Читать книгу Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln - Martina Dr. Schäfer - Страница 20

6.2. Person und Werk Buttlers

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BOLLMUS (1998) stellte Werner Buttler als den jugendlichen Helden zwischen den Intriganten des «Amtes Rosenberg» und des «SS-Ahnenerbes» dar, als Vertreter einer rein wissenschaftlich orientierten und kaum ideologisierten Forscherschaft, die eben nur, Sicherheit unter`m Dach der SS hiess materielle Sicherheit, (PAPE 1998) Schutz für ihre ideologiefreie wissenschaftliche Arbeit suchten. PAPE (1998) und einige andere Referenten der Tagung: «Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichts-Forschung in den Jahren 1933-1945» in Berlin relativierten dieses Bild und unterstellten auch einigen dem «Ahnenerbe» zugehörigen Ur- und Frühgeschichtlern eine ideologische Verquickung mit den Zielen und Inhalten des nationalsozialistischen Regimes. Ihrer Meinung nach, verfuhr man Ende des Krieges nach der Sündenbockmethode, indem man allein Hans Reinerth die gesamte Schuld am Niedergang der deutschen Ur- und Frühgeschichte anlastete. (SCHÖBEL 1998)

Werner Buttler wurde am 19. Juni 1907 in Einbeck geboren, sein Vater war dort Mittelschullehrer. Nachdem er mit achtzehn Jahren sein Reifezeugnis (Abitur) erlangt hatte, studierte er zwischen 1926 und 1930 an den vier Universitäten: Göttingen, München, Halle und Marburg die Fächer Archäologie, Geschichte, Geologie und wurde 1930 mit Vorgeschichte als Hauptfach und den Nebenfächern Geologie, Mittlere- und Neuere Geschichte in Marburg unter Gero von Merhart promoviert.

1928 nahm Werner Buttler an Grabungen in Kempten und auf dem Goldberg teil, 1929 bereiste er mit einem Stipendium der Römisch-germanischen Kommission versehen Belgien und Holland.


Bild 3: Werner Buttler

1930 war Werner Buttler der nationalsozialistischen Partei und der SA beigetreten, in Marburg als Mitglied des studentischen SA-Sturms. Er wurde Untersturmführer der SS und in den Persönlichen Stab Himmlers, des Reichsführers der SS, berufen. 1936 habilitiert, erlebte er die zweite Auflage des unten besprochenen «Merkheftes zum Schutz der Bodenaltertümer» nicht mehr und fiel am 12. Mai 1940 als Unteroffizier in Lothringen, noch keine 33 Jahre alt. Er brauchte für sein Studium bis zur Promotion insgesamt acht Semester, von denen er jeweils drei in München und Marburg verbrachte, sein Erstes in Göttingen und Eines in Halle. Dass es ihm in Halle vielleicht nicht so gut gefallen haben könnte, mag an der Person seines Vorgeschichtsprofessors, Hans Hahne gelegen haben, einem Mitbegründer der kossinnanahen «Gesellschaft für deutsche Vorgeschichte». Hans Hahne, ursprünglich Mediziner, studierte ab 1905 bei Gustav Kossinna, habilitierte sich in Hannover und lehrte seit 1912 in Halle Vorgeschichte. Ab 1933 war er Rektor der Universität Halle-Wittenberg, da er bereits vor 1933 Mitglied in der NSDAP gewesen war. Sein Denken war insbesondere durch die Theorien des Entwicklungsbiologen, Ernst Haeckel, und des Begründers der Anthroposophie, Rudolf Steiner, beeinflusst. Wie der ebenfalls von ihm hoch gelobte Dichter Däubner, schienen für Hans Hahne Mythos oder mythologisches Denken Wege der Erkenntnismöglichkeit zu sein. (ZIEHE 1998)

Dass solche Einstellungen sicherlich nicht zu den Vorstellungen Werner Buttlers über wissenschaftliches Arbeiten gehörten, zeigte oben schon Hans Zeiss` Referenz vom 1.2.1935 und seine Bewertung von Werner Buttlers Lehrproben vom Juni 1936. (UAK Zug 44/112)

Auch Werner Buttlers Dissertation, die er 1930 in Marburg einreichte, spricht eine andere methodische Sprache, wie das «Mythengeraune» jener Leute, die dem «Reichsbund» um Alfred Rosenberg nahe standen. Wenn Hans Zeiss an Werner Buttlers Lehrproben die Abwesenheit einer ausführlicheren Würdigung geistesgeschichtlicher Bedeutung gewisser Formenreihen (UAK Zug 44/112) kritisierte, so bedeutete das ja letztlich, dass Werner Buttler es eben ablehnte, archäologische Funde und deren Formen inhaltlich, geistesgeschichtlich, zu interpretieren.

Bereits der erste Satz der Einleitung umreisst in wenigen Zeilen die Ziele seiner Arbeit: ... genauen Abgrenzung der Bandkeramik...Grenze der nordwestlichen Kulturprovinz dieses Kreises festzulegen ... auf stilistisch-typologischer und chronologischer Grundlage behandeln. (BUTTLER 1930, 1)

Danach definiert er eindeutig die Grenzen des von ihm bearbeiteten Gebietes und formuliert am Ende der Einleitung, die nicht einmal eine Seite lang ist, seine grundsätzliche Fragestellung: Es erscheint zunächst wichtig, den Zusammenhang zwischen der prähistorischen Siedlung und den Naturgegebenheiten der Landschaft herauszuarbeiten, den Versuch einer Feststellung zu machen, welche Gebiete für Besiedelung in Frage kommen und welche nicht... (BUTTLER 1930, 1)

Die einzelnen Kapitel seiner Arbeit befassen sich dann mit folgenden Punkten:

1. die natürlichen Grundlagen der Besiedlung im Untersuchungsgebiete

2. die Verbreitung der Bandkeramik

3. der Hausbau

4. die Werkzeugindustrie

5. die Keramik (BUTTLER 1930, a.div.O.)

Typologische und chronologische Fragen handelt er insbesondere im fünften Kapitel ab. Es folgt das Verzeichnis der abgebildeten Funde und Aufbewahrungsorte und ein Anhang, der dem veröffentlichten Exemplar nicht zugefügt ist mit Verzeichnis der Funde, Tabellen und einem Verzeichnis der Museen. Es gibt keine Literaturliste im Anhang, die verwendete Literatur taucht in den Fussnoten auf. Ohne das Fundverzeichnis umfasst die Dissertation Werner Buttlers 53 Seiten.

Nicht ein «germanisches Reich» oder «die Herkunft der Indogermanen» sind Werner Buttlers erkenntnisleitende Fragen sondern schlicht: Wenn dieser Zusammenhang zwischen Waldfreiheit und urgeschichtlicher Besiedelung besteht, so erhellt daraus, dass jede Arbeit, die sich mit der Besiedelung einer Gegend oder der Verbreitung einer Kultur beschäftigt, auf jene Grundlagen zurückgehen muss. Sie hat sich also zunächst mit der Naturbeschaffenheit des betreffenden Gebietes zu befassen, besonders mit der Frage, welche Landschaften waldbedeckt waren, also für Siedlungen nicht in Betracht kamen, und welche waldfrei waren. (BUTTLER 1930, 2)

Damit steht Werner Buttler in der Tradition einer «Siedlungsarchäologie», die mit Namen wie Carl Schuchhardt und Ernst Wahle verbunden waren, welche eine deutliche Gegenposition zu Gustav Kossinnas Vorstellungen von «Siedlungsarchäologie» vertraten.

Für Kossinna und seine Schüler war der Begriff «Siedlungsarchäologie» also etwa gleichbedeutend mit Stammeskunde oder mit der Erforschung des Ursprungs von Völkern...Heute begreift man unter Siedlungsarchäologie eine Forschungsrichtung, die sich bemüht, auf der Grundlage archäologisch erfassbaren und deutbaren Quellenmaterials Siedlungsprobleme und diese zunächst ohne Berücksichtigung stammeskundlicher oder ethnischer Aspekte zu studieren. (JANKUHN 1977, 4f.)

Auch 1924 war diese Art wissenschaftlicher Fragestellung durchaus schon vorhanden und allgemein zugänglich, beispielsweise im «Reallexikon der Vorgeschichte»: A n t h r o p o g e o g r a p h i e ... Die Erörterung der in der Kultur liegenden Voraussetzungen, d.h. der Wirtschaft, des Siedlungswesens, der Stellung der Menschen zu Urwald und offenem Land, der Frage der Auswahl bestimmter Böden für den Anbau u.a., welche das Verhältnis des Menschen zur Natur bestimmt, vereinfacht wesentlich die Darstellung der natürlichen Grundlagen der Besiedelung, ist also zweckmässig vorauszusenden. (EBERT 1924, 190, Bd.1)

S i e d l u n g s a r c h ä o l o g i e ... Es war also klar, dass bei der Erforschung der vorgesch. Siedlungen die natürlichen Grundlagen, Bodengestaltung und Grundwasserverhältnisse, eine Hauptrolle spielten, dass also die geologischen Vorbedingungen einer Landschaft massgebend sein mussten für die Verteilung der Wohnplätze. (EBERT 1924, 108, Bd.12)

WAHLE wird ebenfalls in diesem Zusammenhang zitiert, der fordert, die geologischen Verhältnisse und die klimatischen Bedingungen mit in die siedlungsarchäologischen Fragestellungen hereinzunehmen.

Schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hatten die beiden Forschungsrichtungen mit ihren Hauptvertretern Gustav Kossinna und Carl Schuchhardt, der allgemein als «Erfinder des Pfostenloches» bezeichnet wurde, miteinander konkurrenziert, was zur Gründung verschiedener Institute und Publikationsorganen führte. Umso erstaunlicher also muss, angesichts seiner 1923 im Reallexikon zitierten wissenschaftlichen Auffassungen, beispielsweise Ernst Wahles Verriss von Werner Buttlers Habilitationsschrift zehn Jahre später erscheinen, sowie seine Postulierung einer wohl doch eher mystischen «Lebenskraft» in der Arbeit von 1939.

Ernst Wahle muss in diesen Jahren eine sehr grundsätzliche Änderung seiner Arbeitsschwerpunkte vorgenommen haben.

Man muss wohl diesen auffälligen Positionswechsel mit den äusseren politischen Verhältnissen in Verbindung zu bringen. Eine diesbezügliche wissenschaftsbiografische Arbeit zu Ernst Wahle als einem weiteren wichtigen Protagonisten innerhalb der deutschen Ur- und Frühgeschichtsforschung von 1925 bis 1945 dürfte ein interessantes Licht auf diese Forscherpersönlichkeit werfen.

So stimmt auch Ernst Wahles Aussage, Werner Buttler hätte nicht genügend Arbeiten zur Pollenanalyse studiert, nicht, zitiert Werner Buttler doch bereits auf der zweiten Seite seiner Dissertation den Pollenanalytiker Bertsch mit einer kürzlich erschienenen Arbeit (BUTTLER 1930, 2)

Auch der Vorwurf Ernst Wahles, Werner Buttler plädiere einseitig für die Vorstellung von Wanderung lässt sich, was die Dissertation betrifft, nicht nachvollziehen, schreibt Werner Buttler doch am Ende des ersten Kapitels: Sie sind daher die Wege, auf denen sich Kulturen durch Wanderung oder b l o ss e n K u l t u r a u s t a u s c h (Hervorhebung durch d. Verf.in) am leichtesten verbreiten konnten. (BUTTLER 1930, 10)

Das zweite Kapitel beginnt Werner Buttler mit einer eindeutigen Absetzung gegen die Ursprungsfrage der Indogermanen, denn Die Versuche, die Anfänge der Kultur (der bandkeramischen, Anmerkung durch d. Verf.in) nach Mitteldeutschland zu verlegen lassen sich mit stilistischen und Verbreitungstatsachen nicht in Einklang bringen, ... (BUTTLER 1930, 10, Fussnote 11)

Funddichte nicht einfach als Beweis für Siedlungsdichte zu nehmen sondern zu bemerken, dass diese natürlich auch in der lebhaften archäologischen Tätigkeit begründet liegt (BUTTLER 1930, 10) ist eine im Fach Ur- und Frühgeschichte gängige Argumentationsweise.

Systematisch referiert Werner Buttler dann von Osten nach Westen die Funde, Einzel- und Lesefunde sowie noch wenigen systematischen Grabungen, um dann die Verbreitung der Bandkeramik klar abzugrenzen, wobei er Unsicherheiten am westlichen Rand des Verbreitungsgebietes konstatiert.

Auch dieser Gestus, dort Ungewissheit zu formulieren, wo eben das vorhandene Material keine genauen Auskünfte zu geben vermag, entspricht einer wissenschaftlich einwandfreien Haltung. Eine autoritäre Schreibweise (ADORNO 1999) ideologisch beeinflusster Menschen würde solche Unsicherheiten niemals zugestehen.

Allerdings interpretierte Werner Buttler die Gruben in neolithischen Siedlungen falsch. Er deutete sie als in den Boden eingetiefte, ovale Hausgruben, die dann nur von leichten Holzkonstruktionen bedeckt waren und unregelmässige Haufendörfer (BUTTLER 1930, 22) bildeten.

Wenn Werner Buttler also, nach heutigem Wissensstand, zu falschen Ergebnissen kam, so steht doch die Form seiner Abhandlung in einer Tradition wissenschaftlichen Arbeitens, welche unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, da ihren ideologischen Zielen nicht dienlich, disqualifiziert wurde. Betrachtet man beispielsweise Ernst Wahles unterschiedliche Positionen, so lässt sich aus dem Beispiel der Schluss ziehen, dass es durchaus auch Wissenschaftler gab, die zwar anfänglich ähnliche wissenschaftliche Positionen vertraten wie Werner Buttler, diese aber dann zugunsten einer mystifizierenden Schreibweise aufgaben, die sie sogar in der Nachkriegszeit weiter veröffentlichten.

Nichts könnte gegensätzlicher sein, als diese beiden Sätze:

Der archäologische Stoff zeigt demgemäss nicht das Volkstum selbst, sondern seine Lebenskraft. (WAHLE 1952, 132)

Es kann ja auch nicht anders sein, als dass in Gebieten, in denen sich der Rohstoff reichlich findet, die Industrie sich am stärksten entwickelt. (BUTTLER 1930, 28)

Aus der typologischen Darstellung der Keramik leitet Buttler dann seine Chronologie des Neolithikums ab. Eingeleitet wird die chronologische Auswertung wieder mit einem Hinweis, der nicht ex cathedra meint, alles wissen zu können: Die chronologische Auswertung des Materials aus dem hier behandelten Gebiet ist sehr schwierig. Es ist, namentlich in der östlichen Gruppe, sehr wenig Material aus Grabungen vorhanden, sodass nicht genügend sichere Fundkomplexe zur Verfügung stehen. Man ist daher teilweise vor Fragen gestellt, die sich nicht mit Sicherheit beantworten lassen. Es bleibt nichts übrig als die Tatsachen, ...miteinander zu vergleichen. (BUTTLER 1930, 48) Ein Satz, der wissenschaftliche Redlichkeit vermuten lässt. So kann Werner Buttler zwar eine relative Chronologie einzelner bandkeramischer Stufen erstellen, doch er kommt am Ende seiner Dissertation zu dem Schluss: Über chronologische Fragen konnte nur wenig Sicheres ausgesagt werden, da bei dem Mangel an systematischen Grabungen nicht genügend einwandfreie Unterlagen dafür vorhanden sind. (BUTTLER 1930, 53)

Im Gegensatz zu Ernst Wahle oder auch Herbert Kühn gehörte Werner Buttler zu den jungen Männern, die im Weltkrieg «verheizt» wurden. Insofern ist es müssig, darüber zu spekulieren, wie er wohl im Laufe seiner weiteren Karriere unter den Nationalsozialisten geforscht und geschrieben hätte. Immerhin war er ja, als Referent für Bodenaltertümer im Reichsministerium, doch den politisch Mächtigen sehr nahe.

Eine Vorstellung davon könnte die etwa sechs Jahre später verfasste, populärwissenschaftliche Schrift: «Merkheft zum Schutz der Bodenaltertümer» geben. (BUTTLER 1937)

Das Heft wurde ab 1937 vom Reichs- und Preussischen Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung herausgegeben. Für Wort und Bilderzusammenstellung war Werner Buttler zuständig.

Das sehr populäre und mit einem reichen Bilderanteil aufgemachte Heft verfolgte augenscheinlich das Ziel, der Bevölkerung Sinn und Aufgaben einer Bodendenkmalpflege nahezubringen. Beschwörend werden den Lesern die richtigen Verhaltensweisen, falls sie unvermittelt auf einen Bodenfund stossen nahegebracht oder wie auch Laien, falls Bauarbeiten beispielsweise fortgeführt werden müssen, eine Art Erste Hilfe bei der Bergung von Funden leisten können. Fachausdrücke, wissenschaftliche Verfahren, Bodenverfärbungen oder Pfostenlöcher, Hortfunde oder Grabkammern und weitere, für Ur- und Frühgeschichtler wichtige Befunde, Verfahrensweisen und Merkmale werden, reichlich fotografisch dokumentiert, mit wenigen und einfachen Worten in sehr übersichtlicher Art und Weise dargestellt.

Werner Buttler beschreibt im Vorwort die beiden Aufgaben einer Bodendenkmalpflege: Sie will die h e u t e n o c h s i c h t b a r e n D e n k m a l e aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit, die überall im Lande zerstreut sind, hegen und ihren Bestand wahren. Wo wehrhafter Sinn eine Wallburg erstehen liess, wo frommer Totenglaube aus Findlingsblöcken mächtige «Hünengräber» türmte, ...da sollen diese Denkmale erhalten bleiben, damit sie auch unsere Enkel an die Vergangenheit und ihr Ahnenerbe mahnen können. (BUTTLER 1937, 1) Die andere Aufgabe der Bodendenkmalpflege besteht in der B e r g u n g d e r i m E r d b o d e n v e r b o r g e n e n, z u f ä l l i g o d e r z w a n g s l ä u f i g a n s T a g e s l i c h t k o m m e n d e n A l t e r t ü m e r. (BUTTLER 1937, 2) Der Stil populärwissenschaftlicher Arbeiten ist meistens gefühlsbetont, denn ihre Intention ist eine andere als die wissenschaftlicher Abhandlungen. Sie richten sich an Laien, bei denen Interesse und Verständnis für die Belange und Inhalte der dargestellten Wissenschaft geweckt werden sollen. Im vorliegenden Fall populärwissenschaftlichen Schrifttums zur Vorgeschichte werden nun genau jene Emotionen geweckt, die auch sonst im Mittelpunkt des demagogischen Interesses der Nationalsozialisten stehen: Lust an Aggressionen (wehrhafter Sinn) und Interesse an mystischen Dingen (fromer Totenglaube). Dazu der gewissermassen familiäre Appell an die eigene Ingroup und deren Wurzeln (Enkel und Ahnenerbe). Wobei man sicher annehmen kann, dass das letzte Wort Ahnenerbe in der Art einer Schleichwerbung in den Text gesetzt wurde. Viele Menschen sehen sich gerne als Mitglied eines herausragenden Kulturvolkes, man schmeichelt so der individuellen Eitelkeit. Niemand will so barbarisch sein, Bodendenkmäler zu zerstören, zumal es ja eine Ehre ist, solche auf seinem Grundstück zu erhalten.

Appell an unterdrückte Triebe und spirituell-mystische Bedürfnisse, Benennung der Ingroup, Zuordnung des Lesers zu einer positiv besetzten Gruppe, falls er sich richtig, im Sinne des Demagogen/Autors/Redners verhält, Spiel mit falsch verstandenen Idealen und persönlichen Eitelkeiten sind typische Anzeichen eines autoritären oder manipulativen Textes. Die Frage ist, manipulierte Werner Buttler die Leser gewissermassen für einen guten Zweck, nämlich den Schutz archäologischer Bauwerke oder steckte hinter diesem Bestreben noch eine andere, weniger auffällige Intention?

Wir suchen die ewigen Gesetze des Werdens und Vergehens, denen die Völker unterworfen sind, wir wollen Rasse und Kultur unserer Vorfahren feststellen; wollen wissen, wie bei ihnen Kunst und Gewerbe ausgesehen haben, wie sie gebaut und gewohnt haben, wie die Gesellschaftsordnung, die Lebens- und Wirtschaftsweise war und welche kultischen Anschauungen das Leben und Sterben der Menschen bestimmten. (BUTTLER 1937, 1) Kunst, Gewerbe, Bau- und Wirtschaftsweise oder Gesellschaftsordnungen sind bis heute legitime Forschungsinteressen, «ewige Gesetze des Werdens und Vergehens» erinnern an die poetische Sprechweise von Johann Wolfgang von Goethes, der solche Formulierungen im Rahmen seiner Naturbeschreibungen verwendete. Der Zusammenhang mit dem Begriff «Volk», schafft hier allerdings einen scheinbar naturgesetzlichen Zusammenhang, die Unterstellung, dass das Volk schon immer (ewig!) nachweisbar gewesen sei, sein Vorhandensein eine Naturtatsache wie das Vorkommen von Bäumen.

Werner Buttler bewegte sich hier also eindeutig im Rahmen der nationalsozialistischen Terminologie, wozu er wohl auch als Angestellter des Ministeriums verpflichtet war. Heinrich Himmler hatte die Ziele der deutschen Vorgeschichtsforschung in ähnlichen Worten vorgegeben: Ebenso wie ein Baum verdorren muss, wenn man ihm die Wurzeln nimmt, geht ein Volk zugrunde, das nicht seine Ahnen ehrt. Es gilt, den deutschen Menschen wieder hineinzustellen in den ewigen Kreislauf von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, von Vergehen, Sein und Werden, von Ahnen, Lebenden und Enkeln. (zitiert nach KATER1997, 18)

Nimmt man die Sorge um den Erhalt der Bodendenkmäler als die vordergründigste, sodann die völkisch-nationale Intention als die nächste Bedeutungsschicht, so lagert sich, als unterste, noch eine Dritte, politische ab: Daneben verfolgen wir das Ziel, mit Hilfe der Bodenfunde in grossen Zügen das völkisch-politische Geschehen der Urzeit zu erschliessen (siehe Seite 36). (BUTTLER 1937, 1) Folgt man dem Querverweis, so findet man, wie üblich in diesem Heft schön übersichtlich angeordnet, mit nicht allzu viel Text versehen, drei Karten gezeichnet und dazwischen dick gedruckt die Frage: Weshalb betreiben wir Bodendenkmalpflege? Das Bestreben der Wissenschaft, alle vorgeschichtlichen Funde so vollständig wie möglich zu sammeln, ist nicht durch den Wunsch bedingt, immer neue Altertümer in den Museen aufzustapeln, sondern eine nationale Notwendigkeit. Denn die Bodenfunde sind für die frühesten Abschnitte unserer völkischen Entwicklung die einzigen Geschichtsquellen, aus denen wir unsere Kenntnis vom Werden der Kultur, aber auch der geschichtlichen Entwicklung schöpfen. Mit Hilfe einer Methode, deren Ausbau an den Namen des Altmeisters der deutschen Vorgeschichte, Prof. Gustav Kossinnas, geknüpft ist, wurde es möglich, aus den Hinterlassenschaften der Vorzeit, aus Waffen, Urnen und Geräten, V o l k s w a n d e r u n g e n (Hervorhebung durch d. Verf.in) zu erschliessen. Ein Beispiel aus der germanischen Vorgeschichte Schlesiens geben die Kartendarstellungen dieser Seite. (BUTTLER 1937, 36)

Die erste Karte in der linken, oberen Ecke der Heftseite, zeigt ein umgrenztes, schraffiertes Gebiet, etwa von der Kurischen Nehrung bis zur Mündung der Ems, dass im grossen Halbkreis Gebiete von etwa 200–250 km von den Küsten der Nord- und Ostsee entfernt umfasst sowie Schleswig Holstein, Dänemark und zumindestens Götland, denn der Südzipfel Schwedens schaut auch noch ins Bild. Neun schwarze Pfeile weisen aus diesem Halbkreis heraus in alle Himmelsrichtungen: Westlich nach den Niederlanden, südlich nach Süddeutschland, Bayern, Tschechien, Schlesien und östlich nach Polen hinein. Die Bildlegende dazu lautet: Der germanische Lebensraum um 1000 vor unserer Zeitrechnung (nach den Bodenfunden). (BUTTLER 1937, 36)


Bild 4: Stumme Karte 1

Die zweite Karte in der rechten oberen Ecke zeigt sodann, nicht mehr in einem Kästchen gefangen, eine stumme Umrisskarte Schlesiens mit dem Oderverlauf von etwa Frankfurt an der Oder im Norden bis etwa Ostrau im Süden. Die nord-östliche Begrenzug des Gebietes bildet die polnische Grenze von 1937, süd-westlich die tschechische und slowakische. Es sind viele Pünktchen am Nordrand des Gebietes eingezeichnet, eine halbkreisförmige, aber nun durchbrochene Linie, die etwa von Liegnitz süd-westlich der Oder bis zu einem Punkt an der polnischen Grenze nord-östlich verläuft und etwa das Gebiet um Breslau einfasst sowie zwei schwarze Pfeile, die über diese Linie hinaus Richtung Süden und Süd-Osten weisen. Bildlegende dazu: Von der etwa vor 3000 Jahren einsetzenden Südwanderung germanischer Stämme wird auch Schlesien erfasst. Jeder Punkt auf der Karte bedeutet eine Fundstelle frühgermanischer Kulturreste um 500 vor unserer Zeitrechnung. (BUTTLER 1937, 36)


Bild 5: Stumme Karte 2

Und in der linken, unteren Ecke der Seite, auf die zuerst der Blick einer umblätternden Person fällt, findet sich dann die stumme Karte Schlesiens, dicht, beinahe schwarz übersäht mit Pünktchen sowie die Bildlegende: Die Bauernzüge der Germanen gehen weiter nach Süden. Um die Zeitwende ist bereits ganz Schlesien, darüber hinaus auch e i n g r o ss e r T e i l d e s h e u t i g e n P o l e n (Hervorhebung durch d. Verf.in) von dem germanischen Volk der Vandalen besetzt. Diesen wichtigen geschichtlichen Vorgang hat man allein aus dem Sammeln und Kartieren der Bodenfunde erschlossen. Hätte man diese nicht beachtet, so wüssten wir von der germanischen Wanderung gar nichts. (BUTTLER 1937, 36)

Hier wird nicht irgendein Zeitraum und nicht irgendeine Gegend Mitteleuropas abgebildet, sondern sehr gezielt das Grenzgebiet zu Polen und polnische Gebiete, um die Bevölkerung auf den bald folgenden Angriff auf Polen vorzubereiten, der am 1. September 1939 erfolgte. Nachdem etwa ein Jahr zuvor, am 1.10.1938 die deutschen Truppen in die angrenzenden, sudetendeutschen Gebiete Tschechiens einmarschiert waren und sie am 15.3.1939 die gesamte damalige Tschecho-Slowakei besetzten. Ur- und Frühgeschichte diente hier zur Legitimation eines vorgenommenen Eroberungsfeldzuges – und zwar unabhängig davon, ob diese Fundkarten korrekt waren oder nicht.


Bild 6: Stumme Karte 3

Insofern bilden die Karten auf Seite 36 des Merkheftes den Höhepunkt einer Argumentationskette, deren Beginn wir bereits in der, auf den ersten Blick eigentlich untendenziösen Aufzählung zerstörter Hünengräber auf Seite 3 finden: Diese sind nämlich die stolzen Zeichen nordischer Bauernkultur (BUTTLER 1937, 3) und als solche, nach Buttlers Chronologie oder jener des Reichsministeriums etwa 3000 bis 2000 vor unserer Zeitrechnung errichtet (BUTTLER 1937, 3). Gegen 1000 vor unserer Zeitrechnung ist das der germanische Lebensraum (BUTTLER 1937, 36).

Die Wallburgen dienen dann auf Seite 4 des Merkheftchens dazu, von den Kämpfen zu zeugen, die sich im Laufe der Vorzeit auf dem Boden unserer Heimat abgespielt haben, bis dieser endgültig dem deutschen Volk g e s i c h e r t (Hervorhebung durch d. Verf.in) war. (BUTTLER 1937, 4) Mindestens eine der abgebildeten Wallanlagen liegt, wie kann es anders sein, bei Frankfurt an der Oder.

Ehrwürdige Reste (BUTTLER 1937, 7) sind von unseren Vorfahren (BUTTLER 1937, 6, 8, 14, 16 u. a. a. O.) errichtet worden, die uns zu Erben unserer grossen völkischen Vergangenheit (BUTTLER 1937, 8) machen. Die Inflation der Pronomen «uns», «wir», «ich», «unsere Vorfahren» im Merkheft bestärkt und suggeriert diese Verbundenheit mit dem gegenwärtigen «Volkskörper» sowie jenem unserer Vorfahren durch das ganze Heft hindurch.

Natürlich sind nicht nur die grossen Bodendenkmäler wichtig, die Geräte oder Metallgegenstände: Ehe die anderen Fundgattungen aufgeführt werden, steht an erster Stelle, auf Seite 11, der Befund der Körpergräber, die Knochen deren Bergung nicht nur wegen der kulturgeschichtlich wichtigen Totenbeigaben notwendig ist sondern weil unsere R a s s e n k u n d e auf vor- und frühgeschichtliches Schädelmaterial angewiesen ist. (BUTTLER 1937, 11)

Man muss schliesslich erkennen können, wer dazu gehört und wer nicht. Dazu gehört auf jeden Fall der Fachmann (BUTTLER 1937, 15 u.a.a.O.), dessen inflationäres Vorkommen ein weiteres Kennzeichen in diesem Text ist. Er weiss, wie man sich richtig verhält, er ist der Vertreter der Behörde, des Ministeriums, des Reiches, sein wissenschaftlicher Schatten garantiert, dass alles, was in diesem Heft zu finden ist korrekt verfasst und zur Bewahrung der archäologischen Altertümer durchgeführt wurde. Er ist im hierarchischem, dem «Führerprinzip» (MASER 2001,85) unterworfenen Gesellschaftsgefüge der Deutschen der «kleine Führer», die nicht zu hinterfragende Autorität.

Nicht zur Gruppe «unserer Vorfahren» gehören die Römer: In Süd- und Westdeutschland, wo etwa 400 Jahre lang die Römer geherrscht haben, findet man in erstaunlicher Dichte die Spuren jener Fremdherrschaft im Boden. ... Diese Reste sind die letzten Zeugen einer im Mittelmeer erwachsenen Stadtkultur, die dem Norden fremd war und später dem Ansturm der jugendstarken Germanen wieder erlag. (BUTTLER 1937, 22)

Das Aussehen des jugendstarken Germanen findet sich dann einige Seiten später auf einem Bild. (BUTTLER 1937, 25)

Leider erfährt man nicht, wie denn eine «jugendstarke Germanin» nun aussehen würde. Abbildungen prähistorischer Frauen fehlen im «Merkheft zum Schutz der Bodenaltertümer», trotzdem es innerhalb der nationalsozialistischen Vorgeschichtler durchaus Diskussionen um deren Art und Weise mit Abbildungen von Frauen in einigen Publikationen gegeben hatte. (KOSSINNA 1911, WILKE 1929, WIRTH 1938, WOLFF, 1929, 319 ff., RÖDER 1996, 132, SCHÄFER 2001, 51ff.)

Die Darstellung des germanischen Kriegers im Merkheft ist insbesondere deshalb als tendenziös im Sinne der nationalsozialistischen Führerideologie zu interpretieren, als er den Arm zum «Hitlergruss» hebt und somit eine scheinbare Kontinuität zwischen den damaligen «jugendstarken Germanen» sowie den gegenwärtigen Nationalsozialisten suggeriert wird. Das Bild des Germanen mit der erhobenen flachen Hand hat hier die gleiche Funktion, wie die Herschreibung des Symbols «Hakenkreuz» auf prähistorischer Keramik. Auch Slaven, die im 6. Jahrhundert in germanisches Land einbrachen (BUTTLER 1937, 35) gehören nicht zur eigenen, prähistorischen «Ingroup». Dass es sich um «unser» Land handelte, beweist anscheinend die Summe der Bodenfunde, die Werner Buttler in drei stummen Kartenabbildungen von Schlesien dokumentiert: 9 im Jahr 1896, 52 1926 und 147 im Jahr1937. (BUTTLER 1937, 35) Auch die Fundmeldungen aus der Bevölkerung, glaubt man der abgebildeten Statistik, haben sich in dem Zeitraum zwischen 1926 und 1934 mehr wie verdreifacht. (BUTTLER 1937, 35)

Die manipulative Botschaft bringt so den Beweis, Was bei guter Denkmalpflege herauskommt: Nämlich dass polnische und tschechische Gebiete schon immer «unser» Land war, woraus sich auch für die Gegenwart territoriale Ansprüche ableiten lassen. Die Karten suggerieren die Notwendigkeit, falls «die Fremdherrschaft» noch fort dauern sollte, abermals nach den munteren, «jugendstarken Germanen» zu rufen, damit der drängelnde Ameisenhaufen der Kartenpünktchen ein Ventil zur Eroberung «neuen Lebensraumes im Osten» (häufig verwendeter Begriff der Nationalsozialisten) erhält. Zwischen der Dissertation von Werner Buttler und diesem populärwissenschaftlichen Text liegt etwas mehr als ein halbes Jahrzehnt. Die Texte gehören zwei verschiedenen Textkategorien wissenschaftlichen Schreibens an: Dissertation und populärwissenschaftliche Information.

Werner Buttler verfasste auch ein vorgeschichtliches Schulbuch. Es wäre interessant, im Rahmen einer Fragestellung nach den Inhalten der Ur- und Frühgeschichte in Schul-, Kinderund Jugendbüchern aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, dieses Buch näher zu untersuchen. (siehe auch: HASSMANN 1998)

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte 1933 stattgefunden und Hitler vereinigte seit August 1934 die Ämter des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers in seiner Person. Kurz zuvor war die SS als selbstständige Organisation gegründet worden, die Wehrmacht wurde auf Hitler vereidigt, eine allgemeine Wehrpflicht 1935 eingeführt und am 15.9.1935 die antisemitischen «Nürnberger Gesetze» erlassen. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein und die Vorbereitungen zum Krieg waren auf politischer und wirtschaftlicher Ebene voll im Gange.

Die beiden besprochenen Arbeiten Werner Buttlers bilden die innere Entwicklung eines jungen Wissenschaftlers von seinem dreiundzwanzigsten bis zu seinem dreissigsten Lebensjahr während einer Diktatur ab.

Folge ich jedoch der Charakterisierung seiner Person und seiner Stellung zwischen «SS-Ahnenerbe» – Anhängern und jenen des «Amtes Rosenberg», wie BOLLMUS (1970) sie darstellt, so sehe ich nicht innere Entwicklung sondern das Phänomen einer Abspaltung zwischen einerseits wirklich wissenschaftlicher Redlichkeit und Begabung und andererseits ideologietreuer, regimenaher Schreiberei, die den Machtinteressen einer rassistischen Diktatur diente.

Werner Buttler war zu diesem Zeitpunkt ein junger Familienvater mit drei Kindern. Es lässt sich kaum nachvollziehen, ob und in welcher Weise Leute wie er unter Druck gesetzt wurden, um dem Regime die notwendige geistige Unterstützung zu gewährleisten. Natürlich gab es viele Menschen, die trotz Allem, solchem Druck nicht nachgaben. Vielleicht, das legt BOLLMUS (1970) Darstellung nahe, vermeinte Werner Buttler auch, eine richtige Strategie zu fahren. Eine Haltung, die Werner Buttler mit einer ganzen Reihe anderer Vorgeschichtler teilte.

Trotzdem muss bemerkt sein, dass populärwissenschaftliches Schreiben die grössere Öffentlichkeit hat und somit auch eine stärkere Funktion politischer Manipulation und Beeinflussung wie wissenschaftliches. Hierin entspricht das bilderreiche und sehr verständlich geschriebene Merkheft den späteren Bildmedien, deren manipulative Einflussnahme ja heutzutage hinreichend bekannt ist.

Vorgeschichtler wie Werner Buttler oder Walter von Stokar unterrichteten nicht nur im wissenschaftlichen Rahmen der Universitäten sondern auch auf der populären Ebene einer Volksbildung. Hier aber hatten sie Einfluss auf eine Klientel, die eben nicht über das methodische Instrumentarium verfügte, eventuell ideologische Thesen solcher SA-Referenten anzuzweifeln.

Dass es möglich war, populärwissenschaftlich und trotzdem ideologiefrei zu schreiben, zeigt beispielsweise der Aufsatz von Eugen Hollerbach im «Westdeutschen Beobachter vom 25. Januar 1939 (UAK Zug 44/183), den ich im Folgenden kurz referieren möchte. In journalistischer Weise stellt Eugen Hollerbach die naturwissenschaftliche Arbeit am Institut für Vorgeschichte von Köln dar. Mit einfachen Worten und humorvollen Beispielen werden metallurgische, chemische und pollenanalytische Verfahrensweisen beschrieben. Das Ziel der Spatenforschung ist, herauszufinden, was denn die Leute damals für Stoffe trugen, wie sie Brot backten oder womit sie ihre Hafermehlbrühe würzten. Der Autor lehrt seine LeserInnen staunen, wie gut und auf wie lange Zeit die Erde ihre Funde konserviert. Hier findet sich keine germanophile Sinngebung oder raunendes Einschwören auf das Ziel, germanisches Wesen überall zu erkennen und zu bewahren, wie das in Werner Buttlers Merkheft von 1937 so deutlich hervorgehoben wird.(HOLLERBACH, E. 1939 Mit Mikroskop und Retorte auf den Spuren der Vorzeit. Westdeutscher Beobachter – Abendausgabe 25.1.39 in UAK Zug 44/183)

In dieser Beharrlichkeit des Gewordenen liegt die tiefste Bedeutung aller geschichtlichen Wissenschaft. Was die Natur selbst erhalten hat, drängt sich mit geheimnisvoller Gewalt in unser Bewusstsein. Wo die geschriebene Geschichte aufhört, spricht die Erde selber in eigentümlichen Zeichen. Vorgeschichtsforschung ist Sinngebung ihrer dunklen und vieldeutigen Sprache. (HOLLERBACH, E. 1939 Mit Mikroskop und Retorte auf den Spuren der Vorzeit. Westdeutscher Beobachter – Abend-Ausgabe 25.1.39 in UAK Zug 44/183)

Die beiden Texte Werner Buttlers stehen für den Schritt, den die deutsche Ur- und Frühgeschichte, in gleichem Masse wie die Anthropologie, die Germanistik, die Ethnologie als Volkskunde und andere Universitätsfächer machte: Von der objektiven, an naturwissenschaftlichen Verfahrens- und Denkweisen orientierten Wissenschaft zur Apologetin rassistischer und kriegstreibender Herrschaftsideologie.

Werner Buttlers beide Texte verweisen auf den Typus der ernsthaften und kompetenten Wissenschaftler unter einem diktatorischen Regime, die ...wie viele der Geisteswissenschaftler im «Ahnenerbe», ihre wissenschaftliche Persönlichkeit bewusst in zwei Häften gespalten hätten, von denen die eine aus opportunistischen Überlegungen heraus willens war, die lächerlichen Anregungen Himmlers scheinbar ernst zu nehmen, während die andere nach altem Brauch weiterforschte, als befinde sie sich noch in einem freiheitlichen System. Wie KATER (1997) sie, in Absetzung zu dem, der Ideologie vollkommen hörigen Schmalspur-Forscher charakterisierte. (KATER 1997, 86)

Im Kapitel über den Chemiker und Kölner Institutsleiter Walter von Stokar wird diese Diskrepanz zwischen (natur-)wissenschaftlicher Arbeit und populärwissenschaftlichem, regimenahen Schreiben, als einem weiteren Kennzeichen des Verhaltens von Ur- und Frühgeschichtlern unter der nationalsozialistischen Diktatur Thema sein.

Verhindern oder fördern naturwissenschaftliche Kenntnisse und Einstellungen die kritische Haltung von Ur- und Frühgeschichtlern gegenüber einer Ideologisierung ihres Faches? Oder ist am Ende der Glaube an eine solche, «objektive Wissenschaft» doch nur, im Sinne Horkheimers und Adornos Theorie von der «Dialektik der Aufklärung», eine unter all jenen Illusionen, die Menschen zwischen sich und dem Terror errichteten?

Wenn sich eine solche These bestätigen würde, dann hätte der Sündenfall der Ur- und Frühgeschichte unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, abgesehen von ihrer Dienstbarkeit, im Glauben an dieses Illusion bestanden.

In Bezug auf die Nachkriegsära der Ur- und Frühgeschichte, die ja insbesondere in Köln in ausgeprägtester Weise auf die Naturwissenschaften ausgerichtet war, erhebt sich die Frage, was aus dieser «naturwissenschaftlichen Illusion» wurde: Abermalige Blindheit auf dem «autoritären Auge» oder wirkliches emanzipatorisches Ideal?

Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln

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