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1.2.2. Zu literatur- und sprachkritischen Analyse wissenschaftlicher Texte

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Die sprachkritische Analyse befasst sich nicht so sehr damit, ob ein Text wissenschaftlich richtige Aussagen macht. Sie geht davon aus, dass sowohl richtige als auch falsche Inhalte ideologisch verbrämt werden können.

Die sprachkritische Analyse behandelt zwar wissenschaftliche, belletristische, gesprochene, u. a. Texte gleich. Trotzdem sieht sie die jeweilige Textart auch als Kontext, in dem eine bestimmte sprachliche Wendung, Meinung, Behauptung, rhetorische Floskel auftaucht. Sie fragt nach Intention und gesellschaftlicher Wirksamkeit.

Im Zusammenhang mit der sogenannten «Milojcic-Diskussion» (10.1.3.2.) lässt sich der Unterschied zwischen sprachkritischer und inhaltlicher Analyse eines wissenschaftlichen Textes verdeutlichen. Die Sprachkritik an einem wissenschaftlichen Text hat nicht unbedingt zur Voraussetzung, dass man, über ein übliches Mass an wissenschaftlicher Vorbildung hinaus, fachlich in der jeweiligen Wissenschaft, aus der der Text stammt, geschult ist. Es gehört jedoch zur methodischen Intention meines Ansatzes, dass das Fachwissen, hier bezüglich der Ur- und Frühgeschichte, Instrumentarium der sprachkritischen Analyse ist. Vladimir Milojcics Aufzählung der verschiedenen prähistorischen Methoden (MILOJCIC 1957, 102) wären ein Beispiel dafür. Einem Nichtprähistoriker würde beispielsweise kaum auffallen, dass Vladimir Milojcic das zeitliche Hintereinander des Auftretens der Chronologiemethoden an einer entscheidenden Stelle umgedreht hat.

Da es sich bei meiner Arbeit um eine Studie im Rahmen der Ur- und Frühgeschichte handelt, möchte ich die literaturwissenschaftliche Terminologie mit Hilfe der prähistorischen Terminologie verdeutlichen: Dem «archäologischen Befund» entspricht in der Literatur die Text- oder Quellenart. Beispielsweise: Natur- oder populärwissenschaftliche Abhandlung, Vortrag, Akte, Zeitungsartikel, Gedicht.

Die Summe der Texte eines Autors könnte man als «stratigrafischen Fundort» bezeichnen, der für eine chronologische Abfolge steht. Innerhalb dieser Textsammlung ist eine Analyse der literarischen Entwicklung des Autors/der Autorin von Intereresse, der Vergleich mit zeitgleichen Texten anderer Autorinnen und Autoren, die hermeneutische Interpretation der Intentionen des/der Autors/Autorin u.A.m.

Auf der Ebene des «Fundgegenstandes» kann man e i n e n ausgewählten Text, z. B. Brief, Vorlesung oder Gedicht eines Autors unter den verschiedensten Gesichtspunkten betrachten. Worte, Wendungen, Begriffe eines Autors, einer Autorin bezeichne ich als «Artefakte». Sie sind interessant in Bezug auf die anderen Texte eines Autors, einer Autorin, im Kontext der Texte anderer Autoren, im historischen Verwendungs- und Bedeutungszusammenhang, entymologisch, etc. Die Auswahl einer bestimmten Textart, Quelle, die Arbeit an Begriffen, etc. entspricht der «Probenentnahme». Das setzt aber in diesem Fall schon eine bestimmte Bewertung der jeweiligen Quellenart voraus, diese Auswahl, diese Entscheidung ist in gewisser Weise bereits Teil der Interpretation. Beispielsweise entscheide ich im Vorhinein, eher einen Brief als charakteristisch für die Intentionen eines bestimmten Autors zu sehen als seine Habilitationsschrift, eher seine publizierte Erwiderung auf eine Kritik seiner wissenschaftlichen Auffassungen als seine Darstellung einer Grabung.

Die Text- oder Sprachanalysen können unter bestimmten thematischen Schwerpunkten durchgeführt werden: Eine literaturhistorische Analyse bearbeitet die Herleitung von Texten aus literarischen, wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Traditionen, beispielsweise den Zusammenhang zwischen neuerer Esoterikliteratur der siebziger und Achtzigerjahre und nationalsozialistischen Texten aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. (JAUSS 1970, SCHÄFER 2001).

Die literatursoziologische Untersuchung interessiert sich für Texte als Ausdruck sozialen Verhaltens von gesellschaftlichen Gruppen sowie deren sozialer Erfahrung und ihrer Intentionen, beispielsweise der klassischen englischen Kriminalliteratur als Ausdruck des gesellschaftlichen Selbstverständnisses des englischen Bürgertums um die Jahrhundertwende. (HANFLAND 1975, SCHÄFER 1986)

Sprachpsychologie sieht literarische Texte als Ausdruck unbewusster Intentionen und biografischer Erfahrungen eines literarischen Individuums. Die Analyse einer Art Tiefenstruktur eines Textes dient dazu, Informationen über Biografie, psychologische Befindlichkeit, etc. des/der Autors/Autorin zu erhalten.

Die politische Literaturkritik wächst aus einer politischen Bewegung oder Gruppierung heraus, z. B. der Arbeiterbewegung oder der Frauenbewegung. Deren Form der Gesellschaftskritik bildet das methodische Gerüst der Literaturanalyse. Das Interesse richtet sich zum Beispiel auf die Darstellungsweise ihrer Protagonisten in der Literatur: Frauen, Arbeiter, auf die Häufigkeit ihres Auftretens beispielsweise, die Art der Beschreibung, etc. oder auf die Literatur dieser Protagonisten selber: Literatur von Arbeitern, Literatur von Frauen. Die bekanntesten Arten politischer Literaturkritik des zwanzigsten Jahrhunderts sind die sozialistische aus der ersten Hälfte sowie die feministische (PUSCH 1984, TRÖMMELPLÖTZ 1982) aus der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. (SCHÄFER 1986) Eine hermeneutische Textinterpretation zieht weniger Methoden anderer Wissenschaften zu Rate sondern befasst sich alleine mit einem Text, einer Textart selber. Diese werden nach einer Reihe festgesetzter Normen in Hinsicht darauf analysiert, ob sie jenen entsprechen oder nicht.

Hierzu gehört die Analyse von Texten nach ästhetischen und sprachästhetischen Gesichtspunkten. (ADORNO 1980).

Eine weitere hermeneutische Textanalyse ist jene nach den Kriterien wissenschaftlichen Schreibens. Hierzu gehören die Begriffspaare Objektivität contra Subjektivität, Trennung von Meinung und Fakten, Absetzung von Empirischem und Interpretation, etc. Einer meiner eignen Arbeitsschwerpunkte ist die hermeneutische Analyse von Texten in Hinsicht auf ihre Akzeptanz positiver gesellschaftlicher Werte wie Gewaltfreiheit, Öffentlichkeit, Transparenz, Akzeptanz gesellschaftlicher Minderheiten, etc. (ADORNO 1999, HACKER 1990, SCHÄFER 2001)

Die Geschichte des Institutes für Ur- und Frühgeschichte an der Universität zu Köln

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