungen über den Nationalsozialismus vor und den Kontakt mit jüdischen Bürgern.

In das gleiche Horn blies am 7. März 1935 der Gauleiter und Staatskommissar bei der Universität Köln in einem Schreiben an den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. Darüberhinaus verwies er noch einmal auf Herbert Kühns ehemalige Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei und beantragte, dass Herbert Kühn entlassen werden sollte, da bei ihm die weltanschaulichen und politischen Voraussetzungen fehlen, welche für dieses Wissensgebiet unerlässlich sind. (UAK Zug. 17/3213)

An diesem Beispiel ist zu ersehen, wie aus der Mischung von wissenschaftlicher und politischer Aussage die Instrumentalisierung der ersteren kenntlich wird.

Im September 1934 hatte der Dekan an den Rektor der Universität, Geldmacher auf eine Unterredung zwischen den beiden schriftlich in einer seltsam widersprüchlichen Art und Weise geantwortet: Der Fall K. hat mich in der Nacht nicht zur Ruhe kommen lassen. ... Er schlägt weiter den Entwurf eines Schreibens an den Minister vor: Aus den Personalakten des nichtbeamteten a.o. Professors Dr. Kühn gewinnt man den Eindruck eines Mannes, der ganz abgesehen von den persönlichen Veranlagungen durch seine Geschäftigkeit unsympathisch wirkt. Ich verstehe es, wenn so zeitweise der irrige Eindruck entstehen konnte, K. sei Nichtarier. Da aber in der kurzen Zeit bis zum 1. Oktober eine objektive Prüfung der gegen K. sachlich erhobenen Vorwürfe nicht mehr möglich ist, … so vermag ich...nicht zu verantworten, dass ... Massnahmen gegen K. erfolgen m ü s s e n. (UAK Zug. 197/769) Ich habe diesen ungeheuer verklausulierte Satz auf seine wichtigste Aussage hin verkürzt. «Müssen» ist im Original gesperrt gedruckt.

In dieser Haltung bestärkt mich der Ton, in dem einzelne Beschuldigungen vorgebracht werden, der m. E. mehr eine Voreingenommenheit gegen K. als ein aufrichtiges Interesse für die Sache verrät. (UAK Zug. 197/769)

Und eine Fussnote im selben Schreiben: ...Zudem wird die Vorlesungstätigkeit des Herrn K. von zuverlässiger Seite auch positiv bewertet. (UAK Zug. 197/769)

(Weitere Erläuterungen zur Entziehung der Lehrbefugnis von Herbert Kühn siehe auch: GOLCZEWSKI 1988, 183 f.)

Am 11.4.1935 suchte der Reichs- und Preussische Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung beim Universitätskuratorium Köln um eine Stellungnahme an. Es war das die Antwort auf das Denunziationsschreiben des Gauleiters und Staatskommissars vom 7.3.1935. Ausserdem wollte man wissen, wann Herbert Kühn der Lehrauftrag erteilt wurde. (UAK Zug 17/3213)

Man liess sich erst einmal Zeit mit einer Antwort, denn das Ministerium musste am 1. Juli seinen Erlass vom 11.4. anmahnen: Sollte Berichterstattung nicht innerhalb 8 Tagen möglich sein, so sind Hinderungsgründe anzugeben. (UAK Zug 17/3213)

Die gab es tatsächlich, denn man schrieb am 26.7. des Jahres dem Ministerium, dass der Dekan der Philosophischen Fakultät in Ferien sei, aber baldmöglichst zurück erwartet würde. Am 30.7. lies dann der Dekan durch Rektor Haberer und das Kuratorium mitteilen, dass Herbert Kühn keinen Lehrauftrag besitze, nur in Erfüllung seiner venia legendi liest. (UAK Zug 17/3213)

Weiter fuhr er fort: Den Bedenken, welche gegenüber seiner gesinnungsgemässen Geeignetheit, die Frühgeschichte unseres Volkes zu behandeln, geäussert worden sind, muss zugestimmt werden. (UAK Zug 17/3213)

Und Rektor Haberer setzt noch die Bemerkung darunter: Ich teile die Bedenken, die durch den Herrn Staatskommissar ausgesprochen wurden, vollkommen. (UAK Zug 17/3213)

Am 31.7.1935 ergänzte das Kuratorium, besser Peter Winkelnkemper, dass man sich den Ausführungen des Dekans und des Rektors anschlösse und bat den Minister Herbert Kühn die venia legendi zu entziehen. (UAK Zug 17/3213)

Am 1.11.1935 wurde aufgrund des §18 der Reichs-Habilitations-Ordnung vom 13.12.34 Herbert Kühn mit sofortiger Wirkung die Lehrbefugnis an der Universität Köln entzogen. (UAK Zug 17/3213)

Angesichts dieser Ereignisse wirkt Herbert Kühns Bemühen, in jenen Monaten irgendwie den Anschein der Normalität aufrecht zu erhalten fast tragisch. Über die Verfassung und Gefühlslage Herbert Kühns in dieser durch Verrat und Denunziation geprägten Situation können Akten alleine keine Antwort geben.

Das Ziel dieser Arbeit, eine erste Bestandsaufnahme der Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte in Köln zu schreiben, lässt es nicht zu, hier weitere Recherchen in Herbert Kühns Nachlass oder biografischen Schriften zu veranstalten.

Noch am 28.10.1935 reichte Herbert Kühn die Anschlagszettel für seine Veranstaltungen im Wintersemester 1935/36 ein. (UAK Zug 197/768)

Am 7.11.1935 fragte er an, ob eine Studentin, die ihre Arbeit bereits abgeschlossen habe, noch bei ihm promovieren könne. Am 13.11.1935 antwortete ihm der Dekan, dass das nun doch nicht möglich sei. (UAK Zug 197/768)

Am 5. Mai 1936 machte Herbert Kühn eine Eingabe, den Erlass vom 1.11.1935 abzuändern, was ihm am 4.6.1936 vom Ministerium abschlägig beschieden wurde.

Während sich sonst die Universität hier und da für ihre angegriffenen Hochschullehrer einsetzte, erfolgte dies im Falle A2 nicht. Im Gegenteil, man unterstützte Grohés Antrag, obwohl das Verhältnis zwischen den Wissenschaftlern und dem Gauleiter bestenfalls korrekt zu nennen war. ... es drängt sich aber der Verdacht auf, dass die oben zitierte Denunziation, 38 die in die Personalakten aufgenommen worden war, ohne Rücksicht auf die Richtigkeit der Verleumdung wirksam geworden ist. (GOLCZEWSKI 1988, 183)

F.GOLCZEWSKI (1988) nimmt weiter an, dass diese Denunziation schwerer wog, als die politisch begründeten Argumente. «Jüdisch versippt» hätte zum Zeitpunkt von Herbert Kühns Entrechtung alleine als Argument nicht genügt. (GOLCZEWSKI 1988, 183)

Glücklicherweise lebte Herbert Kühn, da kein Ordinarius, nicht von seinen Hörergeldern. Seine Ehe war eine sogenannte «priveligierte Mischehe», die einzige Rechtsform, in welcher jüdische Bürger, zumindestens bis 1943, halbwegs ungefährdet leben konnten. (GOLCZEWSKI 1988,184) Man erlaubte Herbert Kühn eine Existenz als Privatgelehrter, dem Vorträge, Veröffentlichungen und Auslandsreisen erlaubt waren. (SCHWABEDISSEN 1967/68, 183)

Hermann Schwabedissen schrieb 1968 einen Aufsatz über die «Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln». Im Rahmen seiner diesbezüglichen Recherchen wandte er sich auch an Herbert Kühn in Mainz mit der Frage: Haben Sie eine Vorstellung davon, worin der letzte (unausgesprochene) Grund für Ihre Entlassung durch die Nationalsozialisten zu suchen ist? (G UFG LA 31 Schwabedissen an Kühn 18. April 1968)

Wohl die Antwort zitierend, stellte es SCHWABEDISSEN (1967/68) dann folgendermassen dar: Die in Berlin mündlich erteilte Begründung war die, dass Kühn sich den nationalsozialistischen Thesen nicht anschliesse und dass er nicht bereit gewesen sei, zu erklären, dass die Kultur aus dem Norden komme. (SCHWABEDISSEN, H. 1967/68, 183)

Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln

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