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15.9.01
Überraschung durch hausgemachte Schurken

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Am 25. November 1941 notierte der US-Verteidigungsminister Henry Stimson nach einer Unterhaltung mit Präsident Roosevelt über die Japaner in sein Tagebuch: »Die Frage war, wie man sie in eine Position manövrieren könnte, in der sie den ersten Schuss abgeben würden, ohne dass uns allzu viel passiert ... es war wünschenswert, sicherzustellen, dass die Japaner dies wären (die den ersten Schuss abgeben), sodass niemand auch nur den geringsten Zweifel haben könnte, wer der Aggressor war.« [34]

Keine zwei Wochen später war es dann soweit. Schon 1932 und 1938 war Pearl Harbour zweimal bei Marinemanövern übungshalber »überfallen« worden – einmal von 152 Flugzeugen –, und jedes Mal erwies sich die Verteidigung als völlig überfordert. Deshalb galt der Stützpunkt als besonders verwundbarer Marinehafen. Als Roosevelt befahl, die Flotte von der Westküste dorthin zu verlegen, protestierte der amtierende Admiral Richardson dagegen und weigerte sich schließlich sogar, den Befehl auszuführen. Er wurde durch Admiral Kimmel ersetzt, den man dann nach dem japanischen Angriff wegen Nachlässigkeit vor einen Untersuchungsausschuss brachte. Aber Kimmel musste freigesprochen werden, als bekannt wurde, dass man ihm alle Informationen aus entschlüsselten japanischen Nachrichten vorenthalten hatte. Auch holländische, britische und russische Nachrichtendienste hatten die USA vor einem bevorstehenden japanischen Angriff gewarnt, doch auch diese Meldungen waren in Washington zu rückgehalten worden. Ein Marinebericht von 1946 enthielt den Hinweis auf 188 entschlüsselte Nachrichten, die eindeutig auf den bevorstehenden Angriff samt Datum und Uhrzeit hinwiesen. Als zwei der in den 20er und 30er Jahren angesehensten Historiker der USA – die Professoren Charles Beard und Harry Elmer Barnes – die offizielle Regierungsversion daraufhin ablehnten, wurden sie als Spinner und Verrücktedenunziert und aus dem Lehrbetrieb entfernt. Der »Überraschungsangriff« steht seitdem in jedem Lexikon.[35]

Am 25. Juli 1990 überbrachte die US-Botschafterin in Irak, April Glaspie, eine Botschaft des Weißen Hauses an Saddam Hussein: Präsident Bush wünsche, die Beziehungen zu Irak»auszubauen und zu vertiefen«. Und: »Wir haben zu den innerarabischen Differenzen wie auch zu Ihren Auseinandersetzungen mit Kuwait nicht viel zu sagen. Wir alle sind davon überzeugt, dass Sie das Problem bald lösen werden.«[36] Natürlich war Saddams Truppenaufmarsch in den Wochen zuvor genau registriert worden. Dass eine Invasion Kuwaits bevorstand (die dann auch am 2. August erfolgte), war offensichtlich. Jedoch war offenbar auch hier beabsichtigt, den Gegner zum »ersten Schuss« einzuladen. Sonst hätte man bei der anschließenden Bombardierung Bagdads am Ende ja als Aggressor dagestanden – so wie ohne Pearl Harbour Hiroshima und Nagasaki nicht als Verteidigung der Zivilisation durchgegangen wären, sondern nur als das, was sie waren: ein mörderischer Waffentest und Terroranschlag. Wen wundert es da noch, dass bei »Überraschungsangriffen« allerhöchstes Misstrauen angesagt ist. Nach den Japanern und Saddam heißt der neueste hausgemachte Schurke offenbar Bin Laden ...

Es dauerte mehr als ein halbes Jahrhundert, bis die Hintergründe der Pearl Harbour-»Überraschung« aufgrund freigegebener Akten aufgeklärt werden konnten. Danach können an der Tatsache, dass die Angriffspläne der Japaner bekannt waren, aber nicht weitergemeldet wurden, um diesen Angriff zuzulassen, kaum noch Zweifel bestehen. Doch es wird wohl noch weitere 50 Jahre dauern, bis auch die Lexika entsprechend geändert werden. Die Tatsache, dass ein demokratischgewählter Präsident 2000 Landsleute opfert, um die Bevölkerung zum Krieg zu motivieren, scheint derzeit der Öffentlichkeit noch nicht zumutbar zu sein. Erst in der Rückschau auf den grandiosen Aufstieg der USA zur einzigen Weltmacht des 21. Jahrhunderts – für den ein in Europa erfolgreicher Hitlerein schweres Hindernis geworden wäre – wird Roosevelts »dirty trick« als strategische Großtat gefeiert werden können.

Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.

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